Was Muslime an Weihnachten machen

Heute ist der 2. Advent. Allmählich nimmt die weihnachtliche Stimmung überhand. Im Discounter kommt man an den Leckereien nicht vorbei. Die Fenster sind mit bunten Lichtern geschmückt. An diversen Winkeln der Stadt kann man sich seinen Weihnachtsbaum aussuchen. Und auch die Weihnachtsmärkte locken mit verlockenden Konsumentenfallen. Im Radio hört man die üblichen Weihnachtssong-Klassiker.

Weihnachten hat ohne Zweifel etwas magisches an sich. Klar! Es ist ja auch das Fest der Liebe. Laut einer Umfrage ist in Deutschland Weihnachten, selbst für jene die aus der Kirche ausgetreten oder gar atheistisch besinnt sind, das Fest der Liebe, das Familienfest schlechthin. Es wird also weiter gefeiert.

Die statistische Verteilung der Religionen in Deutschland  sieht laut Wikipedia wie folgt aus:

  • 62% Christen
  • 32-37% Konfessionslos
  • 2,4% Muslime (Knapp 4,5 Mio Muslime)
  • 1% andere (Wie Buddhisten, Jesiden, Bahai, Juden, Hindus, Sikhs etc.)

Wenn also knapp über die Hälfte im Advent für die Weihnachtsstimmung und das Fest der Liebe auf Hochtouren kommt, was machen dann die anderen 40%? Ist Weihnachten eventuell für die anderen auch mittlerweile ein Fest geworden? Oder kann etwa Weihnachten, wenn man es klug angeht, der gemeinsame Nenner der Gesellschaft werden und alle im Fest der Liebe vereinen?

Was also machen die Muslime an Weihnachten? Ein Selbstbeispiel

Wir haben nie mit der Familie Weihnachten gefeiert. Das heisst meine Eltern haben uns nie einen Weihnachtsbaum besorgt, auch keinen Tannenzweig. Hierzu sollte man übrigens unbedingt den Film Almanya-Willkommen in Deutschland gesehen haben. Ich glaube diese Szene ist so real, dass sie dadurch absolut liebenswert ist. Nun denn, meine Eltern haben das eben nicht gemacht, folglich gab es auch keine Weihnachtsgeschenke. Ich glaube wir haben aber auch nicht danach gefordert. Das heißt, es gab keine Heulanfälle weil die anderen das hatten und wir nicht. Also kein Baum, keine Geschenke. Aber trotzdem hübsch zum Anschauen.

Was es dann aber gab, waren selbst gebackene Plätzchen. Auch für die Nachbarn. Heute weiss ich es selbst aus Erfahrung, dass sich die Weihnachtszeit einfach technisch gut dafür eignet. Die Zutaten sind überall in Massen vorhanden. Es ist draussen etwas kälter, so dass man alle Aktivitäten überwiegend ins Haus verlagert. Kinder lieben es mit Teig zu spielen und im Vergleich zur Knetmasse kann man dann das Zeug auch essen. Also ganz ganz viele Plätzchen nach original deutschem Oma-Rezept.

Ein weiteres Muss war der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt. Meine Mutter brachte uns immer Tagsüber dorthin, weil sie die „heiteren Punschtrinker“, die ihrer Meinung nach am Abend vermehrt sich dort ansammelten, meiden wollte. Also gingen wir immer relativ früh dorthin. Das hatte auch so einen gewissen Reiz, denn oft waren wir die ersten. Aber dennoch  volles Programm. Das heisst, mit Schokolade überzogene Erdbeer-Spieße, Karussell, gebrannte Mandeln, Gernknödel, also alles was das Herz begehrt. Später haben wir diese Weihnachtsmarktabstecher auch gerne mit meiner Schwester allein unternommen.

Ich bin mir sicher, dass wir im Vergleich zu vielen christlichen Fest-Aktivisten, die Sache mit dem Besuch definitiv toppen konnten. Auf Grund der Feiertage und der gemütlich relaxten Situation hatten wir immer einen regelrechten Zulauf, teils angemeldeter aber auch unangemeldeter Besuch. Das war immer verbunden mit ganz viel leckerem Essen und vielen Spielkameraden. Ich erinnere mich heute immer sehr gerne an diese Zeit, denn im Vergleich zu meinen Eltern, kann ich heute dieses besondere Ritual nicht in der Form fortführen. Ich fange dann immer an zu planen und zu organisieren, rotte die türkische Spontanität meiner Gene aus und stehe mit meiner graziösen Deutschen Seite da- tja, dann oft eben ohne spontanen Besuch.

