Vom Gastarbeiterkind zur Frau Doktorin

Das ist meine kleine Schwester Fatma. Ich kann mich noch wie gestern an den Tag im Juni 85 erinnern, als meine Eltern mit einer kleinen hellblauen Babytrage in die Wohnung kamen, diese vor das Fenster auf den Stuhl stellten und sagten „das ist eure kleine Schwester Fatma!“ Im Vergleich zu meinem Bruder war ich ich mächtig glücklich, denn ich wurde bereits mit seiner Nachfolge vom Thron geschubst, also litt ich nicht mehr wenn jüngere dazukamen. Aber das entscheidende Detail lag darin, dass ich nun eine Verbündete hatte. Ihn hatte ich auch lieb, aber eine Schwester hatte ich noch nicht- das war jetzt neu! Trotz sechs Jahren Altersunterschieds blieb diese innige Liebe. Klar haben wir auch gezankt, waren vom Wesen her unterschiedlich, haben es manchmal nicht ausgehalten ein Zimmer teilen zu müssen. Aber trotz Krisen und Tiefen überwiegen die Höhen und die Verbundenheit. Blut ist manchmal wirklich dicker als Blut!

Diese junge Frau hat gestern ihre Dissertation mit Bravur verteidigt! Sicherlich ist das nicht zwangsläufig ein Weltereignis und wahrscheinlich haben gestern neben meiner Schwester noch viele weitere Menschen diesen akademischen Grad erlangt. Allerdings ist gerade ihre Promotion für mich, meine Familie und viele weitere unseresgleichen ein so großer Schritt. Als wir uns gestern mit ihr unterhielten, in gemeinsamer Freude, sagte sie: wer hätte das gedacht! Wo doch immer in den Zeugnissen der Grundschule stand „Fatma ist verträumt- Schwierigkeiten dem Unterrichtsgeschehen konzentriert zu folgen- sprachlich ausbaufähig- eventuell wäre eine Ausbildung die bessere Alternative“ usw. usw. Wo stehen wir Jahre später? Am Summa cum laude! Sie hat einfach das System gesprengt. Laut Herkunft und selektivem Schulsystem sollte sie nicht studieren. „Wir brauchen auch Menschen, die eine Ausbildung abschließen, sie könnte doch Friseuse oder Arzthelferin werden“ lauten dann die Vorschläge im Beratungsgespräch in der Schule. Im Deutschunterricht klappt es auf brechen und biegen nicht, den Migrationshintergrund aus der Benotung rauszuhalten. Am liebsten entscheidet für manche nicht die persönliche Performance sondern die zugeordnete Bestimmung, wie im gleichnamigen Film, zumindest haben wir alle vier Geschwister die selbe Misere erlebt. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Schade nur, dass dieser Weg für manche so schwer und ermüdend ist!

Ich bin mächtig stolz auf dich Fatma! Nicht nur, weil du der erste Mensch überhaupt in der gesamten Familiengeschichte meiner Eltern bist, die diesen akademischen Grad erreicht hat, sondern weil es mit kleinem Kind, ohne finanzielle Unterstützung, mit Betreuungswechsel aufgrund unüberwindbarer Differenzen, trotz so vieler Gründe, die dagegen gesprochen haben, es trotzdem geschafft hast! Aus allen Steinen, die dir in den Weg gelegt wurden, hast du eine Brücke gebaut, aus allen Gruben, die dir gestellt wurden bist du raus geklettert, hast diese zugeschüttet, damit kein anderer nach dir reinfällt. Du bist DAS Best-Practise Beispiel überhaupt.

Ich sonne mich gerne in deiner Weisheit, Disziplin, deinem anti-kapitalistischen Frugalismus. Was doch aus diesem kleinen Baby in der Trage geworden ist. Du bist das lebendige Beispiel, dass am Ende alles gut wird, mit dem Glauben, der Berge versetzt. Ich feiere dich!

*Genauer Titel der Promotion wird nach der Ausstellung der Urkunde hier aufgeführt

