Die letzte Ausgabe ZAMAN

Heute kommt die letzte Ausgabe der türkischen Tageszeitung Zaman in die Briefkästen der Abonnenten in Deutschland. In der Türkei ist sie bereits vor Monaten verstummt. Die Machtübernahme des Diktators lässt der Freien Presse keinen Raum. Sehr wohl stimme ich den Kritiken man hätte Fehler gemacht, müsste auf gewisse Sachen achten, würde jetzt die Konsequenzen tragen, zu. Dennoch plädiere ich auf Anstand und Verständnis, gerade heute! Denn es ist ihr letzter Tag…

Meine Bekanntschaft mit der Zaman beruhte auf einem langjährigen Abo. Wie viele andere war ich von der Publikationsphilosophie überzeugt- Nachrichten, die unverfälscht, familienfreundlich und objektiv sind. Mehr oder weniger durch Zufall ergab sich unsere Exkursion zur Zeitung für das Seminar „Soziologie und Beruf“und quasi wie im Film bekam ich mein Jobangebot vom damaligen Chefredakteur Mahmut Cebi. Das fühlte sich damals wie ein 6-er im Lotto an, zumal ich ja im Seminar über die Gefahr von Arbeitslosigkeit von Soziologen so viel gehört hatte. Dumm wäre ich gewesen, dieses Angebot nicht anzunehmen. So begann meine bisher spannendste, intensivste und oft an meine zuvor unbekannten Grenzen bringende Reise bei Zaman…

Ich kam in ein Team von türkisch-stämmigen Journalisten die alle männlich und in der Türkei sozialisiert waren. Ihr Lebensmittelpunkt war ihr Beruf und ihre Zeitung. Wie schwer tat sich manch einer, nun plötzlich mit einer Kollegin am Konferenztisch der Redaktion zu planen. Eine, die kein einwandfreies türkisch sprach, zwar sehr türkisch aussah aber so ganz und gar deutsch war… Wie schwer tat sich diese junge Frau, die zu Hause mittlerweile ein Kleinkind und ein Säugling hatte und mit brechen und biegen allen beweisen wollte, dass aus ihr eine gute, ja sogar sehr gute Journalistin werden kann. Ganz unerwartet wurde alles gut. Man kann es sich kaum vorstellen aber, selbst die Alpha-Männchen nahmen mich im Rudel auf. Ich erfuhr im Team Respekt und, wenn auch nicht immer offenherzig, Anerkennung. Es wurden weitere Frauen im Team aufgenommen. Ich wurde Initiatorin der Medienakademie und lernte viele viele junge Menschen kennen, die den Beruf Journalismus näher kennenlernen konnten. Journalismus ist eine Art Virus. Wenn man damit in Berührung kommt, ist man Lebenslang  damit infiziert. Ich arbeite nun schon seit 2 Jahren nicht mehr bei Zaman (wir gehörten damals zur ersten Welle der entlassenen Mitarbeiter, als die Krise sich bemerkbar machte), dennoch gibt es immer wieder Geschehen und Ereignisse bei denen ich mir meine Story im Kopf für einen Artikel aufbaue. Die Glut ist nicht mehr auf den ersten Blick zu sehen aber dennoch lodert sie irgendwo tief in mir. Das wird sie wohl immer.

Zaman hat leider auch in Deutschland die Krise nicht überstanden. Zu stark reicht des Diktators Arm in alle Winkel und Ecken der türkischen Diaspora, geschweige denn in die eigentliche Heimat. Einst war Zaman eine renommierte Tageszeitung, die durch ihre tolerante und intellektuelle Haltung mittels ihrer Leserschaft aus allen Gesinnungen und Richtungen zur auflagenstärksten wurde.

