Vom Gastarbeiterkind zur Frau Doktorin

Das ist meine kleine Schwester Fatma. Ich kann mich noch wie gestern an den Tag im Juni 85 erinnern, als meine Eltern mit einer kleinen hellblauen Babytrage in die Wohnung kamen, diese vor das Fenster auf den Stuhl stellten und sagten „das ist eure kleine Schwester Fatma!“ Im Vergleich zu meinem Bruder war ich ich mächtig glücklich, denn ich wurde bereits mit seiner Nachfolge vom Thron geschubst, also litt ich nicht mehr wenn jüngere dazukamen. Aber das entscheidende Detail lag darin, dass ich nun eine Verbündete hatte. Ihn hatte ich auch lieb, aber eine Schwester hatte ich noch nicht- das war jetzt neu! Trotz sechs Jahren Altersunterschieds blieb diese innige Liebe. Klar haben wir auch gezankt, waren vom Wesen her unterschiedlich, haben es manchmal nicht ausgehalten ein Zimmer teilen zu müssen. Aber trotz Krisen und Tiefen überwiegen die Höhen und die Verbundenheit. Blut ist manchmal wirklich dicker als Blut!

Diese junge Frau hat gestern ihre Dissertation mit Bravur verteidigt! Sicherlich ist das nicht zwangsläufig ein Weltereignis und wahrscheinlich haben gestern neben meiner Schwester noch viele weitere Menschen diesen akademischen Grad erlangt. Allerdings ist gerade ihre Promotion für mich, meine Familie und viele weitere unseresgleichen ein so großer Schritt. Als wir uns gestern mit ihr unterhielten, in gemeinsamer Freude, sagte sie: wer hätte das gedacht! Wo doch immer in den Zeugnissen der Grundschule stand „Fatma ist verträumt- Schwierigkeiten dem Unterrichtsgeschehen konzentriert zu folgen- sprachlich ausbaufähig- eventuell wäre eine Ausbildung die bessere Alternative“ usw. usw. Wo stehen wir Jahre später? Am Summa cum laude! Sie hat einfach das System gesprengt. Laut Herkunft und selektivem Schulsystem sollte sie nicht studieren. „Wir brauchen auch Menschen, die eine Ausbildung abschließen, sie könnte doch Friseuse oder Arzthelferin werden“ lauten dann die Vorschläge im Beratungsgespräch in der Schule. Im Deutschunterricht klappt es auf brechen und biegen nicht, den Migrationshintergrund aus der Benotung rauszuhalten. Am liebsten entscheidet für manche nicht die persönliche Performance sondern die zugeordnete Bestimmung, wie im gleichnamigen Film, zumindest haben wir alle vier Geschwister die selbe Misere erlebt. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Schade nur, dass dieser Weg für manche so schwer und ermüdend ist!

Ich bin mächtig stolz auf dich Fatma! Nicht nur, weil du der erste Mensch überhaupt in der gesamten Familiengeschichte meiner Eltern bist, die diesen akademischen Grad erreicht hat, sondern weil es mit kleinem Kind, ohne finanzielle Unterstützung, mit Betreuungswechsel aufgrund unüberwindbarer Differenzen, trotz so vieler Gründe, die dagegen gesprochen haben, es trotzdem geschafft hast! Aus allen Steinen, die dir in den Weg gelegt wurden, hast du eine Brücke gebaut, aus allen Gruben, die dir gestellt wurden bist du raus geklettert, hast diese zugeschüttet, damit kein anderer nach dir reinfällt. Du bist DAS Best-Practise Beispiel überhaupt.

Ich sonne mich gerne in deiner Weisheit, Disziplin, deinem anti-kapitalistischen Frugalismus. Was doch aus diesem kleinen Baby in der Trage geworden ist. Du bist das lebendige Beispiel, dass am Ende alles gut wird, mit dem Glauben, der Berge versetzt. Ich feiere dich!

*Genauer Titel der Promotion wird nach der Ausstellung der Urkunde hier aufgeführt

Nach 9 Monaten- Potsdam/Berlin

Volle neun Monate sind bereits vergangen seit wir von Frankfurt am Main nach Potsdam gezogen sind. Zwischen der zweiten und dritten Welle, mitten im Herbst, haben wir quasi in nur wenigen Wochen uns entschieden, alles organisiert und im Sturm sind wir hier eingezogen. Es bedarf wahrlich einer längeren Zeit, um an einem Ort anzukommen als nur die Möbel und Habseligkeiten von einer Wohnung in eine andere zu schaffen. Klar, während einer Pandemie, lang andauernden Isolationen und nicht gewohnten Lebensumständen ist das alles nichts verwerfliches oder gar verwunderliches. Aber dennoch. Erst jetzt fühlt es sich allmählich gut an. Es ist nicht wirklich schon „zu Hause“, dafür ist es einfach noch zu groß und immer noch zu isoliert. Aber, ich möchte nicht undankbar sein und allmählich tut sich was…