Und dann kamst du…

Heute vor genau 12 Jahren wusste ich um diese Uhrzeit noch nicht, was mir in den kommenden zwölf Stunden bevorstand und, dass ich noch vor Mitternacht eine Mama werden sollte. Ich lag bereits seit knapp einer Woche im Krankenhaus, nachdem uns ein Auto die Vorfahrt genommen hatte und ich aufgrund eines Blasensprungs und vorzeitigen Wehen direkt vom Unfallort ins Krankenhaus gefahren wurde. Nach unzähligen Tests, Unmengen Antibiotika und Kortison- für eine schnellere Lungenreifung-entschied der Chefarzt aufgrund meiner ansteigenden Körpertemperatur, mittags, in der 34 Schwangerschaftswoche, die Geburt mittels eines Wehenmittels einzuleiten. Meine Hormone spielten schon seit dem Unfall Ballerspiele in meinem Körper, vor allem weil ich bereits vor dieser Schwangerschaft eine unerwartete Fehlgeburt hinter mir hatte, und ich das Gefühl hatte, dass wir nun ein deja-vu erleben, nur noch extremer. Ich wurde über Risiken und Chancen aufgeklärt und, seien wir mal ehrlich, ohne eigentlich realistische Wahlmöglichkeit mit dem Tropf zusammengebracht. Da ich schon seit Kindesalter allergisch gegen Paracetamol bin (nicht nur Ausschlag, sondern gleich volles Programm, mit Schock und Co.) dockte das Mittel sofort an. Der Unterschied zu einer „natürlichen Geburt“ und einer eingeleiteten ist meiner Erfahrung nach, dass im zweiten Fall weder Körper noch Geist auf das, was folgt eingestellt sind. Es geht von jetzt auf sofort los! Und das mit Tempo 200! Während ich mit dem schicken Rollstuhl in den Kreissaal gefahren wurde, sagte ich zur Krankenschwester, dass ich noch nicht bereit bin. Ich hatte erst zweimal beim Vorbereitungskurs mitgemacht. Am Abend des Unfalls hätten wir an einer Krankenhausführung und Infoveranstaltung teilgenommen und alles kam innerhalb weniger Sekunden anders! Die Schwester lächelte und fuhr mich auf der Station von Zimmer zu Zimmer und sagte „ich mache für Sie eine Sonderführung“. Ich wusste, dass das auf die kommenden Stunden keinerlei Einfluss haben wird aber ich fühlte mich als Mensch in Not verstanden.

Es folgten die intensivsten 12 Stunden meines Lebens. Nein- unseres Lebens! Mein Mann, mein Kind und ich! Ich will allen Schwangeren, zukünftig Gebärenden, im Kreissaal bangenden und tief, wirklich extrem tieeeef atmenden Menschen nichts vorwegnehmen aber- da kommt noch was auf euch zu! Nicht negativ! Keineswegs! Aber derart intensiv und so voller Leben, dass kein ähnlicher Vergleich auf Anhieb passen würde! Man verliert jegliches Raum- und Zeitverständnis. Ein Minutenschlaf zwischen zwei Wehen fühlt sich wie eine kleine Ewigkeit an und Presswehen kann ich heute immer noch nicht wirklich verbal adäquat beschreiben… Aber das ist absolut ok, ja sogar perfekt, denn ich glaube, dass eine Geburt so unbeschreiblich persönlich und definitiv individuell ist. Nach 12 Stunden Dauerwehen, zwei Schichtwechseln, keinem Geschrei und Null Drogen, kamst du….

In dem Moment ertönte für uns dieses Lied: Than I saw her face, now I’m a believer…. von den Monkeys… ja wir sind seit dem Tag „Believer“…. Seit 12 Jahren und forever….. Ich weiß, dass du dich so sehr freust, dass du jetzt nicht mehr die Kinderzahnpasta benutzen musst, dass du jetzt andere Filme schauen darfst und dass du offiziell schon Jugendliche genannt werden darfst und obwohl es mich manchmal traurig stimmt, dass das alles viel zu schnell geht, gönne ich dir diese Freude auf das Großwerden… ich weiß, dass es manchmal shitty ist, eine Mama zu haben, die alles vorher weiß, eine extreme Spaßbremse ist, zu jedem Vorfall sofort einen Vortrag halten muss, einen kleinen- ok, nur weil du Geburtstag hast, einen ziemlich großen Hang zum Perfektionismus hat… Wenn ich dich nachts zudecke sehe ich mein kleines Baby… Beim Frühstück finde ich meine Geschmacksgenossin genüsslich ihr Avocado Brot essend vor…. Nach der Schule sehe ich eine kleine Kämpferin, die es sich nicht anmerken lässt, dass sie Systemkritikerin und Weltverbesserin ist und hinter der coolen Fassade eigentlich extrem feinfühlig und zerbrechlich ist… Im Chaos deines Zimmers sehe ich das rebellierende Pubertier, von dessen Energie ich bewältigt und begeistert bin und es mir aus mütterlichen Verpflichtungen nicht anmerken lassen darf… Bei der Buchfanatikerin sehe ich eine fruchtende Anlage, die ich während Shopping Touren und Buchmessebesuchen fleißig angelegt habe…. In deiner wunderschönen Handschrift und deinen meisterhaften Bildern sehe ich deine große Gabe für Kunst und Ästhetik… In deinen Tränen bei traurigen Szenen in Filmen sehe ich dein Wackelpudding-Herz, für das du dich niemals schämen musst sondern ganz ganz viel darauf achten musst… In deinen warmen braunen Augen sehe ich deine atemberaubende Schönheit und in deinem Lächeln eine faszinierende Zukunft….

Und dann kamst du… Vor zwölf Jahren, kurz vor Mitternacht, konnte ich als Frau nicht glücklicher, nicht stolzer sein können…. Seit diesem Tag und bis in alle Ewigkeit bin ich deine Mama… ich liebe dich und werde es weit über dieses Leben hinaus immer tun, denn Liebe ist die stärkste Kraft im Universum, die weit über den Herzmuskel hinaus, in ein unendliches Leben reicht…. Happy Birthday Azra Rana…