Es schmerzt einen derartigen Text zu verfassen…. Es ist ein Abschied, ähnlich wie von einem geliebten Menschen… Zaman hat mich vieles gelehrt, mir verholfen Hoffnung zu haben, Hoffnung für viele andere Menschen und insbesondere junge Frauen zu geben. Ich habe mich selber in dieser Zeit der Zeitungsarbeit sehr gut kennengelernt…Dank dieser Zeit weiß ich, was ich leisten kann und was ich lieber unterlassen sollte… Ich habe Menschen so süß wie Zuckerwatte und Lebensbiographien so bitter wie Bittermandeln kennengelernt…Es wäre wohl nicht übertrieben zu sagen, dass Zaman mich zudem gemacht hat, wer ich heute bin…Der Abschied fällt mir schwer… An deinem Platz ist nun eine große Leere, für ungewisse Zeit…Elveda…

#Zaman #freiePresse #Grundrecht #Pressefreiheit #Elveda #heygidigünler

#Istanbul

Gestern Nacht wurde der Atatürk Flughafen in Istanbul  Ziel eines Terrorangriffs. Details, Bilder, Mutmaßungen und Kommentare schwirren im Netz. Man schätzt 36 Tote und 147 Verletzte…

Was man dazu noch hinzufügen kann? Wohl nicht viel, denn für die Verstorbenen und die Hinterbliebenen ist man an dem Punkt, wo es nichts mehr zu sagen gibt…

Unendliche Fassungslosigkeit, Sprachlosigkeit, Trauer…

Und an einigen Punkten komme ich dennoch nicht vorbei:

  1. Wie bewerkstelligen es Kreaturen im Fastenmonat Ramadan, in dem sie sich doch umgehendst auf ihren persönlichen Mikrokosmos, auf  die Beziehung „Ich und mein Schöpfer“ fokussieren sollten, eine derartige Gräueltat verüben? Ergo- für mich sind das keine Muslime! Nicht mal Mensch kann eine zutreffende Bezeichnung sein…
  2. Wie schafft man es, in einen als einer der sichersten Flughäfen Europas bekannten Ort, Waffen einzuschmuggeln? Was macht eigentlich MIT (Geheimdienst der Türkei)? Wie können drei Selbstmordattentäter so unbemerkt ihre Tat vollbringen? Hatte der Sultan es nicht versprochen bei seiner Wahl würden die Anschläge und Opferzahlen sinken? Seit 2015 sind hunderte Menschen gestorben, es vergeht kein Tag ohne Tote, wieso schweigt die Mehrheit, erhebt eure Köpfe aus dem Sand!
  3. Wieso sperrt die türkische Regierung sofort nach dem Anschlag soziale Medien und verlangsamt das Internet im gesamten Land? Werden durch diese Maßnahme die Opferzahlen geringer? Wird die gesamte Welt nicht sowieso davon erfahren oder wer oder was könnte dadurch einen Nutzen ziehen?
  4. Wie kann man nach Bekanntgabe des Anschlags und der ersten Opferzahlen in der Nacht noch einen Beschluss zum Gesetz im türkischen Kabinett verabschieden? Hat das in diesem Fall nicht Zeit oder benötigt man gerade dieses Chaos um gewisse Sachen ohne viel Aufsehen zu erledigen?
  5. Ein Video war gestern noch im Netz zu sehen (mittlerweile wurde es scheinbar entfernt- Grund unbekannt???). Zu sehen ist einer der Attentäter, der von einem Polizisten bemerkt wird und beim Versuch zu stoppen, am Bein angeschossen wird. Er liegt für einige Minuten am Boden, die Menschen um ihn herum fliehen. Kurz darauf sprengt er sich selbst in die Luft. Man sieht nur ein helles Licht und darauf Fetzen die durch die Luft schießen. Dieser Mann hätte noch die Gelegenheit gehabt für Reue, Neuanfang, Kapitulation, Sühne, Büße… Jetzt hat er nichts mehr davon. Wieso befindet man sich in solch einem Dilemma? Was macht aus einen Menschen ein solches Monster? Wo haben wir versagt?
  6. Shame on you!!! Taxifahrer sollen gestern Nacht am Flughafen, als die Krankenwagen nicht mehr ausgereicht haben, perverse Summen von Opfern verlangt haben. In Brüssel fuhren die Kollegen ohne Entgelt. Wenn das stimmen sollte, kann man für die Türkei nur noch beten, denn das gesellschaftliche Klima, Mitgefühl und Empatievermögen scheint sichtlich getrübt zu sein… Aus der Not den Profit schlagen- dazu fehlen einem nur die Worte..

