Flug 4U9525

Flug 4U9525

Der Flug 4U9525 der Fluglinie Germanwings ist gestern abgestürzt. Dieser Satz lässt sich so kurz und nüchtern niederschreiben. Mit dem Absturz haben 150 Leben ein abruptes Ende gefunden. Manch einer wollte schon gar nicht mehr so einfach ins Flugzeug steigen, nach dem die Nachrichten es ankündigten. Fakt ist jedoch, dass alle ziemlich schnell wieder in ihren Alltag zurückfinden werden. Nur diejenigen, die gestern am Düsseldorfer Flughafen vergeblich auf ihre Liebsten warteten wohl kaum.

Jede Einzelne Lebensgeschichte

Mit der Zeit kommen unterschiedliche Geschichten über die Insassen des Flugs 4U9525 ans Tageslicht. Wir wissen jetzt, dass eine Schulklasse, 16 Schüler und 2 Lehrer mit an Board waren. Sie hatten in Spanien bei einem Austausch mitgemacht. Oder aber die schwangere Frau, die nicht mitfliegen konnte, aber ihren Mann im Flugzeug hatte. Die Witwe steht nun mit drei kleinen Kindern im Alter von 3-7 und einem Ungeborenen da. Und viele andere einzelne Lebensgeschichten, die allesamt mit an Board waren, die noch so viel vorhatten, und so viele trauernde Menschen hinter sich gelassen haben.

Flugbegleiter sterben nicht, sie fliegen in den Himmel

Es waren wohl 6 Flugbegleiter im Flugzeug. Die Zahlen der Passagiere und Mitarbeiter variieren stündlich. Der Beruf ist mit Sicherheit nicht einfach, man kennt die Risiken, aber dennoch geht man wohl nicht davon aus, dass man selbst davon betroffen werden könnte. Eigentlich treffen die schlimmen Sachen ja eh immer die anderen. Man selbst bleibt zum Glück verschont. Nicht für die Flugbegleiter des Flugs 4U9525. Das war ihr letzter Flug. Ein Kollege sprach gestern „Flugbegleiter sterben nicht, sie fliegen in den Himmel“.

Pressekodex!?

Ich weiß nicht was schlimmer ist: das so viele Menschen gestorben sind oder das es tatsächlich auch Menschen gibt, die versuchen über dieses Leid Profit zu machen. Ich denke der Tod dieser Menschen ist fürchterlich und die Arbeitsweise ist einfach erbärmlich hässlich. Keiner aber auch keiner möchte wissen wie die aktuellen Bilder aussehen oder per live Übertragung weinende und trauernde Angehörige sehen. Es ist einfach unmenschlich mit dem Schmerz anderer so plump und taktlos umzugehen. Wir Journalisten müssen heute vielmehr denn je auf Wort- und Bildwahl achten. Nicht nur in diesem Fall sondern generell muss es in dem Produzierten Material der  Journalisten einen starker humaner Bezug auffindbar sein. Manch einer verfängt sich in der Objektivitätsschleife. Ein anderer zerschlägt regelrecht aus Eifer als Erster im Dschungel von Konkurrenten empor zu steigen jeglichen Kodex. Lasst uns zur Besinnung kommen, zumindest diesmal, zumindest heute!

 

Ich wünsche allen Verbliebenen viel Kraft um den Schmerz zu überwinden. Der Tod ist nur der Umzug an einen anderen Ort, an dem wir inshallah alle wieder vereint sein werden.  