Ich arbeite in Berlin, nur zwei-Gehminuten vom Brandenburger Tor entfernt. Ich habe zum ersten mal in meinem Leben am Arbeitsplatz meinen eigenen Schreibtisch. Ich muss sagen mir fiel sofort Virginia Wolf ein, ich habe zwar schon seit Jahren ein Arbeitszimmer zu Hause. Aber irgendwie hatte es seit Jahren im Job nie für einen eigenen Tisch gereicht. Ich hatte zwar kein Problem den Arbeitsplatz zu teilen, aber so einen Tisch für sich zu haben, vom Fenster aus die Oper-Proben zu hören, am Brandenburger Tor einen Kaffee zu trinken hat schon extrem viel Charme… Mein neues Team ist mindestens genauso nett und entgegenkommend wie mein altes. Ich muss sagen, es lässt sich hier sicherlich gut aushalten 🙂 ich arbeite wahnsinnig gerne…

Was aber fehlt sind sicherlich die Freunde und vor allem die alten Nachbarn. Man merkt nach dem Umzug wie tief man bereits verbunden war mit Menschen, wie sehr sie schon Teil von einer Person wurden. Ich habe mir noch sehr lange Sorgen um die Nachbarin gemacht, für die wir während der Pandemie einkaufen gingen, für die Nachbarin, der mein Mann beim Tragen von schweren Blumentöpfen half, dem Nachbarpaar die das beste Beispiel für uns sind, wie man gemeinsam alt werden kann und viele mehr…. Alle sind uns so ans Herz gewachsen…. Alle meine Freundinnen, die für verrückte Sachen, für tiefe und bewegende Diskussionen da waren, mit denen ich soziologische Erkenntnisse teilen konnte. Freunde, die schon seit Jahren Familie geworden sind…. Soviel Heimweh hatte ich schon seit Jahren nicht mehr- Heimweh, was bei mir ja quasi schon obligatorisch/chronisch ist und die Verortung von Heimat so extrem different und hybrid ist… Sehnsucht nach etwas- aber was?

Jetzt haben wir alle pro Person soviel Platz, soviel Wald und See, soviel Natur wie noch nie. Jetzt haben wir neue, spannende Nachbarn. Vor allem einen Nachbarn, der ungemein belesen und wunderbar warmherzig ist 🙂 (er liest ab und an meinen Blog- ansonsten würde ich hier noch Ausführungen anbringen, aber er weiß es sicherlich schon, dass wir von ihm angetan sind 🙂 Es ist definitiv ein Neuanfang, ein neues Kapitel für uns alle.

Ich freue mich wenn ich bei Spaziergängen die wunderschönen farblichen Ausführungen wie zig-verschiedene Blau-, Rosa-, Lila-, Rot- Töne oder die schönen Regenbogen….. Allah sei Dank habe ich bisher noch keine negativen Erfahrungen machen müssen im Sinne von Rassismus, Dämlichkeit oder Unfreundlichkeit. Wir stellen die Exotenquote in der Straße so ziemlich über den Kopf, da wir die offensichtlich einzigen nicht-christlichen und nicht-Biodeutschen im Viertel sind. Aber fünf Minuten später fängt ja schon Berlin an und da ist es wohl genau umgekehrt.

Nach nun neun Monaten, einem neuen Job (Stiftung Dialog und Bildung), zwei Corona-Impfungen möchte ich mutig sein und mich auf das Neue, Gute und Spannende einlassen…. Hallo Potsdam, Hallo Berlin, wir sind da! Ganz wie Mevlana Celaleddin Rumi sagen würde „Jetzt ist es Zeit, neues zu sagen!“….

Und dann kamst du…

Heute vor genau 12 Jahren wusste ich um diese Uhrzeit noch nicht, was mir in den kommenden zwölf Stunden bevorstand und, dass ich noch vor Mitternacht eine Mama werden sollte. Ich lag bereits seit knapp einer Woche im Krankenhaus, nachdem uns ein Auto die Vorfahrt genommen hatte und ich aufgrund eines Blasensprungs und vorzeitigen Wehen direkt vom Unfallort ins Krankenhaus gefahren wurde. Nach unzähligen Tests, Unmengen Antibiotika und Kortison- für eine schnellere Lungenreifung-entschied der Chefarzt aufgrund meiner ansteigenden Körpertemperatur, mittags, in der 34 Schwangerschaftswoche, die Geburt mittels eines Wehenmittels einzuleiten. Meine Hormone spielten schon seit dem Unfall Ballerspiele in meinem Körper, vor allem weil ich bereits vor dieser Schwangerschaft eine unerwartete Fehlgeburt hinter mir hatte, und ich das Gefühl hatte, dass wir nun ein deja-vu erleben, nur noch extremer. Ich wurde über Risiken und Chancen aufgeklärt und, seien wir mal ehrlich, ohne eigentlich realistische Wahlmöglichkeit mit dem Tropf zusammengebracht. Da ich schon seit Kindesalter allergisch gegen Paracetamol bin (nicht nur Ausschlag, sondern gleich volles Programm, mit Schock und Co.) dockte das Mittel sofort an. Der Unterschied zu einer „natürlichen Geburt“ und einer eingeleiteten ist meiner Erfahrung nach, dass im zweiten Fall weder Körper noch Geist auf das, was folgt eingestellt sind. Es geht von jetzt auf sofort los! Und das mit Tempo 200! Während ich mit dem schicken Rollstuhl in den Kreissaal gefahren wurde, sagte ich zur Krankenschwester, dass ich noch nicht bereit bin. Ich hatte erst zweimal beim Vorbereitungskurs mitgemacht. Am Abend des Unfalls hätten wir an einer Krankenhausführung und Infoveranstaltung teilgenommen und alles kam innerhalb weniger Sekunden anders! Die Schwester lächelte und fuhr mich auf der Station von Zimmer zu Zimmer und sagte „ich mache für Sie eine Sonderführung“. Ich wusste, dass das auf die kommenden Stunden keinerlei Einfluss haben wird aber ich fühlte mich als Mensch in Not verstanden.