Ein weiteres Muss an Weihnachten, ja ich weiss, das klingt jetzt absolut kitschig, aber so ist es eben nunmal, ist dass man mindestens einmal Drei Nüsse für Aschenbrödel ansehen muss. Meine Mutter sass damals wie hypnotisiert vor dem Fernseher, und sie war wahrlich prinzipiell eine schlechte Zuschauerin, und wir mussten alle still sein oder den Raum verlassen. Später hatte sie mich damit dann auch angesteckt. Heute ist es eines meiner Lieblingsfilme und ach ja wie habe ich mich über diesen Sendeterminzettel der SZ gefreut, wo man doch alles parat hat ♥

aschenbrödel

Zuletzt ist an Weihnachten, aber auch an anderen besonderen Anlässen des Jahres die Gelegenheit für Nachbarschaft ein Privileg. Ich schreibe immer gerne allen Nachbarn eine schöne Karte und stelle sie an Heiligabend mit einem kleinen Present vor die Tür. Ich bereite diese Geschenke mit meinen Kindern vor. Es macht uns immer sehr viel Freude den Nachbarn im Haus eine kleine Überraschung zu bereiten. Wir bekommen im Gegenzug immer mindestens eine Grußkarte und meine Mädels immer Süssigkeiten zurück. Es geht hier nicht um Gegenstände oder hübsche Karten; vielmehr geht es beim Fest der Liebe um die Zirkulation im nachbarschaftlichen Haus. Diese Zirkulation findet bei uns im Haus an allen christlichen und muslimischen Festen, zur Geburt, zur Einschulung, zum Sommerbeginn, und sonst noch nachbarschaftlich wichtig-relevanten Gelegenheit statt.

Jesus, ist auch der Prophet der Muslime. Vielleicht nicht in Form der Dreifaltigkeit wie in der katholischen Lehre aber dennoch, ein zu ehrender Prophet. Und wenn man nicht alles, wie manch eine Partei, mit Zwang und Verbot angehen würde, dann würden auch mehr Muslime dazu stehen, dass sie wahnsinnig gerne Weihnachten feiern, als Fest der Liebe.

Über die verschiedenen Aggregatzustände von LIEBE

kalp

Liebe ist die neue Volksdroge. Wir können heute, so auch wie schon immer eigentlich, nicht ohne. Was allerdings neu ist, ist, dass wir nicht wirklich mit können. Man könnte natürlich nun all die lieb- und herzlosen Gräueltaten wie Kriege, Verfolgungs- und Ausrottungsversuche und gleichgültigen Krankheitsepidemien der Vergangenheit als Gegenargument für Musterbeispiele für Lieblosigkeit aufzählen. Dennoch glaube ich, dass wir in der partnerschaftlichen Liebe derzeit mit einer Versetzungsgefahr konfrontiert sind. Medienformate wie „Bauer sucht Frau“, „Catch the Millionär“ und „Hochzeit auf den ersten Blick“ sollen wohlmöglich das letzte Tröpfchen Hoffnung in die Liebe am Leben erhalten. Dabei ist doch Liebe soziologisch betrachtet, adäquat wie die Familie für die Gesellschaft, der Kleister, der die Menschen zusammenhält.

Aber was ist Liebe? Oder präziser gefragt: Hat Liebe eventuell differenzierte Aggregatzustände?

Ich möchte hierbei auf zwei explizite Beispiele von zwei türkischen Frauen eingehen. Beide sind in den 40er Jahren in der Türkei geboren, die eine im Westen, die andere im Osten. Im ländlichen Raum großgeworden, kaum eine Schulausbildung genossen, das heißt nur das Nötigste an Lesen und Rechnen erlernt, nicht in unserem Sinne Berufstätig, sondern vielmehr in der Landwirtschaft, im Haushalt mit den Kindern. Beide Frauen waren kinderreich und verheiratet. Bis zum Tod, mit ein und dem selben Partner.