Corona ABC…

A Apokalypse, Asylpolitik

B Berufsgruppen-systemrelevante

C Corona, Covid-19

D Desinfektionsmittel, Distanz

E Epidemie, Ersticken, Entschleunigung

F Fieber, Frust, Faulheit

G Gesundheitssystem

H Home-Dings-Da, Hamsterkauf, Händewaschen, Hygiene

I Isolation, Internet

J Jobverlust, Jammer

K Klopapier, Kollateralschaden

L Lungenversagen

M Mehl, Menschenrechte, Massensterben

N Netflix, Nudeln

O Organversagen, 02

P Pandemie, Pressekonferenz zum Covid-19

Q Quarantäne

R Risikogruppe, Robert-Koch-Institut

S #socialdistancing #stayathome #streaming

T Tod

U Umweltentlastung

V Virus, virtuell

W Wirtschaftskrise

X xenophob

Y Y-Chromosom

Z Zuhause bleiben, Zahl der Toten, Zone

Rassisten essen heimlich Döner

Man meint immer, vieles Böse und Üble gibt es heute nicht mehr in dem Maße wie „früher“. Denn warum auch? Heute spricht man von Zivilisation, Globalisierung, Liberalisierung und Menschenrechten. Wenn man jedoch genauer hinschaut, dann könnte man an manchen Tagen genau die gegenteilige Hypothese vertreten. Leider sind manche längst überwunden gedachte Makel, beendet gehoffte Ideologien und Buße gezeigte Sünden mitten unter uns! Wir tun uns schwer es beimNamen zu benennen: Rassismus- Diskriminierung- gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit… Immer lauter scheinen sich die Anhänger zu artikulieren, sich des öffentlichen Raums zu bemächtigen. Auch wenn die Betroffenen und Gegner dieser rassistischen „Landeinnahme“ solidarisch und den heutigen Formaten bedienend (Internet, Networking, Aktivistisch) dagegen stellen, macht es doch etwas mit einem. Generell scheint der Hasspegel ähnlich wie das Wasser an den Polen zu steigen. Eventuell hat der globale Klimawandel selbst darauf einen Einfluss.

Jede Auseinandersetzung, jedes Aufeinandertreffen dieser Art hinterlässt Spuren. Sicherlich können die meisten Betroffenen sich verbal perfekt verteidigen und lassen weder ihre Zugehörigkeit noch ihre Identitäten von derartigen rechtswidrigen Handlungen absprechen oder abhängig machen. Aber dennoch ist man nach einem verbalen Angriff in der Bahn, im öffentlichen Raum, im ersten Moment extrem erschöpft, innerlich aufgebracht, wütend, verletzt und ungemein traurig. Es wird in erster Linie die persönliche Existenz in ihrer Form verweigert und abgesprochen. Man ist hier nicht erwünscht. In den allerseltensten Fällen schreitet nämlich dann auch einer der Gaffer, solche sind sie dann nämlich- sofern sie solch eine Tat negieren, aber nicht die Courage aufzeigen einzuschreiten oder zu unterstützen, ein. Falls der/die Nazi (gibt es eigentlich die weibliche Form?) vorzeitig den öffentlichen Raum verlässt, dann outen sich Gaffer und sprechen sich solidarisch. Um es verständlich zu formulieren: diese Solidarität ähnelt dem Nachgereichten Klopapier, welches kommt, nachdem man die Toilette, in der sich keines befand, verlassen hat! Nett gemeint aber leider viel zu spät. Das deutsche Sprichwort „besser spät als nie“ ist meines Erachtens, hier nicht anwendbar!

Sicherlich macht die gesamte Begegnung auch was mit den Nazis, wenn sie den öffentlichen Raum verlassen, nachdem sie ihre menschenverachtende und rassistische Kotze losgeworden sind, am besten an der Frau mit Migrationshintergrund und Kopftuch, an der das Anderssein am offensichtlichsten ist. Insbesondere macht es was mit ihnen, wenn sie keinen Erfolg hatten, weil zum Beispiel die Frau ambivalent genug war, nach Zygmunt Bauman, so gar nicht deutsch aussah, aber in der dritten Generation schon hier zu Hause ist, den deutschen Pass hat, extrem feministisch unterwegs ist, und kein Blatt vor dem Mund hat und ultra allergisch gegen Ungerechtigkeit ist. Tja dann hat sich der/die Nazi sich im öffentlichen Raum die Zähne an ihr ausgeschlagen, ist total angepisst, steigt aus der Bahn aus und isst erst mal einen Döner….

Du warst wahrscheinlich leider nicht die letzte rassistische Begegnung. Aber ich bin keine Kolonie, die man vereinnahmt, keine Frau, die man mundtot kriegt und kein Mensch, der wegsieht! Heute bin ich vielleicht ermüdet aus der Bahn ausgestiegen, aber bin zumindest Mensch geblieben, was du leider nicht geschafft hast…

WELTFRAUENTAG- VON FEIERN KANN NICHT DIE REDE SEIN

Heute wird weltweit der Frauentag mehr oder minder gefeiert. Es werden Nelken, Rosen und andere Blumen verteilt. In Berlin bleiben gleich alle zu Hause- es wurde ein Feiertag für die Andacht eingeführt. Vielerorts wird protestiert. Frauen und Unterstützer demonstrieren und wollen aufmerksam machen auf die weltweit facettenreiche Ungleich-Behandlung, sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und vieles mehr…. Spätestens am Montag haben sich alle wieder beruhigt, Normalität kehrt ein und die Probleme bleiben die gleichen….