Es folgten die intensivsten 12 Stunden meines Lebens. Nein- unseres Lebens! Mein Mann, mein Kind und ich! Ich will allen Schwangeren, zukünftig Gebärenden, im Kreissaal bangenden und tief, wirklich extrem tieeeef atmenden Menschen nichts vorwegnehmen aber- da kommt noch was auf euch zu! Nicht negativ! Keineswegs! Aber derart intensiv und so voller Leben, dass kein ähnlicher Vergleich auf Anhieb passen würde! Man verliert jegliches Raum- und Zeitverständnis. Ein Minutenschlaf zwischen zwei Wehen fühlt sich wie eine kleine Ewigkeit an und Presswehen kann ich heute immer noch nicht wirklich verbal adäquat beschreiben… Aber das ist absolut ok, ja sogar perfekt, denn ich glaube, dass eine Geburt so unbeschreiblich persönlich und definitiv individuell ist. Nach 12 Stunden Dauerwehen, zwei Schichtwechseln, keinem Geschrei und Null Drogen, kamst du….

In dem Moment ertönte für uns dieses Lied: Than I saw her face, now I’m a believer…. von den Monkeys… ja wir sind seit dem Tag „Believer“…. Seit 12 Jahren und forever….. Ich weiß, dass du dich so sehr freust, dass du jetzt nicht mehr die Kinderzahnpasta benutzen musst, dass du jetzt andere Filme schauen darfst und dass du offiziell schon Jugendliche genannt werden darfst und obwohl es mich manchmal traurig stimmt, dass das alles viel zu schnell geht, gönne ich dir diese Freude auf das Großwerden… ich weiß, dass es manchmal shitty ist, eine Mama zu haben, die alles vorher weiß, eine extreme Spaßbremse ist, zu jedem Vorfall sofort einen Vortrag halten muss, einen kleinen- ok, nur weil du Geburtstag hast, einen ziemlich großen Hang zum Perfektionismus hat… Wenn ich dich nachts zudecke sehe ich mein kleines Baby… Beim Frühstück finde ich meine Geschmacksgenossin genüsslich ihr Avocado Brot essend vor…. Nach der Schule sehe ich eine kleine Kämpferin, die es sich nicht anmerken lässt, dass sie Systemkritikerin und Weltverbesserin ist und hinter der coolen Fassade eigentlich extrem feinfühlig und zerbrechlich ist… Im Chaos deines Zimmers sehe ich das rebellierende Pubertier, von dessen Energie ich bewältigt und begeistert bin und es mir aus mütterlichen Verpflichtungen nicht anmerken lassen darf… Bei der Buchfanatikerin sehe ich eine fruchtende Anlage, die ich während Shopping Touren und Buchmessebesuchen fleißig angelegt habe…. In deiner wunderschönen Handschrift und deinen meisterhaften Bildern sehe ich deine große Gabe für Kunst und Ästhetik… In deinen Tränen bei traurigen Szenen in Filmen sehe ich dein Wackelpudding-Herz, für das du dich niemals schämen musst sondern ganz ganz viel darauf achten musst… In deinen warmen braunen Augen sehe ich deine atemberaubende Schönheit und in deinem Lächeln eine faszinierende Zukunft….

Und dann kamst du… Vor zwölf Jahren, kurz vor Mitternacht, konnte ich als Frau nicht glücklicher, nicht stolzer sein können…. Seit diesem Tag und bis in alle Ewigkeit bin ich deine Mama… ich liebe dich und werde es weit über dieses Leben hinaus immer tun, denn Liebe ist die stärkste Kraft im Universum, die weit über den Herzmuskel hinaus, in ein unendliches Leben reicht…. Happy Birthday Azra Rana…