Hinter der Fassade

Lehrerinnen werden künftig mit Kopftuch unterrichten können. Die Aufhebung des bisherigen Verbots vom Bundesverfassungsgerichts hat in der vergangenen Woche für viel Diskussion gesorgt. Bei den Betroffenen wurde laut aufgeatmet und Feierstimmung machte sich breit. Die Gegner haben mit alten Argumenten argumentiert und brachten wieder sehr viel Unverständnis mit. Ja, und dann gab es noch solche, die bisher keine Äußerung zu diesem Thema von sich gaben und sich nun zu den ersteren positionierten und über die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser Entwicklung aussprachen. Fakt ist, dass die offensichtliche Diskriminierung Muslimischer Frauen, denn dieses Verbot griff nur auf solche, nun ein Ende haben könnte. Es gibt keine genaue Zahl, die betroffene Frauen erfasst. Oft führen Frauen, die auf Grund ihres Kopftuches negative Erfahrungen auf dem Arbeitsplatz gemacht haben auch ein Doppelleben, das heißt, Kollegen wissen nicht, dass diese Frau im Privaten ein Kopftuch trägt. Allein in meinem Umfeld gibt es Dutzende Frauen, die Lehrerin sind und eigentlich ein Kopftuch tragen. Bei manchen geht es bis zum Parkplatz der Schule mit, bei manchen bleibt es ein behütetes Geheimnis. Welchen starken Strapazen diese Frauen ausgesetzt sind, und welche Bürde sie auf sich nehmen, um ihren Beruf auszuüben, will ich aus drei verschiedenen  Perspektiven wiedergeben. Die Namen wurden zum Schutz dieser Frauen geändert!

Sibel

Sibel wollte schon immer Lehrerin werden. Sie hat es auch irgendwie im Blut. Sie zählt wohl zu denjenigen begnadeten, die keinen Beruf ausüben sondern eine Berufung haben. Schon im Studium wurde sie oft darauf angesprochen, was sie denn nun mit ihrem Tuch machen wolle. Aber darüber wollte sich Sibel damals keinen Kopf machen, denn insgeheim hoffte auch sie, wie jede ihresgleichen, dass dieses Verbot irgendwann wieder ein Ende findet. Am besten noch bevor sie fertig ist mit dem Studium. So kam es jedoch nicht. Sibel war fertig mit dem Studium und sollte mit ihrem Referendariat beginnen. Im Grunde bestand die Möglichkeit eigentlich das Referendariat auch mit Kopftuch durchzuziehen. Allerdings hatte sie von Kommilitoninnen erfahren, dass es in ihrem Vorort zu schlimmen Auseinandersetzungen gekommen war. Die Schulleitungen, Kollegen und auch Eltern hatten Schwierigkeiten damit; es hieß in einem Schreiben „unüberwindbare Differenzen“. Sibel hatte sich vorgenommen das Tuch schon während des Vorstellungsgesprächs abzulegen und in einem kurzen Nebensatz zu erwähnen, dass sie im Privaten eins trage. Das Gespräch lief gut, beide Seiten fanden Gefallen aneinander, und die Tatsache, dass Sibel’s Ehemann bereits seit einigen Jahren an dieser Schule unterrichtete, war sicherlich auch förderlich. Dieser Vorteil sollte sich jedoch bald als „schweres Unterfangen“ darstellen. „Wir haben darüber gesprochen, als der Starttermin näher rückte. Ich weiß nicht für wen es schwieriger war, für mich oder meinen Mann. Ich fühlte mich so kahl und entblösst und er so hilflos und ohnmächtig. Wir haben es geschafft uns eine Woche lang im selben Gebäude aus dem Weg zu gehen. An diesem Tag, an dem wir uns das erste mal begegneten, auf der Arbeit, ich kann das gar nicht beschreiben. Die Stunde war rum, ich stand am Flur und wollte in meine Klasse. Es liefen einige Schüler umher und am Ende des Flurs stand plötzlich mein Mann. Für einen Moment blieben wir beide stehen und sahen uns an. Es war als ob die ganzen Schüler um uns herum waren plötzlich nicht mehr da wären. Dieser Anblick hat so weh getan! Ich wusste wie sehr ihm dieser Anblick weh tat, und er wusste wie schwer mir der Umstand fiel. Wir konnten uns jedoch nicht helfen. Wir liefen aneinander vorbei, beide mit Tränen in den Augen“. Sibel und ihr Mann besprachen ihre Situation nach Tagen und beschlossen zu versuchen dem Ganzen „Normalität“ zu verleihen. Sie haben versucht den „Schmerz“ auszublenden. Manche konnten den Jubel um die Aufhebung des Verbots nicht verstehen. Können sie wohl auch nicht, wenn man sich nicht hinter die Fassade begibt.