Wir haben vor kurzem noch das 100 jährige Frauenwahlrecht in Deutschland gefeiert. Sicherlich kann man im internationalen Vergleich froh sein, in Deutschland als Frau zu leben und nicht in Ländern, in denen von Selbstbestimmung nicht die Rede sein kann. Vielmehr stellt das weibliche Geschlecht eine erhöhte Gefahr für Genitalverstümmelung, Vergewaltigung und Gewalt dar. Auch zählen weltweit mehr Frauen und Mädchen zu Analphabeten als Männer und Jungen. Bildung wird aufgrund des Geschlechts verweigert. Die Wahl des eigenen Ehepartners ist in patriarchalen Strukturen ein Ding der Unmöglichkeit.

Clara Zetkin forderte 1910  auf dem Zweiten Kongress der Sozialistischen Internationale in Kopenhagen auf, dass Frauenrechte keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte seien und stieß damit den internationalen Frauentag an. Umso mehr verwundert die fanatisch-idiotische Sturheit, dass Frauen sich gerne die Diskriminierung einreden würden oder gar das Bestreben hätten die gesamte Herrschaft an sich zu reißen und Männer hassen.  Für eine derartigen Haltung ist leider jeglicher Versuch der Diskussion vergeudete Energie- es bleibt nur die Hoffnung, dass diese Ideologie ausstirbt!

Mehr Widerspruch ist kaum mehr möglich!

Anfang dieser Woche wurden im Forbes Magazin die Erfolgreichsten der Erfolgreichen gekürt. Ganz vorne mit dabei die 21 jährige „Selfmade Milliardärin“ Kylie Jenner. Mit ihrem Make-up Imperium hat die junge Frau binnen kürzester Zeit ein Vermögen von 1 Milliarde US Dollar erwirtschaftet. Auf der anderen Seite protestieren gerade heute viele Frauen für ein sicheres und humanes Leben, ein Recht auf Bildung und für Sicherheit im Alter, um nicht mit Armut kämpfen zu müssen. An vielen Stellen der Welt ist ein prekäres Leben leider unumgänglich! Selbst wenn im Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10.12.1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) als Resolution verkündet wurde festgelegt wurde, dass alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren werden, greift dieses Menschenrecht immer seltener gerade bei Frauen.

Terre des Femmes hält fest, dass Menschenrechtsverletzungen an Frauen  unter anderem:

  • Handel mit Frauen auf der ganzen Welt als billige Arbeitskräfte, Katalogbräute und Zwangsprostituierte,
  • Nichtanerkennung der Verfolgung von Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit als Asylgrund,
  • Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen über ihren Körper,
  • z.B. Zwangssterilisationen und genitale Verstümmelung,
  • sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen,
  • Abtreibung von weiblichen Föten,
  • Zerstückelung und Vermarktung des weiblichen Körpers durch Gen- und Reproduktionstechniken.

umfassen.

Frauen, die aus benannten Gründen es schaffen zu fliehen, begegnen heute oftmals einer zweiten Entzauberung. Sie erfahren in den neuen Zufluchtsorten Intersektionalität,  d.h. Diskriminierung, die in mehrfacher Ebene greift.  Zu diesen Dilemmas kann man Stigmatisierung, Rassismus, Islamophobie u. ä. aufzählen. Ebenso unterbindet die Absprache von Emanzipation durch weiße Feministinnen jegliche Möglichkeit eines Neustarts in der Wahlheimat.

Umso mehr erscheint es gerade heute ungemein unrealistisch und falsch in Feierlaune von einem Feiertag zu sprechen und überall symbolisch Blumen zu verteilen. Wir haben zwar heute den Weltfrauentag im Jahre 2019- aber von feiern kann nicht die Rede sein!

Wir lassen die Katze aus dem Sack- wir haben tierischen Nachwuchs…

Wir haben seit heute neuen Nachwuchs. Mit dieser Nachricht haben wir so manche Freunde und Nachbarn überrascht. Manche haben verdutzt auf meinen Bauch geschaut. Andere versuchten die versteckte Logik zu finden. Ich habe aber alle nicht lange zappeln lassen, so auch nicht meine Leser: wir haben ein Katzenbaby!

Das Katzenkind, weiblich, britisch Kurzhaar, black-golden shaded, hört auf den Namen Ponçik, was soviel wie knuffig bedeutet im türkischen. Naja, ich glaube, sie hört noch nicht ganz auf ihren Namen, aber sie macht einen aufgeweckten Eindruck und wird das sicher noch mit der Zeit merken, dass wir sie meinen, wenn wir Ponçik rufen.

Wie kam es dazu?

Nun ja… Eigentlich war es bis vor kurzem ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest sah es so aus. Mein Mann war aus Prinzip dagegen, ein Haustier zu halten. Vor allem nachdem die Fische, die er gekauft hatte, nach kurzer Zeit keine Attraktion mehr darstellten. Er bestand vehement darauf kein Tier, das vier Beine hat, in der Wohnung zu halten. Wir, die Mädels und ich, haben unser Glück auch probiert in dem wir diskutierten ob wir eventuell ein Tier haben konnten, das zuvor vier Beine hatte und nun unglücklicherweise nur noch drei hat. Aber er beharrte auf seiner Meinung. Katzen standen immer außer Diskussion, da ich jahrelang davon ausging, dass ich allergisch gegen sie bin.