Corona ABC…

A Apokalypse, Asylpolitik

B Berufsgruppen-systemrelevante

C Corona, Covid-19

D Desinfektionsmittel, Distanz

E Epidemie, Ersticken, Entschleunigung

F Fieber, Frust, Faulheit

G Gesundheitssystem

H Home-Dings-Da, Hamsterkauf, Händewaschen, Hygiene

I Isolation, Internet

J Jobverlust, Jammer

K Klopapier, Kollateralschaden

L Lungenversagen

M Mehl, Menschenrechte, Massensterben

N Netflix, Nudeln

O Organversagen, 02

P Pandemie, Pressekonferenz zum Covid-19

Q Quarantäne

R Risikogruppe, Robert-Koch-Institut

S #socialdistancing #stayathome #streaming

T Tod

U Umweltentlastung

V Virus, virtuell

W Wirtschaftskrise

X xenophob

Y Y-Chromosom

Z Zuhause bleiben, Zahl der Toten, Zone

Rassisten essen heimlich Döner

Man meint immer, vieles Böse und Üble gibt es heute nicht mehr in dem Maße wie „früher“. Denn warum auch? Heute spricht man von Zivilisation, Globalisierung, Liberalisierung und Menschenrechten. Wenn man jedoch genauer hinschaut, dann könnte man an manchen Tagen genau die gegenteilige Hypothese vertreten. Leider sind manche längst überwunden gedachte Makel, beendet gehoffte Ideologien und Buße gezeigte Sünden mitten unter uns! Wir tun uns schwer es beimNamen zu benennen: Rassismus- Diskriminierung- gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit… Immer lauter scheinen sich die Anhänger zu artikulieren, sich des öffentlichen Raums zu bemächtigen. Auch wenn die Betroffenen und Gegner dieser rassistischen „Landeinnahme“ solidarisch und den heutigen Formaten bedienend (Internet, Networking, Aktivistisch) dagegen stellen, macht es doch etwas mit einem. Generell scheint der Hasspegel ähnlich wie das Wasser an den Polen zu steigen. Eventuell hat der globale Klimawandel selbst darauf einen Einfluss.

Jede Auseinandersetzung, jedes Aufeinandertreffen dieser Art hinterlässt Spuren. Sicherlich können die meisten Betroffenen sich verbal perfekt verteidigen und lassen weder ihre Zugehörigkeit noch ihre Identitäten von derartigen rechtswidrigen Handlungen absprechen oder abhängig machen. Aber dennoch ist man nach einem verbalen Angriff in der Bahn, im öffentlichen Raum, im ersten Moment extrem erschöpft, innerlich aufgebracht, wütend, verletzt und ungemein traurig. Es wird in erster Linie die persönliche Existenz in ihrer Form verweigert und abgesprochen. Man ist hier nicht erwünscht. In den allerseltensten Fällen schreitet nämlich dann auch einer der Gaffer, solche sind sie dann nämlich- sofern sie solch eine Tat negieren, aber nicht die Courage aufzeigen einzuschreiten oder zu unterstützen, ein. Falls der/die Nazi (gibt es eigentlich die weibliche Form?) vorzeitig den öffentlichen Raum verlässt, dann outen sich Gaffer und sprechen sich solidarisch. Um es verständlich zu formulieren: diese Solidarität ähnelt dem Nachgereichten Klopapier, welches kommt, nachdem man die Toilette, in der sich keines befand, verlassen hat! Nett gemeint aber leider viel zu spät. Das deutsche Sprichwort „besser spät als nie“ ist meines Erachtens, hier nicht anwendbar!

Sicherlich macht die gesamte Begegnung auch was mit den Nazis, wenn sie den öffentlichen Raum verlassen, nachdem sie ihre menschenverachtende und rassistische Kotze losgeworden sind, am besten an der Frau mit Migrationshintergrund und Kopftuch, an der das Anderssein am offensichtlichsten ist. Insbesondere macht es was mit ihnen, wenn sie keinen Erfolg hatten, weil zum Beispiel die Frau ambivalent genug war, nach Zygmunt Bauman, so gar nicht deutsch aussah, aber in der dritten Generation schon hier zu Hause ist, den deutschen Pass hat, extrem feministisch unterwegs ist, und kein Blatt vor dem Mund hat und ultra allergisch gegen Ungerechtigkeit ist. Tja dann hat sich der/die Nazi sich im öffentlichen Raum die Zähne an ihr ausgeschlagen, ist total angepisst, steigt aus der Bahn aus und isst erst mal einen Döner….

Du warst wahrscheinlich leider nicht die letzte rassistische Begegnung. Aber ich bin keine Kolonie, die man vereinnahmt, keine Frau, die man mundtot kriegt und kein Mensch, der wegsieht! Heute bin ich vielleicht ermüdet aus der Bahn ausgestiegen, aber bin zumindest Mensch geblieben, was du leider nicht geschafft hast…

WELTFRAUENTAG- VON FEIERN KANN NICHT DIE REDE SEIN

Heute wird weltweit der Frauentag mehr oder minder gefeiert. Es werden Nelken, Rosen und andere Blumen verteilt. In Berlin bleiben gleich alle zu Hause- es wurde ein Feiertag für die Andacht eingeführt. Vielerorts wird protestiert. Frauen und Unterstützer demonstrieren und wollen aufmerksam machen auf die weltweit facettenreiche Ungleich-Behandlung, sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und vieles mehr…. Spätestens am Montag haben sich alle wieder beruhigt, Normalität kehrt ein und die Probleme bleiben die gleichen….

