Tücher ohne Köpfe- Deutschland holt Kopftuchdebatte aus dem Kühlfach

Houseroules:

1.Der Zwang zum Kopftuch, Hijab, Niqab etc. ist menschenrechtsverachtend und definitiv nicht im Sinne des Islam, steht daher ausserhalb der hiesigen Diskussion. Derartig patriarchale Machtmechanismen gehören verboten, der Einsatz gegen diese ist unser aller Aufgabe.

2. Im Gegenzug dazu gehört es aber auch zur freien Entscheidung einer jeden Frau, sich für das Tuch, in welcher Form auch immer, entscheiden zu dürfen, ohne die Freiheit, freie Wahl und Emanzipation dieser permanent abzusprechen.

3. Die Kleiderordnung dient nicht! der Entsexualisieurung  und Unterordnung der Frau. Das heutige Verständnis von Mode und Lifestyle stellt keine Divergenz zwischen islamischer Kleidung und Ästhetik und Schönheit. Vielmehr sollten hartnäckige KopftuchgegnerInnen sich eventuell den Aspekt einer spirituellen Kommunikationsform zwischen Frau und Schöpfer verinnerlichen.

4. Barbie ist mit Sicherheit nicht das beste ausschlaggebende Mittel für eine derartige Diskussion- oder vielleicht sollten wir eher von einer Polemik sprechen?!

 

Alle Jahre wieder kommt die Kopftuchdebatte. Immer finden die selben oder ähnlich gesinnte AkteurInnen einen Anreiz ihr Entsetzen dazu der Öffentlichkeit zu offenbaren. Anreiz im November 2017 eine Hijarbie: eine Sheroe- die Miniaturversion von Ibtihaj Muhammad. Eben jene, die schon seit 2006 für die Staaten an olympischen Wettkämpfen als Profisportlerin teilnimmt. Muhammad gilt als Rollenmodell für viele junge Frauen, da sie ein gutes Beispiel für Frauenkarriere in einer Männerdomäne und mögliche Teilhabe und Inklusion von Muslimas in der Mehrheitsgesellschaft ist. Man könnte meinen, alle würden sich für sie freuen. Leider erfährt aber Ibtihaj Muhammad, und solche wie sie,  gerade von Feministinnen und Frauenrechtlerinnen, die sich ja eigentlich für Frauen einsetzen, schärfste Kritik.

Kopftuch-Bashing als Werbung

Im Kanon sprechen die Gegner im selben Ton (nachlesbar aber nicht zu empfehlen im Beitrag von der Emma– übrigens erstaunlich viel gegen das Kopftuch publiziert und gar keine Pro-Beiträge zu finden). Die Angst steckt scheinbar tief im Mark! Wie oben in den Houseroules schon geschildert sind wir uns einig im Einsatz gegen die Zwangsverschleierung, die Entrechtlichung und Instrumentalisierung von Frauen.

Nun kennen aber die „GegnerInnen“ leider nun auch andere Beispiele aus ihrem persönlichen Leben. Sie haben genügend Zeit, sich im Privaten zu unterhalten, Einsichten zu sammeln und Abwägungen zu machen. Wenn aber danach dennoch an der bizarren und starren Haltung bestanden wird, ohne wenn und aber pauschalisiert wird, dann fehlt es eindeutig an Diskussionskultur und Weiterentwicklungsvermögen! Gerade jene wie Emma, Mansour und Ates sind durch ihre Tätigkeitsfelder eigentlich verpflichtet auch die andere Alternative zumindest zu erwähnen. Sie müssen diese nicht gut heißen, mögen oder vermarkten. Allerdings müssen sie als Aktivisten für Frauen- und Menschenrechte auch die Rechte von Frauen, die sie an den Pranger stellen möchten, schützen. Oder kann man sich mittlerweile schon durch einen selektiven Einsatz profilieren? Frauenrechtlerinnen müssen sich für die Rechte aller Frauen- auch für jene, die aus freien Stücken sich islamisch bekleiden möchten und daran gehindert werden, diskriminiert werden, einsetzen. Oder sind wir etwa keine Frauen, wie schon Soujorner Truth fragte „Ain’t I a Woman?“. Wie kann eine Akteurin sich als Imamin verstehen, aber nicht bereit sein, einen beachtlichen weiblichen Teil der Ummah so derartig abzuwerten und zu missachten?

Der Blick auf den Kopf unter dem Tuch lohnt sich- definitiv!

Unsere pluralistischen Gesellschaftsformen stellen uns vor neue Herausforderungen. Eine gemeinsame, im Dialog verankerte mit Diversität bereicherte Gesellschaft erfordert mehr Respekt, Toleranz und Teilhabe. Die Zugänge dürfen nicht selektiv und von Privilegien abhängig sein. Wir müssen heute in der Lage sein, Lebensformate unter den jeweiligen Konditionen betrachten zu können. Leider gelingt es den GegnerInnen der Kopftuchdebatte nicht die westliche Brille abzusetzen (Lesetipp Chandra Talpade Mohanty: Under Western Eyes) und sich das Leben des Gegenüber aus dem jeweiligen Standpunkt anzuschauen. Zwangsläufig pauschalisiert man und missachtet somit Rechte anderer. Man läuft Gefahr, dass koloniale Diskriminierungsansätze im 21. Jahrhundert zwanghaft am Leben gehalten werden. Traurigerweise fing die eigentliche Kopftuchdebatte, so auch die Soziologin Prof. Dr. Nilüfer Göle, erst an, als die ersten Frauen mit Kopftuch sich hochgearbeitet hatten von der Putzfrau zur Lehrerin oder Angestellten.

Erstaunlicherweise richtet sich die Kritik fast immer gegen jene Frauen, die die Teilhabe am Öffentlichen anstreben, erfolgreich sind oder für viele andere als Rollenmodell dienen. Letzen Sommer war es die Urlauberin am französischen Strand mit einem Burkini heute eine Spitzensportlerin. Gebasht werden also jene Frauen, die aktiv am Leben teilnehmen und auch in ihren eigenen Reihen und Communities eventuell vom Patriarchat „bekämpft“ werden. Also stellt sich die Frage, warum jene nicht von AktivistInnen für jene Rechte unterstützt werden, sondern nochmal in anderer Form erniedrigt und ausgegrenzt? Vorbildlich und wünschenswert wäre es manchmal, wenn jene Office-AktivistInnen mal raus auf das Feld gingen und tatsächlich sich für unterdrückte und geschändete Frauen einsetzen würden, sich gegen ihre entsetzlichen Männer aufstemmen würden und Einsatz und Courage bewiesen. Das bedarf aber viel Kraft und Einsatz- ohne Geld- bringt auch nicht genug Echo- ist also nicht PR-tauglich. Dann basht man also lieber diejenigen, die Früchte tragen, denn das verkauft sich immer gut!