Die Umstände, die zur Hochzeit sind, trotz biographischer Parallelen so unterschiedlich. Dabei spielt die geographische Lage, meiner Meinung nach keine Rolle, ich glaube, das ist wohl Kismet, wie es so schön heisst. Die Frau aus dem Westen der Türkei hieß Şerife. Sie war meine Großmutter und verstarb vor einigen Jahren. Die Frau aus dem Osten heißt Döne. Sie ist die Mutter unserer Nachbarin und verkörpert für mich die Verbindung von Sherazade und Sherlock Holmes, immer eine Anekdote parat und wahnsinnig neugierig.  Beide Frauen haben großes in ihrem Leben geleistet und verdienen es zumindest in einem Mini-Blog-Beitrag gewürdigt zu werden. Man könnte sicher Biographien über sie schreiben, aber hier konzentrieren wir uns auf den Heiratsantrag, das Liebesversprechen, das Fundament für das gemeinsame „Wir“.

Şerife, die „Schlecht-Gelaunte“ 

Ich habe meine Großmutter immer als störrische alte Frau, die immer schimpfte und nörgelte in Erinnerung. Sie war extrem pingelig und ordnungsliebend. Man muss dazu sagen, dass meine Oma 9 Kinder alleine geboren und quasi alleingroßgezogen hat, da sie 3km vom nächsten Dorf auf dem Bergansatz wohnte und mein Großvater nach Deutschland kam, um für die Familie sorgen zu können. Sie war also Ende der 50er, in der Pampa, Alleinerziehend. Während er das Geld verdiente, verwaltete sie es. Innerhalb weniger Jahre kaufte sie das halbe Dorf auf, eine hochbegabte Geschäftsfrau. Dass das Spuren hinterlässt, kann ich jetzt nachempfinden. Leider kann ich ihr meine Empathie nicht mitteilen. Ich bin mir sicher, wir hätten uns heute stundenlang unterhalten können, und sie hätte viele viele weise Ratschläge für mich und mein Leben, was im Vergleich zu ihrem doch so einfach und komfortabel ist.

Meine Oma war bereits als junges Mädchen von hübscher Statur, jedoch machte ihre ernste Miene und ihr scharfes Mundwerk es den Herren der Schöpfung nicht einfach, ihr den Hof zu machen. So kam es, dass sie „schon“ 19 war und „noch immer“ ledig bei ihren Eltern lebte. Eines Tages erfuhr sie, dass der Lehrer der Dorfschule um ihre Hand halten möchte und dass die Eltern diesem Antrag nicht negativ gestimmt seien. Ich weiss nicht, was in diesem Moment ihr durch den Kopf ging, was sie fühlte oder mit wem sie sich austauschte. Ich weiss nur, dass sie an dem nächsten Morgen vor Sonnenaufgang auf den Esel im Stall sprang, meinen Großvater davon unterrichtete und mit ihm durchbrannte. „Sie hat mich vor die Wahl gestellt, ob ich mit ihr mitkommen will oder nicht. Falls du dich nicht traust, gehe ich alleine, sagte sie“ erzählte mein Großvater. Er selbst war Ringer und von großer Statur, sie hingegen immer relativ schmal und zierlich. Der Anblick war sicherlich filmreif, als sie auf ihrem Esel ihm, den Ringer, den Vorschlag macht, gemeinsam durchzubrennen. So kam es dann! Es kann sich nicht nur um eine Notlösung gehalten haben. Sicherlich haben sich die beiden wohl gesehen und Gefallen aneinander gefunden. Bei der ersten Kommunikation jedoch hat sie schon Nägel mit Köpfen gemacht. Sie hatten gute und auch schlechte Zeiten in der Ehe. Sie haben es jedoch immer geschafft Krisen mit Liebe zu überwinden. Nach ihrem Tod fragte ich meinen Großvater wie es ihm nun ginge und an was er sich bei ihr noch erinnert. Er war nie der Mann der großen Worte. Dennoch beschrieb er eine Szene aus den ersten Tagen ihrer Ehe, bei der sie aus einem Stück Stoff, den er ihr als Geschenk auf dem Bazar gekauft hatte, ein Kleid genäht hatte und ihn lächelnd empfang. Die Erinnerung war so lebendig, so dass ich sie beinahe in seinen Pupillen sehen konnte. Es war Liebe, bis dass der Tod sie scheidete.