Wir haben vor kurzem noch das 100 jährige Frauenwahlrecht in Deutschland gefeiert. Sicherlich kann man im internationalen Vergleich froh sein, in Deutschland als Frau zu leben und nicht in Ländern, in denen von Selbstbestimmung nicht die Rede sein kann. Vielmehr stellt das weibliche Geschlecht eine erhöhte Gefahr für Genitalverstümmelung, Vergewaltigung und Gewalt dar. Auch zählen weltweit mehr Frauen und Mädchen zu Analphabeten als Männer und Jungen. Bildung wird aufgrund des Geschlechts verweigert. Die Wahl des eigenen Ehepartners ist in patriarchalen Strukturen ein Ding der Unmöglichkeit.

Clara Zetkin forderte 1910  auf dem Zweiten Kongress der Sozialistischen Internationale in Kopenhagen auf, dass Frauenrechte keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte seien und stieß damit den internationalen Frauentag an. Umso mehr verwundert die fanatisch-idiotische Sturheit, dass Frauen sich gerne die Diskriminierung einreden würden oder gar das Bestreben hätten die gesamte Herrschaft an sich zu reißen und Männer hassen.  Für eine derartigen Haltung ist leider jeglicher Versuch der Diskussion vergeudete Energie- es bleibt nur die Hoffnung, dass diese Ideologie ausstirbt!

Mehr Widerspruch ist kaum mehr möglich!

Anfang dieser Woche wurden im Forbes Magazin die Erfolgreichsten der Erfolgreichen gekürt. Ganz vorne mit dabei die 21 jährige „Selfmade Milliardärin“ Kylie Jenner. Mit ihrem Make-up Imperium hat die junge Frau binnen kürzester Zeit ein Vermögen von 1 Milliarde US Dollar erwirtschaftet. Auf der anderen Seite protestieren gerade heute viele Frauen für ein sicheres und humanes Leben, ein Recht auf Bildung und für Sicherheit im Alter, um nicht mit Armut kämpfen zu müssen. An vielen Stellen der Welt ist ein prekäres Leben leider unumgänglich! Selbst wenn im Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10.12.1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) als Resolution verkündet wurde festgelegt wurde, dass alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren werden, greift dieses Menschenrecht immer seltener gerade bei Frauen.

Terre des Femmes hält fest, dass Menschenrechtsverletzungen an Frauen  unter anderem:

  • Handel mit Frauen auf der ganzen Welt als billige Arbeitskräfte, Katalogbräute und Zwangsprostituierte,
  • Nichtanerkennung der Verfolgung von Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit als Asylgrund,
  • Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen über ihren Körper,
  • z.B. Zwangssterilisationen und genitale Verstümmelung,
  • sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen,
  • Abtreibung von weiblichen Föten,
  • Zerstückelung und Vermarktung des weiblichen Körpers durch Gen- und Reproduktionstechniken.

umfassen.

Frauen, die aus benannten Gründen es schaffen zu fliehen, begegnen heute oftmals einer zweiten Entzauberung. Sie erfahren in den neuen Zufluchtsorten Intersektionalität,  d.h. Diskriminierung, die in mehrfacher Ebene greift.  Zu diesen Dilemmas kann man Stigmatisierung, Rassismus, Islamophobie u. ä. aufzählen. Ebenso unterbindet die Absprache von Emanzipation durch weiße Feministinnen jegliche Möglichkeit eines Neustarts in der Wahlheimat.

Umso mehr erscheint es gerade heute ungemein unrealistisch und falsch in Feierlaune von einem Feiertag zu sprechen und überall symbolisch Blumen zu verteilen. Wir haben zwar heute den Weltfrauentag im Jahre 2019- aber von feiern kann nicht die Rede sein!

Wir lassen die Katze aus dem Sack- wir haben tierischen Nachwuchs…

Wir haben seit heute neuen Nachwuchs. Mit dieser Nachricht haben wir so manche Freunde und Nachbarn überrascht. Manche haben verdutzt auf meinen Bauch geschaut. Andere versuchten die versteckte Logik zu finden. Ich habe aber alle nicht lange zappeln lassen, so auch nicht meine Leser: wir haben ein Katzenbaby!

Das Katzenkind, weiblich, britisch Kurzhaar, black-golden shaded, hört auf den Namen Ponçik, was soviel wie knuffig bedeutet im türkischen. Naja, ich glaube, sie hört noch nicht ganz auf ihren Namen, aber sie macht einen aufgeweckten Eindruck und wird das sicher noch mit der Zeit merken, dass wir sie meinen, wenn wir Ponçik rufen.

Wie kam es dazu?

Nun ja… Eigentlich war es bis vor kurzem ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest sah es so aus. Mein Mann war aus Prinzip dagegen, ein Haustier zu halten. Vor allem nachdem die Fische, die er gekauft hatte, nach kurzer Zeit keine Attraktion mehr darstellten. Er bestand vehement darauf kein Tier, das vier Beine hat, in der Wohnung zu halten. Wir, die Mädels und ich, haben unser Glück auch probiert in dem wir diskutierten ob wir eventuell ein Tier haben konnten, das zuvor vier Beine hatte und nun unglücklicherweise nur noch drei hat. Aber er beharrte auf seiner Meinung. Katzen standen immer außer Diskussion, da ich jahrelang davon ausging, dass ich allergisch gegen sie bin.