Den Verstorbenen wünsche ich Gottes Segen und Gnade, den Hinterbliebenen viel Geduld und Stärke

 

Bildquellen aus dem Netz:

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Eine Gruppe „Pinguine“ reist nach Istanbul

 

Heute ist Nawrouz, Frühlingsanfang, Weltglückstag und der Tag nach dem Bombenanschlag in Istanbul/Taksim… Die Grenzen sind dicht, die AFD jubelt, die EU reinigt sich die Hände mit der Türkei und Erdogan geht lieber auf Hochzeiten als sich um den Terror in seinem Land zu kümmern… Glück hat offensichtlich nicht jeder, sondern nur der, der weiß-männlich- und mit rentablem Habitus ist… Mir ist nicht gut zumute, dennoch versuche ich zumindest mit irgendetwas einen anderen Beitrag zu leisten. Dieser Text war eigentlich für ein anderes Format gedacht, nun führten verschiedene Ereignisse dazu, dass er hier landet und das ist auch gut so…. Wir brauchen wesentlich mehr Ülkü’s und noch viele, viele Pinguine….

 

Dies ist die wunderbare Geschichte von acht jungen Frauen, die im Frühjahr 2014, kurz bevor in Deutschland Ostereier und in der Türkei neue Kommunalregierungen gesucht wurden, gemeinsam eine Reise nach Istanbul machen. Sie selbst gaben dieser Reisegruppe den Namen „Pinguine“. Ich hatte das wunderbare Glück einige Eindrücke und Erinnerungen über diese Unternehmung erzählt zu bekommen. Auch durfte ich mir die Briefe, die sich die „Pinguine“ nach ihrer Reise geschrieben haben, lesen. So viel Herzlichkeit und Freundschaft musste mit anderen Menschen geteilt werden. Daher nun die Geschichte der Reise der „Pinguine“ nach Istanbul.

 

Der jüngste Terroranschlag auf eine deutsche Reisegruppe in Istanbul ist noch präsent in unseren Erinnerungen. Am frühen Morgen, auf dem Sultan-Ahmed-Platz, vor dem Obelisken des Thutmosis, wurden 13 Menschen schwer verletzt und 12 aus dem Leben gerissen. Es waren jene Menschen, die eine gewisse Vorliebe für das Reisen, die Stadt Istanbul, das türkische Essen, die Kultur und die Menschen aber vor allem für die deutsch-türkische Freundschaft hatten. Drum galt der Anschlag im Grunde genommen nicht einer Publicity bringenden Metropole Istanbul, sondern vielmehr den Schönheiten und Faszinationen, die diese Stadt umgeben. Denn Istanbul ist nicht nur eine Stadt, die zwei Kontinente miteinander verbindet. Nein, sie verbindet auch Vergangenheit und Zukunft, Tag und Nacht, fremd und bekannt- ja sogar acht „Pinguine“, die sich vor ihrer Reise dorthin teilweise nur einmal gesehen hatten.

Organisiert und geleitet wurde die Reise von Ülkü. Ülkü’s Eltern wohnen in Istanbul Büyükçekmece, einem Stadtteil relativ weit außerhalb. Für Deutschland gesprochen würde es der Strecke zwischen Erfurt und Jena oder zwischen Düsseldorf und Bonn entsprechen. Diese Strecke fuhr die Gruppe täglich, um die unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten, die verstreut sind über die sieben Hügel Istanbuls, zu besichtigen. Jede junge Frau hat für sich selbst etwas Wunderschönes wahrgenommen und bewahrt diese Erinnerung seither im Herzen. Sie alle haben ihre Gefühle in Briefen niedergeschrieben. Ich hatte die Ehre diese Briefe zu lesen und auf Wunsch der reisenden „Pinguine“ mit der Welt zu teilen. Schon immer hatte ich eine besondere Vorliebe für Briefe, vor allem für jene, die mit bezaubernder Tinte auf entzückendem Papier verfasst worden sind. Wie sehr freut sich doch ein Empfänger über einen Brief von einem geliebten Menschen. Meine Vorliebe allerdings für Briefe anderer, deren Adressat ich gar nicht bin, habe ich seit ich Lady Montagu kennengelernt habe. Noch heute zählen ihre Briefe über ihre Reisen zu den wichtigsten historischen Dokumenten. So habe ich aus den Briefen der „Pinguine“ eine engere Auswahl für unsere Leser getroffen.

Auf das mehr Menschen sich Briefe schreiben, Freunde werden und gemeinsam nach Istanbul reisen….