Yasemin

„Ich möchte Kinder unterrichten. Ja klar ist der Anreiz auch da, die erste tolle Persönlichkeit ausserhalb der Familie sein zu können auch recht groß“ grinst Yasemin. Eine junge Frau, die viel im Leben geschafft hat. Aus einer bildungsfernen Familie hat sie es als erste geschafft ein Hochschulstudium zu absolvieren. Der klassische Einsteigerberuf- Lehrer, hat es ihr von Anfang an angetan. Sie geht in ihrem Beruf auf. An der Pinnwand neben ihrem Schreibtisch explodiert quasi eine Bilder und Postkarten Invasion ihrer Schüler. Sie ist offensichtlich beliebt. Ich will wissen woher sie die Energie findet, zumal es ja mit der heutigen Jugend nicht immer so einfach ist, und wie sie damit klar kommt, dass sie ja eigentlich ein Doppelleben führt. Denn ihr Schulbetrieb weiß nicht, dass Yasemin eigentlich praktizierende Muslima ist, das heißt ausserhalb der Schule eigentlich auch ein Kopftuch trägt. „Ich liebe meine Kinder, meine Schüler sind wirklich wie meine Kinder. Ich möchte jedem einzelnen eine Chance für ein gutes Leben ermöglichen. Ich bereue meine Entscheidung für diesen Beruf nicht, trotz allem nicht. Ja, mein Kopftuch (Sie lacht und macht eine kurze Pause). Sie können es sich ja eigentlich schon denken, ich meine ich habe auch im Sommer immer lange Sachen an. Ich trinke keinen Alkohol. Ich habe eigentlich immer auf so eine Anspielung gewartet aber bisher kam nichts. Am Anfang war ich fast panisch. Ich habe öffentliche Räume, Einkaufszentren und ähnliches gemieden. Mit anderen Augenkontakt stark gemieden. Ich habe mich manchmal echt wie ein Bankräuber auf der Flucht gefühlt. Ich musste mir ständig zureden, dass ich nichts illegales mache. Aber das Gefühl hielt an bis ich eines Tages beim Einkaufen einen Arbeitskollegen antraf. Ich habe ihn mit meinem Einkaufswagen angefahren. Er sah kurz rüber, ich entschuldigte mich stotternd. Er erkannte mich einfach nicht! Ich war so schockiert. Ich hatte wirklich ein Doppelleben. Meinen Kollegen habe ich es immer noch nicht gesagt aber nach dem Vorfall habe ich mich einige Tage intensiv damit und mit mir auseinandergesetzt. Ich kam zu dem Entschluss, dass der Grund für mein Verhalten mit einer Angst verbunden war. Ich habe hart im Studium gekämpft, mir fiel eben manches nicht so einfach, weil ich es zu Hause nie so gelernt habe. Ich liebe meinen Beruf. Und ich glaube ich hatte einfach so viel Angst, dass man es mir wegnimmt wegen etwas was ja auch zu mir gehört. Ich war einfach enttäuscht, dass man mich nicht so akzeptieren wollte wie ich bin. Aber ich bemerkte, dass diese Menschen mich nicht einmal erkannten. Mittlerweile bin ich an dem Punkt dass ich wie bei der Margarine Werbung sage- ich will so bleiben wie ich bin“.