Vor einigen Monaten ereignete sich ein katastrophaler „Mord“ an einem Hundewelpen in der Türkei. Einige Kinder hatten einem kleinen Welpen mit einer Axt alle vier Beine abgehackt und hatten ihre Tat mit dem Handy gefilmt. Dieses Video (welches ich bis heute nicht angeschaut habe und auch sicher nicht kann) kursierte im Netz. Tierschützer hatten das Tier gefunden und verarztet aber jede Hilfe kam zu spät, das Tier starb. Wir waren tagelang entsetzt. Wir konnten es uns einfach nicht erklären wie grausam man in dem Alter sein kann und fragten uns was in der Erziehung dieser Kinder fehlgegangen ist. Wir kamen mit meinem Mann zu dem Entschluss, dass Tierliebe und Achtung des Lebens und der Natur von klein an anerzogen werden muss, dass es täglich geübt werden muss. Genauso wie mit dem Ehrenamt, welches laut Studien in der Familie erlernt und abgeschaut wird, müsste es auch mit Tierliebe sein, haben wir uns gedacht.

So redeten wir tagelang darüber. An einem sonnigen Tag auf dem Balkon gab dann mein Mann klein bei und sagte wenn ich keine Allergie hätte, dann könnten wir gleich heute noch eine Katze holen, er habe ja nichts dagegen aber ich könne einfach nicht. Noch am selben Abend waren wir bei Freunden eingeladen. Nur wenige Stunden nach diesem Gespräch, trafen wir bei den besagten Freunden auf Elvis. Elvis ist Europäer, Freigänger und Kater. Er kam ins Haus, grüsste mich kurz ganz nett und fragte ob er es sich auf meinem Schoß gemütlich machen dürfe. Irgendwie habe ich schon immer ein extrem gutes Händchen für Katzen gehabt, sie kamen schon immer einfach auf mich zu und liebten es, sich von mir streicheln zu lassen. Eine hatte es sich sogar schon einmal auf meinem Kopf gemütlich gemacht. Nun ja, Elvis kam, sah und siegte. Knapp eine Stunde schlief er auf mir und schnurrte und gurrte. Die Pointe der Geschichte war, dass ich kein einziges mal niesen musste und währenddessen lernten wir, dass man nicht zwangsläufig gegen alle Rassen allergisch sein muss. Das Gute an der Geschichte war, dass mein Mann das Omen sofort verstand- es musste jetzt eine Katze ins Haus! Ich danke Pervin und Süreyya- sie sind die WG- Besitzer von Elvis. Dank euch haben wir heute eine Katze!

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Noch in der selben Nacht habe ich mindestens tausend Kitten Fotos angeschaut. Die kommenden Tage hatte ich auch irgendwie das Gefühl dass mir alles mit Katzen sofort ins Auge springt- selektive Wahrnehmung eben. Um es kurz zu fassen- ich bin bei der Suche immer und immer wieder bei der selben Annonce hängen geblieben. Das Foto hatte sich in meine Festplatte eingebrannt- das war sie – nur sie und keine andere. Nach einem kurzen Treffen bei der Züchterin war dann auch das Eis bei allen anderen gebrochen. Sie kam wie erwartet zuerst auf den Schoß von meinem Mann. Wie erwartet ist sein Herz aus Pudding in Wallung geraten. Er hat alle Besorgungen fast selbstständig recherchiert und hat alle Vorkehrungen in der Wohnung vorgenommen, damit der jungen Dame ja nichts zustösst. Die Kinder sind völlig aus dem Häuschen und haben vor lauter „nur noch x-mal schlafen, dann kommt Ponçik“ fast schon Schlafstörungen bekommen.

Was man von einer Katze doch so alles lernen kann

Just in diesem Moment schläft Ponçik auf dem Gebetsteppich, der in der Ecke des Arbeitszimmers liegt. Ich habe es nicht über das Herz gebracht sie dort so liegen zu sehen und habe aus ihrer kleinen Decke, die vorher meinen Kindern als Babydecke diente, ein kleines Nest gemacht. Sie hat sich dankend reingelegt und schläft. Sie ist sofort nach ihrer Ankunft bei uns aus der Transportbox raus und hat das gesamte Zimmer in Augenschein genommen. Katzen sind wirklich wahnsinnig neugierig! Danach hat sie stundenlang mit den Kindern gespielt. Sie hat gedacht sie sei eine Löwin, die Kinder dachten sie seien Dompteure- was für eine Show! Als sie dann schlief, haben alle automatisch angefangen zu flüstern, damit sie ungestört ist. Das wird sich vielleicht die Tage danach legen, ich meine  die Rücksicht, aber selbst für den ersten Tag, empfand ich das Feingefühlt und die Fürsorge wirklich wunderschön!