Döne: die Liebreizende

Döne war als alte Frau schon wunderschön, so dass man sich ständig fragte, wie sie wohl als junges Mädchen ausgesehen haben musste. Durch ihre erzählfreudige und neugierige Art war sie immer sehr kommunikativ. Man musste sie einfach gern haben und verzieh ihr auch ihre manchmal penetrante Art, die Privatsphäre der anderen ausser Acht zu lassen. Diese wunderschöne Art an ihr muss ihrem Mann Abdullah wohl auch nicht entfallen zu sein. Abdullah war 10 Jahre älter als Döne und hat sich auf den ersten Blick in sie verschossen. Zwischen den beiden bestand wohl auch ein ferner Verwandtschaftsgrad aber dennoch erinnert sich Döne an Abdullah nicht wirklich davor bemerkt zu haben. Davor: Abdullah bekommt vom Militär ein Schreiben für seinen Wehrdienst, welcher damals drei Jahre andauerte. Drei Jahre sind eine lange Zeit. Diese Länge muss es wohl gewesen sein, die Abdullah für einen Moment in den Wahnsinn trieb, so dass er schnurstracks in das Haus von Döne lief. Zu dieser Stunde war sie mit ihren Schwestern und Cousinen allein zu Hause (das muss er wohl berechnet haben). Er fand sie in der Küche vor. Er nahm das Küchenmesser in die Hand und fragte sie „willst du mich heiraten?“.

Diese Szene haben wir uns mindestens 20 mal erzählen lassen. Und jedes mal wurde laut geschimpft und diskutiert. Wir kleinen Gören fragten immer wieder „Wie konntest du mit einem heiraten, der dich mit einem Messer bedroht hat?“. Sie lachte immer und sagte „Er wurde blind vor Liebe, ich habe es in seinen Augen gesehen. Ein Mann der eine Frau liebt, wäre bereit alles für sie zu machen“. Heute weiß ich, dass Abdullah damals auch recht ansehnlich war und Döne mit seiner Aktion etwas imponierte. Das dieses Format nicht jederfraus Geschmack ist, keine Frage! Nichtsdestotrotz wartete sie drei Jahre auf ihn, was ja auch sein Hauptanliegen an dem Tag in der Küche war. Alle weiteren Verehrer orientierten sich um. Sie heirateten und bekamen viele Kinder. Auch sie hatten Höhen und Tiefen. Döne war, man glaubt es kaum, die Tonangebende dieser Beziehung. Denn, was viele nicht wissen, sind es doch fast immer die Frauen in türkischen Beziehung, die das letzte Wort haben. (Ich lasse jetzt bewusst die Katastrophen-Beispiele aus. Diese gibt es übrigens in allen Kulturkreisen!!!).

Der Aggregatzustand von Liebe: fest bis gasförmig

Ja, es gibt wohl differenzierte Aggregatzustände, dennoch ist es immer die selbe Substanz. Liebe passt sich den Probanden, den Umständen und den Bedürfnissen an. Kritisch wird es, wenn man sie nur noch als flüchtiges Gas mit Kurzzeitwirkung vorfindet.

Ein türkisches Sprichwort besagt Sevgi emek ister (Liebe bedarf Mühe). 

Auf das wir uns mehr Mühe geben.

„Haben Sie schon einmal gedacht in die Türkei zurückzugehen?“- „Nein!“

Das es im Leben nicht immer zugeht wie auf einem Ponyhof, das weiß ich ja schon länger. Aber dass es nicht unbedingt wie auf einer nicht-artgerechten Schweinefarm zugehen muss, das weiß ich auch! Wie der Zufall es will, befinde ich mich gerade nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Es ist hart auf etwas verzichten zu müssen, was einem so sehr ans Herz gewachsen ist, was man wie sein eigenes Kind groß gezogen hat, und was einem dann so von heute auf morgen entzogen wird, wie quasi irrtümlicher weise total unbegründet und unberechtigt vom Jugendamt; in meinem Fall durch die Finanzkrise des Unternehmens. Was nun? Wo ich doch so ein strenggläubiger Workaholiker bin. Ich habe gemerkt, dass ich mich in den vergangenen Jahren stark durch meine Kinder und meine Arbeit definiert habe. „Sage mir was du arbeitest und ich sage dir wer du bist“ dieser Satz stand scheinbar in unsichtbarer Schrift über meinem Schreibtisch. Tja und jetzt wo ich ja nicht mehr arbeite, also müsste es heißen im Folgeschluss, bin ich nicht. Das war ich glaube ich in den letzten drei Monaten auch. Ich war einfach nicht. Weg. Einfach ausgeschaltet. Wie bei allen anderen Arbeitslosen, ist man zunächst einfach nur wahnsinnig traurig, irritiert, dann nochmal traurig, dann desorientiert, dann wieder traurig, usw. bis sich der Kreis dann zunächst mit Zorn, Wut, und dann mit einem impulsiven „jetzt reicht’s aber mal wieder“ schließt.