 

 

 

Meine liebe Ülkü,

schon über einen Monat ist es nun her, dass ich aus Istanbul abgereist bin. Und trotzdem habe ich noch genau das Gefühl in mir, das ich hatte, als ich in Salzburg landete und die Alpen sah, eine so schöne Landschaftsform, dich mich schon immer fasziniert hat- und mir plötzlich die Tränen in die Augen stiegen. Warum? Es war einfach so wunderschön und gleichzeitig so anders als das Wunderschöne, woran ich mich die vergangenen Tage gewöhnt hatte. Anders als das Wunderschöne in den Muezzin- Rufen, die gleich einem Echo über der Stadt am Bosporus erklangen und den gesamten Luftraum der Stadt ausfüllten- das Wunderschöne im Lächeln und in den freundlichen Worten der vielen Leute, denen wir oft begegnet waren- das Wunderschöne in der Gelassenheit und Lebensfreude, die uns immer wieder überrascht hatte- das Wunderschöne in der Gastfreundschaft, durch die wir uns trotz fehlender Sprachkenntnisse bald wie zu Hause in Istanbul fühlten.

Selten hat mich eine Reise so geprägt und ich weiß, dass das zum Großteil an dir liegt. Ohne dich wären wir vermutlich in einem preisgünstigen Hotel im Zentrum untergebracht gewesen. Hätten andere Reisende aus den USA, Deutschland, China kennengelernt, mit ihnen auf Deutsch oder Englisch geredet. Englisch- das wäre auch unsere einzige mögliche Kommunikationsform mit den Menschen der Türkei gewesen. Vielleicht wäre uns etwas in der Unterführung nahe der Galata-Brücke geklaut worden, vielleicht hätten wir noch viel mehr Äußerungen von Türken („Istanbul ist so schön“) missdeutet und vielleicht hätten wir nichts anderes als Falafel, Lokum und Pizza gegessen. Es wäre vermutlich ein schöner Urlaub gewesen- aber auch nicht mehr.

Und darum bin ich dir so dankbar: Statt in einer Blase durch die Stadt zu laufen, waren wir mittendrin… in den Frauenbereichen zahlreicher Moscheen, auf Fähren, wo uns Haushaltsgeräte angeboten werden, in Insider Cafes mit atemberaubendem Blick über Istanbul, an Ständen, wo uns einfach mal so Armbänder geschenkt wurden- und natürlich in einer richtig türkischen Familie, die uns allen richtig ans Herz gewachsen ist. Die Gastfreundschaft, wie hätten wir sie so hautnah erlebt, wenn du uns nicht so großzügig bei euch aufgenommen hättest. Und wenn ich genauer überlege, ist Gastfreundschaft vielleicht sogar das falsche Wort: denn nicht nur Gästen gegenüber habe ich diese Herzlichkeit bemerkt. In keinem Land, in keiner Stadt, in der ich bisher war, wurde Tieren gegenüber so viel Respekt und Liebe entgegengebracht wie in Istanbul. Hunde und (vor allem…!) Katzen können dort friedlich leben. Niemand jagt sie aus Restaurants oder heiligen Orten, sondern sie sind schlichtweg Teil des Lebens. Und so habe ich mich dank dir auch gefühlt.

Es fällt mir immer noch schwer, das Erlebte zu erfassen, einzuordnen und für mich in ein Ganzes zu bringen. So viele kleine Dinge, die mich berührt haben, fallen mir mitten im Alltag ein. Und ich merke auch, wie sehr mich diese Reise geprägt hat: immer, wenn ich hier Frauen mit Kopftüchern oder einen türkischen Supermarkt sehe oder ein Kind „anne“ sagen höre: dann denke ich an dich und an Istanbul und ich sehe mit anderen Augen. Mit offenen Augen würde ich sagen.

Und dafür danke ich dir.

Alles Liebe

Deine Freundin Vanessa

 

 

 

 

 

 

 

Liebe Ülkü,

Ich muss dir ehrlich sagen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Wie schon am letzten Abend in Istanbul von mir erwähnt, hat kaum ein Mensch in meinem Alter von mir in so kurzer Zeit soviel Respekt verdient.

Dass du alles großartig organisiert hast und du ein wahnsinnig gutes Führungspotential bietest mit der dazugehörigen Fürsorge und Nachsicht einer Mutter, weißt du vielleicht selbst.