Leider haben viele Kinder Angst vor Tieren. Viele muslimische Familien haben Hemmungen in puncto Haustiere. Dabei ist das eine zauberhafte Gelegenheit Liebe, Geborgenheit und Verantwortung aktiv zu lernen und zu üben. Der Grundsatz des Glaubens ist auch bedingungslose Liebe gegenüber allen Geschöpfen, alles was Leben trägt, alles was Schutz benötigt. Das ist vielleicht auch die allererste Aufgabe des Menschen, nach den Pflichten Gott gegenüber. Und wir wissen es doch eigentlich ganz genau- Liebe ist soviel schöner als Hass!

Ponçik ist also unser neues Familienmitglied. Wir sind mächtig geehrt mit einer so bezaubernden Person leben zu dürfen. Schon jetzt ist klar, sie braucht nicht uns, sondern wir sie….

Sharing Ramadan

Nun sind es nur noch 24 Stunden, bis der heilige Fastenmonat der Muslime, Ramadan zu Ende geht. Die Fastenzeit war 2018 für uns ganz besonders. Wir haben in diesem Jahr ausschließlich mit Nicht-Muslimen und Geflüchteten am Abend unser Fasten gebrochen, bekannt als „Iftar“. Unter dem Motto #SharingRamadan haben viele Muslime in den sozialen Medien Beiträge und Fotos von gemeinsamen Begegnungen geteilt. Denn Fasten heisst eigentlich nicht nur Verzicht auf Lebensmittel, Getränke und Genuss sondern Fasten heißt primär Besinnung, Disziplin, Umkehr und Teilen.

Wir möchten uns nochmals bei unseren wundervollen Gästen bedanken, die jeden Abend so unendlich bereichert haben. Kein einziger Abend glich dem anderen. Am Tisch herrschte Aufregung, Freude, Harmonie und Geschwisterlichkeit. Dabei waren gerade unsere Unterschiede und Differenzen der Grund der Bereicherung. Wie tollkühn der Mensch doch sein kann, wenn er denkt nur durch Gleichheit und Einfalt kann Schönes entstehen.

Viele Gäste haben ansatzweise versucht an dem Tag, an dem sie zum Iftar eingeladen waren, zu fasten. Diese Geste ist sehr nobel. Zumal man als Nicht-Muslim ja keinerlei „Zwang“ hat, dies zu tun. Man hat diesen „Zwang“ im übrigen auch als Muslim nicht, da das Fasten ein Gebet ist und zu den 5 Säulen des Islam gehört. Gebete werden bekanntlich für Gott gemacht und dazu kann man Menschen nicht zwingen, da es eine Art Kommunikation zwischen Mensch und Gott ist und Dritte nicht eingreifen dürfen.

Spannend und ebenso überraschend war es festzustellen, dass 90% unserer Gäste bisher noch nie zu einem Iftar eingeladen waren. Wir hatten also, wenn man das so bezeichnen darf, überwiegend „Jungfern-Fastenbrechen“ oder „Erstis“. Umso größer war für uns die Ehre, dass sie dies mit uns an unserer Tafel getan haben. Wie kann es aber sein, dass Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland seit Jahrzehnten zusammen leben und diese intensive Zeit noch nie gemeinsam zelebriert haben? Ich kann es mir eigentlich nur so erklären, dass auf beiden Seiten Hemmungen die Zusammenkunft hindern. Muslime denken sich oftmals „Deutsche essen nicht so spät und oft auch nicht warm am Abend- ergo lieber nicht stören. Außerdem könnte man die Einladung falsch verstehen, im Sinne von missionieren oder ähnliches“. Nicht Muslime glauben oft, dass Iftar nur für Fastende und Muslime gängig ist und gehen davon aus, dass sie aus Prinzip nicht daran teilnehmen können. Beidseitige Irrungen und Wirrungen haben wir dieses Jahr mit 23 Nicht-Muslimen behoben. Wir haben bereits Absprachen für das kommende Jahr! Spätestens 2019 essen wir wieder gemeinsam.

Eins ist sicher: auch Ramadan wird viel viel schöner, wenn man die Zeit gemeinsam teilt! Wie auch ein Gast bemerkte, ist das gemeinsame Warten auf den Gebetsruf bei Sonnenuntergang, der das Ende des Fastens für den jeweiligen Tag angibt, ein bisschen wie an Sylvester. Die Spannung steigt mit jeder verstreichenden Minute und am Ende gibt es selbst beim ersten Schluck Wasser eine Gefühls- und Geschmacksexplosion. Das wohlige Gefühl der Dankbarkeit umwickelt alle am Tisch und man kann mit Freunden das Essen genießen und ist sich über das Privileg, satt werden zu können, in vollem Ausmaß bewusst. In diesem Sinne Danke an alle!

Ein Plädoyer für die Pressefreiheit

 

Die Gedanken sind frei,

wer kann sie erraten,

sie fliehen vorbei

wie nächtliche Schatten.

Kein Mensch kann sie wissen,

kein Jäger erschießen,

es bleibet dabei:

die Gedanken sind frei.

Und sperrt man mich ein

Im finsteren Kerker,

das alles sind rein

vergebliche Werke;

denn meine Gedanken

zerreißen die Schranken

und Mauern entzwei:

die Gedanken sind frei.

(Deutsches Volkslied zur Gedankenfreiheit, 1780).