Vor einigen Monaten ereignete sich ein katastrophaler „Mord“ an einem Hundewelpen in der Türkei. Einige Kinder hatten einem kleinen Welpen mit einer Axt alle vier Beine abgehackt und hatten ihre Tat mit dem Handy gefilmt. Dieses Video (welches ich bis heute nicht angeschaut habe und auch sicher nicht kann) kursierte im Netz. Tierschützer hatten das Tier gefunden und verarztet aber jede Hilfe kam zu spät, das Tier starb. Wir waren tagelang entsetzt. Wir konnten es uns einfach nicht erklären wie grausam man in dem Alter sein kann und fragten uns was in der Erziehung dieser Kinder fehlgegangen ist. Wir kamen mit meinem Mann zu dem Entschluss, dass Tierliebe und Achtung des Lebens und der Natur von klein an anerzogen werden muss, dass es täglich geübt werden muss. Genauso wie mit dem Ehrenamt, welches laut Studien in der Familie erlernt und abgeschaut wird, müsste es auch mit Tierliebe sein, haben wir uns gedacht.

So redeten wir tagelang darüber. An einem sonnigen Tag auf dem Balkon gab dann mein Mann klein bei und sagte wenn ich keine Allergie hätte, dann könnten wir gleich heute noch eine Katze holen, er habe ja nichts dagegen aber ich könne einfach nicht. Noch am selben Abend waren wir bei Freunden eingeladen. Nur wenige Stunden nach diesem Gespräch, trafen wir bei den besagten Freunden auf Elvis. Elvis ist Europäer, Freigänger und Kater. Er kam ins Haus, grüsste mich kurz ganz nett und fragte ob er es sich auf meinem Schoß gemütlich machen dürfe. Irgendwie habe ich schon immer ein extrem gutes Händchen für Katzen gehabt, sie kamen schon immer einfach auf mich zu und liebten es, sich von mir streicheln zu lassen. Eine hatte es sich sogar schon einmal auf meinem Kopf gemütlich gemacht. Nun ja, Elvis kam, sah und siegte. Knapp eine Stunde schlief er auf mir und schnurrte und gurrte. Die Pointe der Geschichte war, dass ich kein einziges mal niesen musste und währenddessen lernten wir, dass man nicht zwangsläufig gegen alle Rassen allergisch sein muss. Das Gute an der Geschichte war, dass mein Mann das Omen sofort verstand- es musste jetzt eine Katze ins Haus! Ich danke Pervin und Süreyya- sie sind die WG- Besitzer von Elvis. Dank euch haben wir heute eine Katze!

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Noch in der selben Nacht habe ich mindestens tausend Kitten Fotos angeschaut. Die kommenden Tage hatte ich auch irgendwie das Gefühl dass mir alles mit Katzen sofort ins Auge springt- selektive Wahrnehmung eben. Um es kurz zu fassen- ich bin bei der Suche immer und immer wieder bei der selben Annonce hängen geblieben. Das Foto hatte sich in meine Festplatte eingebrannt- das war sie – nur sie und keine andere. Nach einem kurzen Treffen bei der Züchterin war dann auch das Eis bei allen anderen gebrochen. Sie kam wie erwartet zuerst auf den Schoß von meinem Mann. Wie erwartet ist sein Herz aus Pudding in Wallung geraten. Er hat alle Besorgungen fast selbstständig recherchiert und hat alle Vorkehrungen in der Wohnung vorgenommen, damit der jungen Dame ja nichts zustösst. Die Kinder sind völlig aus dem Häuschen und haben vor lauter „nur noch x-mal schlafen, dann kommt Ponçik“ fast schon Schlafstörungen bekommen.

Was man von einer Katze doch so alles lernen kann

Just in diesem Moment schläft Ponçik auf dem Gebetsteppich, der in der Ecke des Arbeitszimmers liegt. Ich habe es nicht über das Herz gebracht sie dort so liegen zu sehen und habe aus ihrer kleinen Decke, die vorher meinen Kindern als Babydecke diente, ein kleines Nest gemacht. Sie hat sich dankend reingelegt und schläft. Sie ist sofort nach ihrer Ankunft bei uns aus der Transportbox raus und hat das gesamte Zimmer in Augenschein genommen. Katzen sind wirklich wahnsinnig neugierig! Danach hat sie stundenlang mit den Kindern gespielt. Sie hat gedacht sie sei eine Löwin, die Kinder dachten sie seien Dompteure- was für eine Show! Als sie dann schlief, haben alle automatisch angefangen zu flüstern, damit sie ungestört ist. Das wird sich vielleicht die Tage danach legen, ich meine  die Rücksicht, aber selbst für den ersten Tag, empfand ich das Feingefühlt und die Fürsorge wirklich wunderschön!