Fatma

Fatma ist eine Kämpfernatur. Sie ist ohne Zweifel eine ganz besondere Persönlichkeit. Nicht nur aus diesem Grund passt sie hervorragend in dieses Berufsbild. Der Schulleiter der Schule, an dem Fatma ihr Referendariat machen sollte war nicht der selben Meinung. Er machte sofort am ersten Tag eine diskriminierende Bemerkung zu Fatma’s Kleidung. Da allerdings das Verbot nicht in die Ausbildungszeit eingreift konnte er juristisch nichts gegen sie aufführen. Er entschied sich für die andere Alternative: Mobbing. Ein Jahr lang wurde Fatma schikaniert, bloßgestellt und angegiftet. Er hatte keine Schwierigkeiten seine Antipathie gegenüber Fatma zu äußern. Fatma hatte es mit dem Gespräch versucht, ohne Erfolg! „Es ist mir egal wie sie das nun verstehen. Ich habe ein Problem damit! Ich habe ein Problem mit Ihnen! Ich werde wahnsinnig mit dem bloßem Gedanken, dass eine wie sie wohlmöglich mein Enkelkind irgendwann unterrichtet! Ich werde alles in meiner Macht stehende in Gang setzen, damit sie nicht fertig werden!“ Wahre Worte! Er schloss sich mit Kollegen zusammen und Fatma musste die Schule wechseln, ja sogar das Bundesland. Von neu anfangen fiel Fatma schwer. Sie hatte sich sogar entschieden wie einige Freundinnen aus dem Studium, ganz damit aufzuhören. Das passte jedoch nicht zu ihr. „Jetzt erst recht!“ dachte sie sich, leitete rechtliche Schritte gegen den Direktor ein und machte sich auf ihren Weg. Heute ist Fatma Lehrerin und glücklich in ihrer Berufung. Die Erinnerungen jedoch werden ein Leben lang bleiben.

 

Für meine bessere Hälfte…

Zehn Jahre sind nun vergangen, als sich unsere Wege schnitten. An deinem 30. Geburtstag haben wir uns das erste mal gesehen. Heute, an deinem 40. kann ich nur sagen „Du bist das Beste was mir passiert ist. Ich danke Allah für meine bessere Hälfte, denn du bist die Hälfte an mir, die reifer, ruhiger, weiser und besser ist. Ich danke dir, dass wir Gefährten im Leben sind.

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Fotoquelle http://anastasia-lala.blogspot.de/2010_07_01_archive.html

Vor genau zehn Jahren sah ich dich und dachte mir:“Den kenne ich! So bekannt irgendwie.“ Ich meine nicht so, als ob man sich auf einer Veranstaltung gesehen oder auf dem Weg mal getroffen hätte. Ich meine vielmehr so, als ob man sich schon vorher, viel vorher als das hier und jetzt, gegenüber stand. Ich glaube, in dem Moment haben sich unsere Seelen an etwas erinnert. An etwas von vorher, in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, in einer anderen Form.

Ich danke dir für die zehn wundervollen Jahre und wünsche mir noch viele Jahrzehnte gemeinsam mit dir!

Mevlana Celaleddin Rumi schrieb:

Ich war getrennt von meinem Geliebten* für ganze sieben Jahre. Die Sehnsucht brannte wie ein Feuer in mir. Ich bereitete mich auf Ihn vor. Nach sieben Jahren kam ich an Seine Tür, die Kraft in meinen Beinen verließ mich, mein Herz zersprang vor Aufregung und ich klopfte an der Tür.Der Geliebte antwortete mit seiner liebreizenden Stimme

„Wer ist da?“

Ich sagte „Ich bin es“. 

Er öffnete  die Tür nicht und sprach:“Geh‘ fort! Du sprichst noch immer ‚ich bin es‘ „.

Ich ging und litt weitere sieben Jahre. Ich kam zurück und klopfte erneut.

„Wer ist da?“ fragte er. 

„Ich bin du“ erwiderte ich. 

Er öffnete die Tür und sprach mit seiner sanften Stimme: 

„Herzlich willkommen, schön dass du gekommen bist. Ich bin nicht ich, und du bist nicht du. Und doch bin ich, ich, und du, du selbst. Geliebter ich bin in solch einem Zustand, in dem ich nicht weiß, ob du, ich bist, oder ich, du bin!“

 

*Dieses Wort steht im türkischen geschlechtsneutral. Sinngemäß spricht Mevlana bei der Liebe immer im göttlichen Kontext, d.h. über die Liebe zum Schöpfer.