Aber was du für mich persönlich bedeutest, wirst du wahrscheinlich nicht ahnen können. Nicht nur, dass du mir einen Urlaub geboten hast, der mich aus der Enttäuschung und der Belastung der Frankreichreise gerettet hat, sondern auch dieses beseelte Gefühl neue Freunde gewonnen zu haben und eine zweite Familie mit einer wunderschönen neuen andersartigen Kultur zu finden, hast du mir geschenkt. Einfach so, mit offenen Armen wurden wir in Istanbul empfangen und mit Tränen in den Augen mussten wir alles wieder verlassen.

Ein neues Land mit neuen Gerüchen, anderen Farben, süßen, klebrigen Speisen, eigenartig wechselndem Klima, berauschen herzlichen Menschen und wunderschönen Klängen, die mich nicht nur glauben, sondern auch hoffen ließen, habe ich entdecken dürfen. Auch die heiteren Momente, wenn sprachliche Barrieren und verschiedene Kulturen aufeinander prallten, waren für mich unvergesslich.

Um in Bildern zu sprechen: Liebe Ülkü, du hast mir eine Brücke gebaut, die von Katharine Branning in ihren Briefen an die Türkei so umfangreich geschildert wird. Eine Brücke in vielen Bereichen. Du warst die Brücke der Verständigung, die uns von dem einen Ufer zum anderen sicher brachte.

Du hast nicht nur meine erste Verbindung zur Türkei geschaffen, sondern uns alle so sicher getragen in Situationen, dass wir alle Istanbul und auch den muslimischen Glauben durch deine Augen sehen durften. Eine Brücke ist auch ein Symbol der Macht, wie Katharine Branning richtig sagt. Wer Zugang zu einer Brücke hat, besitzt eine strategische Kontingente die die eine Seite der anderen zugänglich macht und beide soweit zusammenhält, dass sie nur mit ihr vereint existieren können.

Und so warst auch du die Brücke zwischen uns acht anderen Pinguinen. Es gab zwischen uns nicht nur kein Gequake, weil die Chemie stimmte, sondern weil du unser beruhigender Brückenpfeiler warst, der uns schwingend in den Wind wehend von einer Erfahrung zur nächsten führte.

Würde es auf der Welt soviel mehr Brücken wie dich geben, bräuchten wir keine Grenzen mehr. Die bewegenste und leichteste Brücke jedoch, hast du zu meinem Herzen gebaut.

Ich danke dir vor allem dafür.

Herzlich Deine Dominique

 

 

An alle Frauen dieser Welt…

Diesen Text widme ich anlässlich des Weltfrauentages 2016 allen aber auch allen Frauen dieser Welt. Möge die Zukunft besser werden als die Vergangenheit und Gegenwart….

Liebe Frauen,

der internationale Weltfrauentag ist wahrlich kein Grund zu feiern, noch nicht! Es stimmt, dass wir in den vergangenen 150 Jahren viel geschafft, erstritten, gemeistert und erobert haben. Dennoch sind wir noch lange nicht am Ziel angekommen. Das Ziel? Gleichberechtigung aller Individuen, das Recht auf die Existenz in der eigenen Natur… Heute können viele Frauen wählen,studieren, Berufe erlernen, arbeiten, ihr Vermögen verwalten, sie selbst sein. Viele aber leider immer noch und sind wie eh und je unfrei. Und all jene, die die genannten Rechte genießen, kämpfen immer noch unter anderem gegen ungleiche Bezahlung, Altersarmut, Sexismus und Diskriminierung. Ob und wann die Menschheit diese gesellschaftlichen Makel überwindet und beseitigt- das steht noch in den Sternen.

Heute im 21. Jahrhundert leben auf unserem Planeten immer noch Frauen und Mädchen, für die sich alle anderen, insbesondere Frauen einsetzen müssen. Die US-amerikanische Feministin und Wanderpredigerin Sojourner Truth  fragte bereits 1851 „Und bin ich etwa keine Frau?“. Diese und ähnliche Fragen stellen sich wohl immer noch Millionen Frauen tagtäglich, wenn sie im Zuge der Globalisierung über die internationalen Medien einen Blick auf unser „tolles Leben“ werfen können. Wir Frauen sind stets und insbesondere in Krisen und harten Zeiten, Verbündete. Allerdings müssen wir unbedingt noch lernen unser Gegenüber zu respektieren, so wie sie ist, in ihrer Lebenswelt und Realität . Wir müssen unsere emanzipierte und westliche Überlegenheit ablegen, schon wie Chandra Mohanty in ihrem oftmals zitierten Essay „Under Western Eyes“ es zur Sprache bringt.