Pech-Magnet

Wir leben ja in einem Sozialstaat. Da kann einem Gott sei Dank nicht viel passieren. Man muss dann eventuell einige Abstriche machen, aber im Vergleich zu anderen Mitmenschen auf der Welt, ist man in Deutschland auf der sicheren Seite. (An diesen Satz glaube ich übrigens trotz allem immer noch) Dank der jahrelangen Work-Life-Children Balance, bin ich also nicht berechtigt Arbeitslosengeld zu beziehen. Pech Numero 1! Wenn ich nicht arbeite, habe ich keinen Anspruch auf einen Hortplatz für meine Tochter, die in die erste Klasse geht und unverschämterweise jeden Tag um 11:30 Uhr aus hat. Die vom aussterben bedrohten Hortplätze sind rar und mithalten kann man da wirklich nur wenn man Alleinerziehend, todkrank oder ähnliches ist. Mit ganz viel Aufwand hatte ich es kurz vor meiner Kündigung hingekriegt eine provisorische Gruppe zusammenzustellen. Diesen Platz habe ich dank meines erneut aufgenommenen Studentenstatus erhalten. Allerdings zerplatzt nun diese Seifenblase von Betreuung, allerdings aus völlig anderen bürokratischen Gründen, auf die ich vielleicht bei einem anderen Eintrag eingehe. Da ich nun meinen Studentenstatus habe, bin ich nicht Hartz-IV -Berechtigt. Pech Numero 2! Aber Bafög bekomme ich auch keines mehr da ich schon 35 bin, somit Pech Numero 3!

Um nicht alles immer auf Behörden-Gedös auf mich hinzunehmen lege ich Widerspruch ein und bekomme genau einen Monat später einen Termin. Ich versuche meine Situation klar und verständlich zu verdeutlichen. Ich bin 35, habe zwei kleine Kinder, Migrationshintergrund, Kopftuch und keine Berufsausbildung.Das Studium dauert in meinem Fall nicht wirklich lange, das letzte Drittel nimmt nicht mehr wie 3 Semester Zeit in Anspruch, und würde eventuell meine beruflichen Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt erhöhen. Nein! Gesetz ist Gesetz. Da lässt sich nichts machen. Das sei bitter in meinem Fall aber so ist es nun mal im Leben. Ich bin gefasst, denn damit war zu rechnen. Eine Exmatrikulationsbescheinigung möchte man dort sehen, damit man mir helfen kann. Ich solle mir schon mal Gedanken machen, wo ich mich am liebsten eingliedern lassen möchte; in den Erziehungs- oder Pflegebereich. „Haben Sie schon einmal gedacht in die Türkei zurückzugehen?“ werde ich gefragt. „Sonne, Strand und Meer, die Türkei ist doch ein schönes Land“ höre ich noch. „Sie schauen wohl keine Nachrichten oder? Mit zwei Kindern ist das für mich nicht die naheliegendste Option derzeit, außerdem muss man von woher kommen um zurückzugehen, ich bin in Deutschland geboren!“

Not hopeless aber planlos

Die Hoffnung stirbt Gott sei Dank zuletzt. Nach drei Monaten Trauer habe ich mich für neue Jobs beworben. Ich „knicke“ den Job des Journalisten nicht, wie man mir im Jobcenter zusicherte. Vielleicht schreibe ich jetzt einfach anders, aber ich schreibe. Ich habe als Kind zwei Allergie-Schocks mit völliger Bewusstlosigkeit und Körperstarre überlebt, so leicht kriegt man mich nicht vom Feld. Es mag sein, dass es ein sehr langer und harter Winter wird, aber dafür wird der Frühling umso schöner.