 

Liebe Sibel Kekilli…

Dies ist eine fiktive Antwort auf Sibel Kekilli’s Rede am Berliner Schloss Bellevue vom 6. März 2015, die in der FAZ veröffentlicht wurde. Da derartige Texte wie meiner sich nunmal nicht so gut verkaufen, klingen meine Worte auf meinem Blog für meine begrenzte Leserschaft. Das ist jedoch kein Problem- Hauptsache ich habe ihr geantwortet! 

 

Liebe Sibel,

ich habe deine Rede gelesen und bin betrübt, dass du solch traurige Erfahrungen machen musstest. In der Tat ist es heute nicht ganz so einfach eine Frau zu sein. Auf der ganzen Welt sind wir noch am erkämpfen von Grund- und Menschenrechten. Selbst in Ländern, in denen wir juristisch gesehen unsere Rechte haben, hinkt es in der realistischen Umsetzung.

Die Grundmotivation deiner Rede ist deine innere Unzufriedenheit, deine Hin- und Her Gerissenheit und deine Wut. Letzteres entsteht hauptsächlich, wenn man sich gehindert oder nicht zulassen fühlt. Du schreibst :“Warum vertreibt ihr mich? Warum muss ich weg, wenn ich nicht den mit Regeln vollgepflasterten Weg gehe, den ihr mir aussucht. Warum wollt ihr mir ein Korsett aus starren Regeln und Pflichten überstreifen und immer fester schnüren, wenn ich so doch nicht mehr atmen kann? Wieso könnt ihr Freiheit nicht einfach als Wert für alle anerkennen? Ihr müsst mich und meine Wünsche ja nicht unbedingt verstehen, sondern respektieren. Ich bin ein Individuum. Warum nur ist euch die Außenwirkung in der Gesellschaft wichtiger als das glückliche Leben eurer Tochter, Schwester oder Frau?“ Liebe Sibel, das Korsett hast du doch längst weggeworfen! In der Kunst hast du doch deinen neuen Sauerstoff gefunden! Durch deine Filme hast du doch deine Lebenswelt neu definiert! Warum also diese Qual!?

Andere Männer

Ich wünschte du hättest die Möglichkeiten an Erfahrungen gehabt, die ich und noch viele andere Muslimas tagtäglich mit „unseren Männern“ erleben.  Ich bin die Erstgeborene meiner Familie. Das erste Kind ist immer wie eine Premiere. Man ist aufgeregt und gespannt. So waren es auch meine Eltern. Am Tag meiner Geburt kam mein Vater mit 100 roten Rosen ins Krankenhaus. Alle auf der Station haben sich gefragt, wer denn die Glückliche sei. Dieses Glück wurde jedoch am nächsten Tag betrübt. Freunde meines Vaters belächelten ihn und sagten, dass ein echter Mann einen Sohn bekommt. Mit 24 Jahren lässt man sich manchmal Flöhe ins Ohr setzen, so auch mein Vater. Er distanzierte sich von mir. Diese Distanz gelang ihm jedoch nur wenige Monate. Denn als ich anfing Laute von mir zu geben, mein tollstes Hollywood-Baby-Face in Einsatz  brachte, erweichte sein Herz. Diese Geschichte hat er mir nach Jahren selbst erzählt. Ich konnte mich an nichts erinnern, dennoch konnte ich das tiefe Bedauern in seinem Gesicht sehen. Er hatte sich die Zeit genommen, über alles nachzudenken und nachzulesen. Er stellte fest, dass weder unsere Kultur noch unsere Religion eine derartige Abstufung von Töchtern vorsah. Im Gegenteil: mit der Geburt einer Tochter kommt Wohlstand und Allah’s Schutz in dieses Haus. Der Prophet Muhammed s.a.v. verspricht im Jenseits die Nachbarschaft mit denjenigen, die zwei oder mehrere Töchter „gut“ erziehen. Mit „gut“ ist hier die weltliche und geistige Ausbildung gemeint. Mein Vater nahm sich das zu Herzen. Er tat Buße indem er seine Kinder, egal ob Junge oder Mädchen mit identischen Rechten und Pflichten „belastete“. Er gab mir immer das Gefühl, ich könne werden was ich wolle, wenn ich daran glaube. Mein jüngerer Bruder wurde nicht bevorzugt; er sah in mir einen gleichwertigen und ernstzunehmenden Konkurrenten. Für Kinder ist das in der Entwicklung sehr sehr wichtig. Mir wurde auch nicht vorherbestimmt mit wem ich zu heiraten habe. Ich habe meinen Mann meinem Vater selbst vorgestellt.