Wir ruhen uns heute auf dem weichen Sofa unserer Errungenschaften aus. Emanzipation ermöglicht uns Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, von denen unsere Urgroßmütter nicht zu träumen gewagt hätten, zu beanspruchen. „Die Emanzipation sollte es der Frau ermöglichen, das natürlich Menschliche in ihr zu äußern. Alles in ihrem Bereiche, das sehnsüchtig nach Kundgebung und Handlung drängt, sollte seinen vollkommensten Ausdruck finden; künstliche Scheidelinien sollten zertrümmert, vom Pfade zur immer grösseren Freiheit sollten alle jene Spuren von Jahrhunderten der Unterwerfung und Sklaverei weggeräumt werden…“ schrieb Emma Goldman in „Die Tragödie der Frauenemanzipation“. Dabei müssen wir heute nochmal ganz bewusst und intensiv achten, dass wirklich alle, aber auch jede letzte Frau im hintersten Winkel dieser Erde dieses Menschenrecht genießt.  Wie auch Goldman weiter schreibt „Freiheit und Gleichheit für die Frau! Welche Hoffnungen und Ausblicke gestatteten diese Worte, als sie zum ersten Mal geäussert wurden von den Edelsten und Kühnsten jener Tage. Die Sonne mit all ihrem strahlenden Licht, ihrer Herrlichkeit sollte einer neuen Welt aufgehen; einer Welt, in welcher die Frau frei ihr eigen Glück bestimmen durfte, gewiss ein Ziel, würdig all des Enthusiasmus, des Mutes, der Ausdauer und unaufhörlichen Anstrengung der enormen grossen Schar von Pionieren beider Geschlechter, welche ihr Alles einsetzten gegen eine Welt des Vorurteils, der Unwissenheit“.

Heute im 21. Jahrhundert können wir uns nicht mit Unwissenheit herausreden. Wir Frauen, allesamt, sitzen im gleichen Boot. Wir sind Mutter, Tochter, Schwester, Geliebte, Ehefrau, Freundin, Genossin, Kollegin, Partnerin und noch vieles mehr. Für die Zukunft kommender Frauen, für das Wohlergehen aller benachteiligter, versklavter, vergewaltigter, unterdrückter und unmenschlich behandelter Frauen- wir sind alle Frauen und müssen nun, vielleicht mehr als je zuvor, gemeinsam für Frauenrechte einstehen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. So hoffen und arbeiten wir für EINE BESSERE ZUKUNFT FÜR ALLE FRAUEN!

Der Terrorismus boomt- wir machen da nicht mit!

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Nachrichten sehen und informiert sein- das geht schon seit langem nicht mehr! Zu den  Nebenwirkungen der Globalisierung zählt nunmal die Informationsinflation der gesamten Welt auszuhalten. Was aber wenn die Informationen immer brutaler und immer schmerzhafter werden? Die Branche des Terrorismus boomt weltweit. Noch nie gab es so viele zeitgleiche Anschläge und Gräueltaten auf dieser Welt.

Zeichensetzung, Solidarisierung, Distanz waren unter anderem die Schlagworte der vergangenen Tage. Ja, aber nur für alle und nur gemeinsam. Es scheint, als ob es eine unausgesprochene aber stark wahrgenommene Kategorisierung der Vorfälle und Opfer gibt. Manch Unglück findet mehr Gehör, manch Opfer mehr Anteilnahme und andere sind eben einfach viel zu weit weg und viel zu leise. Dem muss man Gegensteuern. Wir dürfen den Wert von Menschenleben nicht umverteilen oder gar hierarchisieren. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Frieden! Gemeinsam, und nur gemeinsam müssen wir dem Grauen ein Ende setzen- wir machen da nicht mit!