 

 

Fotoquelle http://triops-zucht.over-blog.de/article-26630551.html

Frei oder nicht-frei? Das ist hier die Frage!

pice

Seit einer Woche bin ich stolze Mutter eines Schulkindes. Die unendliche Freude und völlig unbekannte Spannung ist unbeschreiblich. Es zählt sicherlich zu den belustigenden Aktivitäten in der Vita, ich meine den Part mit, 2 karierte DIN A 5 Hefte, aber die Kästchen müssen definitiv für Erstklässler geeignet sein, Schreiblernbleistift, etc. pp. Mein Mann gestand uns, mir und meinem damals noch Vorschulkind, dass wir wie zwei völlig irre Besessene ausgesehen haben, als wir im Laden die Materialliste abgeklappert haben. Als die Liste beisammen war, alles beschriftet im Ranzen seinen Platz gefunden hat, fühlte ich mich so erschöpft als hätte ich all diese Sachen eigenhändig produziert. Das Endergebnis konnte sich zeigen lassen: Alles nach Wusch der Lehrerin und nach dem Geschmack der Konsumentin. Auftrag erledigt!

Die darauf folgende Aufgabe, stellte sich im Nachhinein etwas komplizierter als erwartet. Am ersten Schultag sieht es immer völlig simpel aus, wenn all die Knirpse mit ihren Schultüten posieren. Ich gestehe, ich hätte damit nicht bis nach dem Urlaub warten sollen. Und ich gestehe, ich hätte vielleicht einmal nicht Wanna-Be -Pädagogin spielen sollen, und das Kind so stark in diese Sache einbinden sollen. Es kam wie es kam. Man bestand darauf keine fertige Tüte zu kaufen sondern eine individualisierte zu basteln. Wen wundert das eigentlich? Wir leben im Zeitalter der extrovertierten Individualisierung. Das einzige Problem war nur, dass alle personalisierbaren Schultüten-Rohlinge entweder ausverkauft oder beschädigt waren. Not macht erfinderisch! Wir besorgten uns vom Buchhandel! eine einfarbige Schultüte. Dann kam das Motto: Eisprinzessin. Dabei wäre doch Fliegenpilz und Schmetterling um so vieles einfacher gewesen. Aber nun gut. Ich konnte mich ja von solch einer Mini-  Komplikation aus der Bahn werfen lassen. Mit ein bisschen Unterstützung von Google, sehr viel Decollage Kleber und unendlich vielen Strasssteinen und Rüschen, war das Ding endlich fertig. Der Inhalt war dann vergleichsweise relativ simpel: Süßes+Niedliches+Nützliches. Auftrag erledigt!

Wir einigten uns dann noch recht flott mit „Prinzessin-auf-der-Erbse“ über Outfit und Frisur, so konnte dann der heiß ersehnte erste Schultag kommen. Wir bekamen recht freundliche Unterstützung von Oma und Onkel. Es war also alles perfekt. Ich hatte meinen Teil absolut gewissenhaft und meisterhaft erledigt. Sie war happy, die Lehrerin zufrieden.

Falls ihr euch nun wundert und euch fragt „was hat das jetzt alles mit der Überschrift zu tun?“. Nach nunmehr sechs Jahren gebe ich mein Kind in die edukative Obhut der Schule. Ich muss mir keine- oder zumindest keine allzu großen Sorgen, über das leibliche und geistige Wohl machen. Wünsche mir von ganzem Herzen, dass sie sich in Zukunft mit einem ganz breiten Grinsen an diese Zeit erinnert. Und der Preis für all das? Morgens um 6 Uhr aufstehen-Brote schmieren- wie am Fließband Elternbriefe absegnen und zusehen, dass ich es gebacken bekomme das Kind wieder um 11:30 Uhr abzuholen.

Hmm wie Hort?! schießt nun einigen durch den Kopf. Tja, dazu ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet. Die Plätze sind rar, die Vergabe undurchsichtig-nicht nachvollziehbar. Ich habe mir mittlerweile schon meine Sportschuhe bereit gestellt. Denn das ganze ähnelt mehr einer kraftaufwendigen extrem Leistungssportart als der wohlverdienten Freiheit, von der jede Mutter träumt.