Die muslimische Gesellschaft und ihre Beziehung zur freien Frau

Du schreibst auch „Was ist denn so bedrohlich an einer freien Frau? Warum wird sie von der eigenen Familie und der muslimischen Gesellschaft klein gehalten? Warum habt ihr Angst vor einer selbstbewussten Frau? Warum versteht ihr nicht, dass Freiheit nichts Bedrohliches hat, dass sie einem nichts tut, sondern nur eine Chance auf Selbstentfaltung bedeutet.“ Dem kann ich so nicht zustimmen. Dir ist sicherlich bewusst, dass es nicht die muslimische Gesellschaft geben kann. Weltweit gibt es Muslime und alle sind von ihren kulturellen und territorialen Gegebenheiten gefärbt. Auch ist eine freie Frau für den Islam und für die Muslime keineswegs eine Bedrohung. Ganz im Gegenteil. Eine freie Frau wird um jeden Preis den Schatz der Freiheit wahren und schätzen und sie wird alles in die Gänge leiten, wenn sie auf eine Unfreie trifft um ihr zu helfen. Somit sind freie Frauen doch einzigartige Aktivistinnen der Gesellschaft die sich einbringen. Ich und viele andere meinesgleichen sind frei in ihrem Leben und frei in ihrer Beziehung. Ich danke heute Allah, dass ich die Ehre habe mein Leben mit einem wundervollen Mann zu teilen, der mich ehrt und schätzt und an mich glaubt, selbst in Momenten, in denen ich mich bereits aufgegeben habe. Ich erfreue mich täglich wenn ich miterleben darf, welch glückliche und liebevolle Beziehung er mit unseren beiden Töchtern hat. Sie werden einmal starke und kluge Frauen werden. Nicht weil sie starke Mutter haben sonder weil sie einen wunderbaren Vater haben.

Du sagst dass du „kümmerlich“ eingehst, weil dir „die Kraft fehlt“ gegen uns „und eine ganze Kultur zu stellen. Denn die muslimische Kultur kann gnadenlos sein“. Weißt du, ähnlich ergeht es mir/uns, wenn ich/wir an dieser Massenexplosion von Diffamierung, Kränkung und Unwahrheiten „aus den eigenen Reihen“ erschlagen werden. Kein Tag vergeht, an dem nicht an uns gezerrt und geschubst wird. Man redet immer über uns, aber niemals  mit uns. Ich bin es manchmal Leid, mich ständig von Ereignissen distanzieren zu müssen und stets für Klarstellung zu sorgen verpflichtet zu sein. Es macht mich traurig zu sehen, dass du ein derart kaputtes und deformiertes Bild vom „Islam“ und von „der muslimischen Kultur überliefert bekommen hast. Mein Bild ist ganz hell und warm. Wenn ich meine Augen schließe und in mich hineingehe dann habe ich einen Schöpfer der mich mit allen meinen Makeln kennt und dennoch liebt, einen Propheten, der selbstlos für mich da ist und mir meine dunkelsten Wege erhellt. Wenn ich meine Augen öffne dann sehe ich meinen Mann, der mir sagt „ich bin mit dir hier und jetzt und auch im Jenseits“.