Leider haben viele Kinder Angst vor Tieren. Viele muslimische Familien haben Hemmungen in puncto Haustiere. Dabei ist das eine zauberhafte Gelegenheit Liebe, Geborgenheit und Verantwortung aktiv zu lernen und zu üben. Der Grundsatz des Glaubens ist auch bedingungslose Liebe gegenüber allen Geschöpfen, alles was Leben trägt, alles was Schutz benötigt. Das ist vielleicht auch die allererste Aufgabe des Menschen, nach den Pflichten Gott gegenüber. Und wir wissen es doch eigentlich ganz genau- Liebe ist soviel schöner als Hass!

Ponçik ist also unser neues Familienmitglied. Wir sind mächtig geehrt mit einer so bezaubernden Person leben zu dürfen. Schon jetzt ist klar, sie braucht nicht uns, sondern wir sie….

Sharing Ramadan

Nun sind es nur noch 24 Stunden, bis der heilige Fastenmonat der Muslime, Ramadan zu Ende geht. Die Fastenzeit war 2018 für uns ganz besonders. Wir haben in diesem Jahr ausschließlich mit Nicht-Muslimen und Geflüchteten am Abend unser Fasten gebrochen, bekannt als „Iftar“. Unter dem Motto #SharingRamadan haben viele Muslime in den sozialen Medien Beiträge und Fotos von gemeinsamen Begegnungen geteilt. Denn Fasten heisst eigentlich nicht nur Verzicht auf Lebensmittel, Getränke und Genuss sondern Fasten heißt primär Besinnung, Disziplin, Umkehr und Teilen.

Wir möchten uns nochmals bei unseren wundervollen Gästen bedanken, die jeden Abend so unendlich bereichert haben. Kein einziger Abend glich dem anderen. Am Tisch herrschte Aufregung, Freude, Harmonie und Geschwisterlichkeit. Dabei waren gerade unsere Unterschiede und Differenzen der Grund der Bereicherung. Wie tollkühn der Mensch doch sein kann, wenn er denkt nur durch Gleichheit und Einfalt kann Schönes entstehen.

Viele Gäste haben ansatzweise versucht an dem Tag, an dem sie zum Iftar eingeladen waren, zu fasten. Diese Geste ist sehr nobel. Zumal man als Nicht-Muslim ja keinerlei „Zwang“ hat, dies zu tun. Man hat diesen „Zwang“ im übrigen auch als Muslim nicht, da das Fasten ein Gebet ist und zu den 5 Säulen des Islam gehört. Gebete werden bekanntlich für Gott gemacht und dazu kann man Menschen nicht zwingen, da es eine Art Kommunikation zwischen Mensch und Gott ist und Dritte nicht eingreifen dürfen.

Spannend und ebenso überraschend war es festzustellen, dass 90% unserer Gäste bisher noch nie zu einem Iftar eingeladen waren. Wir hatten also, wenn man das so bezeichnen darf, überwiegend „Jungfern-Fastenbrechen“ oder „Erstis“. Umso größer war für uns die Ehre, dass sie dies mit uns an unserer Tafel getan haben. Wie kann es aber sein, dass Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland seit Jahrzehnten zusammen leben und diese intensive Zeit noch nie gemeinsam zelebriert haben? Ich kann es mir eigentlich nur so erklären, dass auf beiden Seiten Hemmungen die Zusammenkunft hindern. Muslime denken sich oftmals „Deutsche essen nicht so spät und oft auch nicht warm am Abend- ergo lieber nicht stören. Außerdem könnte man die Einladung falsch verstehen, im Sinne von missionieren oder ähnliches“. Nicht Muslime glauben oft, dass Iftar nur für Fastende und Muslime gängig ist und gehen davon aus, dass sie aus Prinzip nicht daran teilnehmen können. Beidseitige Irrungen und Wirrungen haben wir dieses Jahr mit 23 Nicht-Muslimen behoben. Wir haben bereits Absprachen für das kommende Jahr! Spätestens 2019 essen wir wieder gemeinsam.

Eins ist sicher: auch Ramadan wird viel viel schöner, wenn man die Zeit gemeinsam teilt! Wie auch ein Gast bemerkte, ist das gemeinsame Warten auf den Gebetsruf bei Sonnenuntergang, der das Ende des Fastens für den jeweiligen Tag angibt, ein bisschen wie an Sylvester. Die Spannung steigt mit jeder verstreichenden Minute und am Ende gibt es selbst beim ersten Schluck Wasser eine Gefühls- und Geschmacksexplosion. Das wohlige Gefühl der Dankbarkeit umwickelt alle am Tisch und man kann mit Freunden das Essen genießen und ist sich über das Privileg, satt werden zu können, in vollem Ausmaß bewusst. In diesem Sinne Danke an alle!