Heute ist der Anfang vom Rest meines Lebens

Vorsätze, Grundsätze, Pläne und Konstrukte. To-Do-Listen und was noch mehr. Davon hat wohl jeder seine eigene Kollektion in unterschiedlichem Umfang für das eigene Leben. Bei vielem ist es einfach nur die Tatsache, es sich vorzunehmen. Oder aber schon allein der Gedanke, der Traum daran, erfüllt den Menschen mit Freude, Aufregung oder innerer Zufriedenheit. Einmal auf den Mount Everest steigen, das Tajmahal sehen, einen Hund besitzen oder im hohen Alter mit dem Seelenverwandten auf der Veranda des eigenen Häuschens den Sonnenuntergang bewundern. Bei vielen Topics, Aims und Zielen wissen wir eigentlich schon heute, dass wir das so wohl in diesem Leben nicht gebacken bekommen. Dennoch ist das Beschreiben von diesen Wunschlisten ähnlich wie mit der Sehnsucht nach Unsterblichkeit und ewiger Jugend: wir wissen sehr wohl um die unrealistische Möglichkeit.

Ich werde meine Wunschliste nochmal überarbeiten. Setze mich nicht mit Zielen, die ich sowieso nicht erreichen werde oder kann, unter Druck. Ich lerne die Freude und die Erfüllung zu verspüren, die man so schnell bei kleinen Erfolgen missachtet, wahrzunehmen. Heute ist der Anfang vom Rest meines Lebens. Ich werde jetzt und sofort mein Leben als kostbarstes Gut und Kapital wahrnehmen. Jegliche Verschwendung dieses Kapitals muss unterbunden werden. Mal schauen, wie lange ich dafür brauche. Mal schauen, ob das überhaupt klappt. Mal schauen, wie lange es dann auch anhält. Wir werden sehen, insallah.

Mega wichtiges, was abgehackt ist

  • Grobes Charaktergerüst aufgestellt, Selbstfindung in groben Zügen erledigt
  • Seelenverwandten gefunden, überredet, festgenagelt- Lizenz für exklusive freie Verwaltung in der Tasche
  • die schönsten Kinder bekommen- können eventuell noch einige Modelle hinzugefügt werden
  • pilgern nach Mekka und Medina- doppelt hält besser, deshalb unbedingt mindestens noch einmal hingehen
  • passenden Beruf finden

 

Worauf ich noch mehr achten sollte

  • weniger schlafen; Schlaf wird wirklich überbewertet. Man sollte nur soviel wie der Körper tatsächlich braucht schlafen. Alles andere ist Zeitverschwendung
  • mehr lesen; quer durch die Bandbreite, alles was dem Verstand und der Seele gut tut, durch die zwei Fenster im Kopf hineinlassen
  • innerlich ruhiger, gelassener und gefestigter werden
  • Fokus auf Gebete und Rituale setzen; wenn die sitzen kommt vieles von allein; Autogenes Training, Yoga, und Co. sind meiner Meinung nach auch nur Ersatz für das eigentliche Gebet
  • Aufgaben schneller erledigen und sich nicht von dem schnell zusammenkommenden Berg überwältigen lassen
  • mehr mehr mehr Zeit mit Kindern verbringen; Zeit, die ich nie wieder zurückholen kann; das, was eigentlich an Erinnerung am Ende bleibt, wenn sie dann mal flügge sind…

 

Was ich noch machen muss, bevor…

  • mindestens ein Buch schreiben
  • Promovieren
  • Disneyland
  • Lachgas
  • Bücher im Regal fertig lesen
  • Französisch und Englisch aufpolieren
  • eine neue Sprache lernen
  • Nach Indien, Indonesien, Provence und Afrika reisen
  • ein Haustier haben; damit meine ich alles was nicht Federn hat und nicht im Wasser lebt- kurz was man knuddeln und streicheln kann
  • auf der Abifeier meiner Kinder so sehr heulen, dass es peinlich wird
  • Enkelkindern Märchen erzählen, die sie so nirgends gehört haben
  • to be continued….

 

Foto: http://richarddingwall.name/wp-content/uploads/2009/07/to-do-list-nothing.jpg