 

 

Weltfrauentag- zwischen „Juhu“ und „Buh“

Wir haben heute Weltfrauentag! Ich weiß nicht recht ob ich mich freuen kann. Prinzipiell ist die Grundidee mit einem Gedenktag, an dem man auf die Gleichberechtigung der Frau den Fokus setzt nicht dumm. Erforderlich sogar, leider! Aber in Anbetracht der aktuellen globalen Situation in der wir Frauen uns weltweit befinden einfach nur traurig….

Mein Tag fängt recht früh an. Ich checke meine Mails und habe zum heutigen Tag diverse Glückwünsche, Nachrichten aber auch Werbung. Werbung, die mir rät Unterwäsche, Blumen oder aber Schuhe zu kaufen! Aha, ich soll mich also belohnen? „Schön dass du eine Frau bist, heute ist dein Tag, komm gönn‘ dir doch was schönes, das hast du dir verdient“ steht zwischen den Zeilen.

Wir haben eine Quote: Juhu

Eigentlich müssten wir vielleicht tatsächlich zum diesjährigen Weltfrauentag in richtiger Feierstimmung sein. Wir haben jetzt eine nagelneue Frauenquote. Das Land ist ja auch ein wenig in Feierlaune. Wow! Sie ist da die Quote, „auf ihr Frauen, hoch mit euch in die Führungsetagen“. Ich weiß nicht recht ob ich mich für diese Quote wirklich freuen soll. Selbstverständlich ist sie, so traurig und ernüchternd das doch eigentlich in der Realität ist, notwendig. Die Herrenclubs in großen Unternehmen müssen endlich mal weiblich durchgewühlt werden. Es muss an vielen Ecken und Bereichen auch mal aus einer völlig anderen Perspektive an die Sachen herangegangen werden. Das diese Frauen sich dann jedoch permanent fragen werden, ob sie denn nun hier sind, weil sie es drauf haben oder aber lediglich eine Quotenfrau sind, das ist dann auch ihr Problem…

Ich muss bei der Quote immer an folgendes Bild denken: ein super Flitzer, ein nagelneuer Sportwagen, dessen Lack quasi noch riecht und spiegelt, was sich in seine Nähe begibt, steht auf der Straße. Männer, die daran vorbeilaufen, oder aber gerade wegen dem „Motz-Teil“ dorthin laufen, sabbern schon und erfreuen sich am Anblick. Obwohl sie wissen, dass sie diesen Wagen niemals fahren werden, ergötzen sie sich am bloßen Betrachten und führen stundenlang Gespräche darüber. Und jetzt der Schwenker vom Sportwagen zur Quote: Es gibt sehr viele Frauen in Deutschland, die trotz Quote, eben immer noch nicht an verdienter Stelle sein werden; weil sie älter sind, Kinder haben, oder aber ein Kopftuch tragen. Diese Frauen freuen sich auch, dass die Quote da ist, reden viel darüber, wissen aber sehr wohl, dass ihnen die Quote dennoch nichts bringen wird.

Und trotzdem sind wir noch am Anfang

Wir haben viel geschafft und uns geht es in Deutschland nicht schlecht, ja gut sogar! Wir sind hier definitiv gesetzlich gleichberechtigt aber leider noch lange nicht gleichwertig! Dafür müssen wir alle noch sehr viel arbeiten. Ich für mich persönlich kann mich mit dem Erfolg, den Frauen in Deutschland erlangt haben nicht zufrieden stellen, wenn ich weiss, dass es Kriegsflüchtlingen, Frauen und Mädchen insbesondere miserabel geht. Für sie ist Misshandlung, Vergewaltigung, Gewalt und Not Tagesordnung. Es ist lobenswert, dass wir nun mehr Frauen aus diesen Kriegsregionen aufnehmen wollen. Aber das reicht nicht, wir müssen mehr tun und uns um das Leid dieser Frauen so kümmern, als sei es unser eigenes. Wir müssen heute gemeinsam mit den Männern sicherstellen, dass der Fall von Özgecan Aslan sich nie wieder wiederholt. Es darf nicht wild auf Frauen Jagd gemacht werden, denn so fühlen wir Frauen uns derzeit auf vielen Orten dieser Welt.