2018 hätte doch anders verlaufen sollen…

Ich weiß ehrlich nicht wie es euch geht, aber ich ertappe mich selbst immer wieder in schwerwiegender Hoffnungslosigkeit. Man braucht sich nur mal für einige Minuten in den sozialen Medien aufzuhalten. Ein Auszug von heute morgen:

  • Der Militäreinsatz der türkischen Armee in #Afrin: es gibt auf beiden Seiten bereits Tote- der Grund dieses Kriegseinsatzes ist völlig sinnlos und mit Milliarden anderen Lösungsansätzen wäre der „Konflikt“ ebenso lösbar- aber, nein, es muss Blut fließen. In den Moscheen beten sie für den Tod, den Tod für Glaubensgeschwister, denn die vermeintlichen Gegner sind auch Muslime (denn komischerweise wird immer extrem religiös und fromm argumentiert!!!). Ich verstehe einfach den Sinn für diesen nutzlosen Tod nicht. Krieg war noch nie und kann auch in Zukunft nicht die Lösung sein!
  • In den Flüchtlingslagern der Rohinka-Muslime aus Myanmar brechen Epidemien aus, tausende Kleinkinder und Erwachsene leiden unter akuten und ansteckenden Krankheiten. Die Videobeiträge kann ich nicht wirklich ohne emotionale Ausbrüche anschauen. Eine Mutter beklagt sich, dass selbst die Hilfebringenden sich nicht mehr in die Lager trauen, „alle rennen weg vor uns und haben Angst angesteckt zu werden“. So viel Leid und Schmerz- für was? und warum?
  • In einem asiatischen Land wird aus einem Abwasserkanal in der Straße ein kleiner Säugling rausgeholt. Es hat sich eine Menschentraube versammelt, um das Geschehene aus erster Reihe zu beobachten. Das Baby ist nackt und tot. Die Mutter hat es gleich nach der Entbindung in das Wasser geworfen und ertränkt. Hätte das Kind eine Überlebenschance wenn einer aus der glotzenden Traube für Mutter und Kind Hilfe angeboten hätte? Gibt es denn dort keine Menschen, die auch gerne ein „nicht-leibliches“ Kind ihr eigen nennen können?
  • Ungefähr einhundert kommerzielle Make-up/Mode-Tutorials berieseln unsere Wahrnehmung täglich… Junge Frauen und Männer, die als INFLUENCER uns die neuesten Trends nahe bringen, uns helfen, uns in Sachen Mode und Styling recht leiten, denn wir sind irregeleitet, wir wissen nicht was wir tun! Diese Influencer, und ja es klingt schon wie ein Virus-Infekt- denn genau so wirken diese Leute auch komischerweise, machen das natürlich alles nur für uns! Klar, dass man in diesem Sektor nicht über Geld spricht, also zumindest nicht, wieviel diese Einflussreichen dafür bekommen. Ich sage nicht, dass diese „Arbeit“ nicht wirklich hart und anstrengend ist. Oft müssen die Blogger oder Vlogger stundenlang Experimente an sich selbst aufzeichnen, mit anderen konkurrieren, niemals schlecht aussehen oder krank sein. Ich sage aber, dass diese „Arbeit“ total unsinnig und absolut nicht notwendig ist! Es gab mal eine Generation, die hat Lobeshymnen auf die Individualität geschworen. Heute sehen alle jungen Menschen gleich aus- viele heißen sogar gleich!

 

FAKT IST: 2018 soll wirklich anders laufen. Kommerz, Spaß und Sorglosigkeit  ist doch nicht alles im Leben?! Wie kann ich etwas uneingeschränkt genießen wenn ich doch ganz genau weiß, ja täglich sehe, wie schlecht es anderen geht? Natürlich heißt das nicht, dass ich mich in hilflosem Mitleid auflösen soll. Aber jeder kann sich in seiner bescheidenen Dankbarkeit üben und auf jeden Fall teilen und aktiven Einsatz für Bedürftige einbringen. Damit fängt man am besten bei den Menschen an, die gleich vor der eigenen Nase sitzen. Wann habt ihr zuletzt eure Großeltern, älteren Verwandten, Kranke besucht? Im Krankenhaus oder im Seniorenheim warten so viele alte Menschen auf Besuch, täglich aussichtslos! 

Heute schon eine gute Tat vollbracht?

Tücher ohne Köpfe- Deutschland holt Kopftuchdebatte aus dem Kühlfach

Houseroules:

1.Der Zwang zum Kopftuch, Hijab, Niqab etc. ist menschenrechtsverachtend und definitiv nicht im Sinne des Islam, steht daher ausserhalb der hiesigen Diskussion. Derartig patriarchale Machtmechanismen gehören verboten, der Einsatz gegen diese ist unser aller Aufgabe.

2. Im Gegenzug dazu gehört es aber auch zur freien Entscheidung einer jeden Frau, sich für das Tuch, in welcher Form auch immer, entscheiden zu dürfen, ohne die Freiheit, freie Wahl und Emanzipation dieser permanent abzusprechen.

3. Die Kleiderordnung dient nicht! der Entsexualisieurung  und Unterordnung der Frau. Das heutige Verständnis von Mode und Lifestyle stellt keine Divergenz zwischen islamischer Kleidung und Ästhetik und Schönheit. Vielmehr sollten hartnäckige KopftuchgegnerInnen sich eventuell den Aspekt einer spirituellen Kommunikationsform zwischen Frau und Schöpfer verinnerlichen.

4. Barbie ist mit Sicherheit nicht das beste ausschlaggebende Mittel für eine derartige Diskussion- oder vielleicht sollten wir eher von einer Polemik sprechen?!