 

Heute ist Tag der Pressefreiheit. Die Welt feiert die Macht, die als fünfte (hier wird die allseits gegenwärtige kapitalistische Macht noch hinzugezählt) und regulierende Kraft in Staatssystem gilt. Ein aktueller Beitrag der Reporter ohne Grenzen zeigt jedoch, dass diese regulierende Instanz stark gefährdet ist. Selbst in den demokratischen europäischen Ländern häufen sich Hetze und Gewalt gegenüber Journalisten. Eine Rangliste von 180 Staaten macht deutlich, dass Staaten, die zuvor als Demokratie- gefestigt, Menschrechte- befürwortend und Meinungsfreiheit- bestärkend galten, auf ihren Rangreihen abgerutscht sind. Die Länder, die ihre Gesamtpunktzahl der Bewertungskriterien behalten oder gar vermehrt haben sind in der extremen Unterzahl. Die Liste wird eröffnet mit den Platzbesten Norwegen und Schweden und geschlossen mit Nordkorea. Deutschland macht Platz 15 und die USA Platz 45. Für zwei Staaten, die im Weltgeschehen so viel Einfluss und Macht haben, sind diese Plätze eher ein Armutszeugnis.

Man könnte nun glauben, dass unser globalisiertes und modernes Zeitalter, in dem doch jeder einzelne mittels Internet und Informationsüberflut bereits selbst als quasi-Journalist agiert und dass die Nachrichtenbeschaffung ein neues Format angenommen hat. Die Schranken und Zensuren können heute gar nicht mehr wie früher gelegt werden, jeder kann sie mannigfach umgehen, könnte man meinen. Das dem nicht so ist sieht man heute eigentlich eindeutig an zwei Fällen: Nordkorea und Türkei. Nordkorea hat sein ganzes Netz nach außen und nach innen komplett abgeschottet. Alle Bürger, die sich gegen diese Maßnahmen widersetzen, werden bestraft. Es gibt unzählige Menschen, die für ihre Texte auf ihren Blogs in Haft sitzen!

Besonders heikel ist es leider in der Türkei. In den vergangenen zwei Jahren hat sich das Land in ein riesiges Gefängnis abgewandelt. Es ist derzeit das größte Gefängnis für Journalisten weltweit. Mit den 180 Journalisten, die aktuell in Haft sitzen, könnte man mehrere Publikationen allein aus dem Gefängnis produzieren. In dem aktuellen Themenbeitrag von Anmesty International heißt es:

Massive und unrechtmäßige Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Türkei seit Ausrufung des Ausnahmezustands im Juli 2016 an der Tagesordnung“, sagt Janine Uhlmannsiek, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland. „Mehr als 180 Medienhäuser hat die Regierung schließen lassen, mehr als 120 Journalistinnen und Journalisten befinden sich in Haft und Tausende Medienschaffende haben ihren Job verloren. Die Pressefreiheit in der Türkei liegt seit fast zwei Jahren in Ketten.“

Es wird um konstanten Druck von außen gefordert:

„Die türkische Regierung missbraucht die weitreichenden Befugnisse, die sie durch den Ausnahmezustand erhält, um die Zivilgesellschaft zu unterdrücken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Damit verletzt sie die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit“, so Uhlmannsiek. „Die deutsche Bundesregierung muss – genau wie die internationale Staatengemeinschaft – weiter Druck auf die türkische Regierung ausüben: Die täglichen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei dürfen nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn die Regierung in Ankara prominente gefangene Deutsche freigelassen hat. Es gilt, deutlich Kritik zu äußern und die türkische Regierung zur Einhaltung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen aufzufordern. Die türkische Zivilgesellschaft und die freie Presse kämpfen ums Überleben. Dabei darf die internationale Gemeinschaft sie nicht alleine lassen.“

Dass Druck von außen in Idealfall etwas bewirken kann, sah man im Fall Deniz Yücel, der nach nichtveröffentlichten Gesprächen und Deals freigelassen wurde. Dass es aber auch ganz anders verlaufen kann, sieht man im Fall der Altan-Brüder: obwohl der europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Unrechtmäßigkeit der Haft verkündet hat, hat sich in der Situation der Journalisten nichts verändert.

Obwohl unzählige Journalisten gefangen sind, motivieren Beiträge und Mitteilungen gerade jener aus der Haft. Es hat den Anschein, dass dieser Zustand sie noch vielmehr bestärkt hat in ihrem Beruf, in ihrer Berufung. Die inhaftierte Journalistin Zehra Dogan  teilte zum Beispiel mit „Ich bin im Gefängnis aber ich bin keine Gefangene“.  Die Worte der jungen Dogan geben so viel Hoffnung und Mut, für Inhaftierte und all jene, die draußen auf sie warten: „Jeden Tag zeigen wir, dass Kunst und Journalismus nicht eingesperrt werden können. Wir werden unseren Kampf fortsetzen und weiterhin sagen „Journalismus ist kein Verbrechen“, bis alle Journalisten frei sind !“Wie heißt es doch so schön in dem Volkslied? Die Gedanken sind frei….