Der Tag ist noch nicht vorbei, ich für mich, scheue mich um keine Aufgabe und keine Arbeit, für zukünftige Frauen wie meine Töchter, damit diese später auch Stolz auf uns sein können. In diesem Sinne, allen Frauen dieser Erde, einen schönen Weltfrauentag!

 

Töchter als Nussknacker

Männer haben oft eine differenzierte Haltung  gegenüber Frauen, insbesondere Frauen, die nicht in ihren unmittelbaren „Haushalt“ fallen. Alle Frauen also, die nicht Mutter, Tante, Schwester oder Frau/Lebensgefährtin/Freundin sind. Man(n) steht irgendwie immer in einer unsichtbaren Konkurrenz zu ihr.  

Es fängt eigentlich schon im Kindergarten an, dass er immer dann wenn sie etwas aus der Spielzeugkiste holt, auch damit spielen möchte. Und eigentlich kann er ja sowieso alles besser: schneller laufen, höher schaukeln und größer bauen. Manch eine plappert das gegenüber dann einfach mal mundtot und dann ist gut. Jedoch geht diese Rangelei dann auch eben in der Schule  einwenig weiter. So lange eigentlich bis Interessen und Potentiale stark differieren und beide ihr „eigenes Terrain“ entwickeln. Man kooperiert oft nur wenn man muss und baut quasi an verschiedenen Baustellen. Toleranz trifft es wohl am präzisesten: man kennt die Unterschiede und kann damit umgehen und lebt damit. Später an der Universität nähert man sich wieder an, das heisst die Branchen sind oft noch unterschiedlich. Es gibt immer noch Männerdomänen und immer noch Studiengänge mit fast 90% Frauenanteil. Aber dennoch vermittelt die Universität wohl allen mehr oder minder das Gefühl von Gender und Diversity und man kann ins Gespräch kommen.

Arbeitswelten-Männerwelten

Oft sieht man Unternehmen, in denen die Herren gerne unter sich sind. Insbesondere die Führungsetagen in Deutschland sind generell alt und maskulin. Sicherlich hat es so seine Vorzüge homogen und  gleich gesinnt zu sein. Man(n) erspart sich eine Menge Ärger. Alle sind sich relativ schnell einig und nachtragend und zickig ist auch keiner. Manch einer gibt in Zeitungs- und Fernsehinterviews oft an, dass man ja schon gerne Frauen mit im Boot hätte aber diese ja selbst nicht mutig  genug  seien und sich nicht bewerben würden. Ob jedoch die Konditionen passen oder ob es für manch eine überhaupt ein anzustrebendes Ziel ist unter dutzend älteren Männern die Quoten-Dingsda zu sein, das fragt man sich lieber nicht. Laut neuster Studie der Antidiskriminierungsstelle wird jede zweite begrapscht oder belästigt. Klar dass manch eine damit nicht so locker fertig wird und den kürzeren zieht, das heisst sich komplett zurück zieht.

Sinneswandel 

Der späte Sinneswandel kommt bei den meisten Chefs, wenn die eigene Tochter anfängt zu studieren und allmählich sich für Jobs umschaut und beginnt an der Karriere zu basteln. Mit großer Wahrscheinlichkeit fallen manchen Herren dann die Erinnerungen wieder ein. Mit großer Besorgnis, dass das eigene Töchterlein an seinesgleichen geraten könnte, wird manch eine harte Nuss von Chef geknackt. Sicherlich kann man sich nun denken „lieber spät als nie“. Was jedoch die Kolleginnen die jahrzehntelang auf berechtigte Positionen verzichten mussten dazu sagen, dass kann sich ja wohl jeder denken.

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