Buchvorstellung: „Su Üstüne Yazı Yazmak“ von Muhyiddin Şekur

Die Jahrhunderte alten Schriften, die Menschen auf Steine meißelten, sind wie Schriften, die man für den Schöpfer auf Wasser schreibt.

Bücherliebhaber werden genau bestätigen können, dass jedes Buch mit jedem Leser eine eigene Geschichte hat. Die Geschichte beinhaltet zum Beispiel, wie und wo wir über das Buch unsere Erstinformation bekamen und wie das Buch zu uns oder wir zum ihm gelangten. Oft ist es so, dass im Buchhandel das Buch seinen Leser regelrecht anspringt- die Verbindung von Buch und Leser besteht bereits vor der eigentlichen Begegnung.

So war es bei mir auch bei diesem Buch. Ich weiss nicht mehr wo ich das Cover sah, mit großer Wahrscheinlichkeit war es wohl bei einem der unterschiedlichen sozialen Netzwerke. Das Bild erinnerte mich sehr an Monet, der viel mit unscharfen Rändern und natürlichen Szenen malte. Die Überschrift hingegen, übersetzt, auf Wasser schreiben, erinnerte mich an die Ebru Malerei, bei der man auf der Wasseroberfläche malt und dann das Bild auf Papier überträgt. Ebenso las ich, dass es eine biographische Arbeit eines Sufis war,  so setzte ich dieses Buch auf meine Ferien-Literatur-Liste und suchte es bei erster Gelegenheit in der Türkei. Es stellte sich sehr bald heraus, dass ich dieses Buch weder in Eskisehir, Ankara und noch in Izmir in den mir gängigen Buchhandlungen finden sollte. Es nervte mich gewaltig, denn durch die Unerreichbarkeit stieg die Entzückung für dieses Buch. Ich würde es sobald ich wieder zu Hause in Deutschland ankommen würde online bestellen, denn auf die türkischen Bücherläden war scheinbar kein Verlass. Auf der Heimreise machten wir unseren letzten türkischen Zwischenstop in Edirne. Ich bildete mir ein, mich mit der Bestellungsgeschichte arrangiert zu haben, jedoch suchte ich unterbewusst noch weiter. So kam es dann, dass ich wider Erwarten, in einem ca. 6qm großen Bücherladen zum letzten mal anfragte. Ich war so stark darauf eingestellt, dass der Verkäufer sagen würde „es tut mir leid, es ist ausverkauft, aber wir können es gerne bestellen“. Man konnte mir doch dabei so gut ansehen, dass ich eine Reisende war, eine, die nicht lang genug bleibt, um die Bestellung entgegen zunehmen, eine, die nicht weiss, wann sie wieder kommen wird. Doch diesmal überraschte mich der Verkäufer und streckte mir das Buch in die Hände. Ich war wirklich baff, doch da hatten wir uns nun endlich. Mein Buch wartete in Edirne auf mich, in der letzten Station der Türkei.

Der mühsame Weg eines Sufis

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Alle Sufismus Liebhaber und Amateur Biografieforscher werden dieses Buch lieben, welches übrigens aus dem englischen ins Türkische übersetzt wurde.Ich muss sagen ich war überrascht über Sufis in den USA zu lesen. Der Autor Muhyiddin Şekur beschreibt wunderschön seinen schlängelnden, Geduld fordernden und reinigenden Weg zum Sufismus. Ich muss sagen, dass mir der Sufismus in der Praxis nicht sehr fern ist. Ich hatte die Gelegenheit über längere Zeit an Zikir Zeremonien teilzunehmen, den „Aufnahme“ Gesprächen von Sheikh und Dervis beizustehen, oder in den Gesprächskreisen von, auf den ersten Blick sehr „banalen“ auf den zweiten jedoch sehr tiefsinnigen Anekdoten zuzuhören. Dieses Buch brachte mich in längst vergangene Tage. Ich konnte selber sehen, was davon in mir fruchtete und was längst verkümmerte. Es ist für Menschen der Moderne kaum mehr vorstellbar, dass Erwachsene und freie Menschen sich in den Schatten eines Sheikh’s stellen, ihm Gehorsam versprechen, ihm quasi die Leine, der um ihren Hals hängt, aushändigen. Wir verstehen nicht wie diese Form von Unfreiheit diesen Menschen eine unendliche Glückseligkeit und Freiheit wiedergeben soll. Ebenso empfinden wir Gefahr, einer einzigen Person so viel Verfügungsgewalt über andere Menschen zu übertragen. Der Missbrauch dieser Macht ist viel zu häufig in der Geschichte vorgekommen. Dennoch sehen wir von Muhyiddin Şekur, dass ein Sheikh nicht die selbständige Vernunft und Entscheidung abverlangt, diese ja sogar fordert. Der Lesegeschmack, der bei diesem Buch anhält ist wie folgt: Während wir glauben, dass unser Verstand das Ultima Ratio erreicht hat, verkümmern unser Herz und unsere Seele, und wir sind uns dessen gar nicht bewusst! So bleibt dem Leser nichts übrig, als sich dem mystischen Zauber des Sufismus hinzugeben.