 

Alle Jahre wieder kommt die Kopftuchdebatte. Immer finden die selben oder ähnlich gesinnte AkteurInnen einen Anreiz ihr Entsetzen dazu der Öffentlichkeit zu offenbaren. Anreiz im November 2017 eine Hijarbie: eine Sheroe- die Miniaturversion von Ibtihaj Muhammad. Eben jene, die schon seit 2006 für die Staaten an olympischen Wettkämpfen als Profisportlerin teilnimmt. Muhammad gilt als Rollenmodell für viele junge Frauen, da sie ein gutes Beispiel für Frauenkarriere in einer Männerdomäne und mögliche Teilhabe und Inklusion von Muslimas in der Mehrheitsgesellschaft ist. Man könnte meinen, alle würden sich für sie freuen. Leider erfährt aber Ibtihaj Muhammad, und solche wie sie,  gerade von Feministinnen und Frauenrechtlerinnen, die sich ja eigentlich für Frauen einsetzen, schärfste Kritik.

Kopftuch-Bashing als Werbung

Im Kanon sprechen die Gegner im selben Ton (nachlesbar aber nicht zu empfehlen im Beitrag von der Emma– übrigens erstaunlich viel gegen das Kopftuch publiziert und gar keine Pro-Beiträge zu finden). Die Angst steckt scheinbar tief im Mark! Wie oben in den Houseroules schon geschildert sind wir uns einig im Einsatz gegen die Zwangsverschleierung, die Entrechtlichung und Instrumentalisierung von Frauen.

Nun kennen aber die „GegnerInnen“ leider nun auch andere Beispiele aus ihrem persönlichen Leben. Sie haben genügend Zeit, sich im Privaten zu unterhalten, Einsichten zu sammeln und Abwägungen zu machen. Wenn aber danach dennoch an der bizarren und starren Haltung bestanden wird, ohne wenn und aber pauschalisiert wird, dann fehlt es eindeutig an Diskussionskultur und Weiterentwicklungsvermögen! Gerade jene wie Emma, Mansour und Ates sind durch ihre Tätigkeitsfelder eigentlich verpflichtet auch die andere Alternative zumindest zu erwähnen. Sie müssen diese nicht gut heißen, mögen oder vermarkten. Allerdings müssen sie als Aktivisten für Frauen- und Menschenrechte auch die Rechte von Frauen, die sie an den Pranger stellen möchten, schützen. Oder kann man sich mittlerweile schon durch einen selektiven Einsatz profilieren? Frauenrechtlerinnen müssen sich für die Rechte aller Frauen- auch für jene, die aus freien Stücken sich islamisch bekleiden möchten und daran gehindert werden, diskriminiert werden, einsetzen. Oder sind wir etwa keine Frauen, wie schon Soujorner Truth fragte „Ain’t I a Woman?“. Wie kann eine Akteurin sich als Imamin verstehen, aber nicht bereit sein, einen beachtlichen weiblichen Teil der Ummah so derartig abzuwerten und zu missachten?

Der Blick auf den Kopf unter dem Tuch lohnt sich- definitiv!

Unsere pluralistischen Gesellschaftsformen stellen uns vor neue Herausforderungen. Eine gemeinsame, im Dialog verankerte mit Diversität bereicherte Gesellschaft erfordert mehr Respekt, Toleranz und Teilhabe. Die Zugänge dürfen nicht selektiv und von Privilegien abhängig sein. Wir müssen heute in der Lage sein, Lebensformate unter den jeweiligen Konditionen betrachten zu können. Leider gelingt es den GegnerInnen der Kopftuchdebatte nicht die westliche Brille abzusetzen (Lesetipp Chandra Talpade Mohanty: Under Western Eyes) und sich das Leben des Gegenüber aus dem jeweiligen Standpunkt anzuschauen. Zwangsläufig pauschalisiert man und missachtet somit Rechte anderer. Man läuft Gefahr, dass koloniale Diskriminierungsansätze im 21. Jahrhundert zwanghaft am Leben gehalten werden. Traurigerweise fing die eigentliche Kopftuchdebatte, so auch die Soziologin Prof. Dr. Nilüfer Göle, erst an, als die ersten Frauen mit Kopftuch sich hochgearbeitet hatten von der Putzfrau zur Lehrerin oder Angestellten.

Erstaunlicherweise richtet sich die Kritik fast immer gegen jene Frauen, die die Teilhabe am Öffentlichen anstreben, erfolgreich sind oder für viele andere als Rollenmodell dienen. Letzen Sommer war es die Urlauberin am französischen Strand mit einem Burkini heute eine Spitzensportlerin. Gebasht werden also jene Frauen, die aktiv am Leben teilnehmen und auch in ihren eigenen Reihen und Communities eventuell vom Patriarchat „bekämpft“ werden. Also stellt sich die Frage, warum jene nicht von AktivistInnen für jene Rechte unterstützt werden, sondern nochmal in anderer Form erniedrigt und ausgegrenzt? Vorbildlich und wünschenswert wäre es manchmal, wenn jene Office-AktivistInnen mal raus auf das Feld gingen und tatsächlich sich für unterdrückte und geschändete Frauen einsetzen würden, sich gegen ihre entsetzlichen Männer aufstemmen würden und Einsatz und Courage bewiesen. Das bedarf aber viel Kraft und Einsatz- ohne Geld- bringt auch nicht genug Echo- ist also nicht PR-tauglich. Dann basht man also lieber diejenigen, die Früchte tragen, denn das verkauft sich immer gut!