Ich habe beim Lesen die hartnäckige Standhaftigkeit und quasi trotzige Ausdauer Şekur’s bei seinem Weg und bei der Arbeit an ihm selbst sehr bewundert. Viele Versagen nicht an dem schweren Parcours sondern scheitern an sich selbst. Der Sufismus ist einer der wenigen alten Traditionen, der die Krankheiten und Leiden der Neuzeit heilen kann.

 

 

Autor: Muhyiddin Şekur

Titel: Su Üstüne Yazı Yazmak

Verlag: Sufi Kitap

335 Seiten

 

Bildquelle: http://www.sufi.com.tr/kitaplar/muhyiddin-sekur/su-ustune-yazi-yazmak.aspx

Synfonie der Vielfalt: Aşure

Heute ist der 10. Muharram im islamischen Kalender. Für gewöhnlich kocht man an diesem Tag eine Süßspeise aus ganz unterschiedlichen Zutaten, die man eigentlich aus anderen Speisen kennt: Asure.

Auch ich zähle zu den großen Fans dieses süssen Puddings, den Noah laut Überlieferung auf der Arche aus  den restlichen Lebensmitteln gekocht haben soll, als alles quasi schon fertig war. Ich bin jedes mal überrascht, wie Weizen, Kichererbsen, Granatapfel und Co. so gut harmonieren können. Viele Köche*Innen bemessen sich gerne an dieser Süßspeise. Nicht jeder kann die Harmonie der Vielfalt im Kochtopf dirigieren. Die Kichererbse gibt gern vorlaute Töne von sich, und der Weizen ist überall. Die Granatapfel Stückchen tun sich gut mit Pistazienkernen, wollen aber nichts vom Sesam wissen. Das hier ist aber kein Solo meine Lieben, alle zusammen, und je vielfältiger desto besser. Keine Angst, es geht keiner unter, alle kommen dran, jeder ist unentbehrlich und bitte bleib so wie du bist!

Ich habe mir vorhin beim Kochen gedacht, ob man den Pegida-Leuten wohl mal davon zu essen geben sollte, dann würde es ihnen sicherlich besser gehen; Sie würden endlich verstehen, es würde ihnen im Kopf ein Licht und im Herzen ein Tor aufgehen. Naja! Eine Idee ist es sicherlich wert.

Die Schwierigkeit der Asure liegt meiner Meinung nach nicht bei der Zubereitung. Der Hacken ist oder war bisher immer das damit zusammenhängende Verteilen. Sinn der ganzen Aktion ist nämlich, dass man diese Speise an Nachbarn und Freunde verteilt! So und jetzt leben wir aber in einem extrem Allergie-lastigem und individualistisch- zurückgezogenen Zeitalter. Mag mein Nachbar überhaupt Asure? Vielleicht sieht es ja aus seiner Perspektive nicht mehr wie eine Sinfonie der Vielfalt aus, sondern eher wie „vorher schon mal gegessen und ausgespuckt“? Diese Hürde habe ich bereits vor Jahren übersprungen. Ich pimpe mein Asure gerne visuell- Deko-technisch gerne mit allen Nüssen und Stücken gerne auf, so dass es im Schälchen „nett“ aussieht. Dann mache ich einfach Klingelputz bei den Nachbarn, erzähle ein bisschen was dazu. Nachbarschaft-Gemeinschaft und kulinarisch sind meine Schlagworte. Dieses Format eignet sich übrigens perfekt, sich neuen Nachbarn vorzustellen. Smalltalk im Treppenhaus mit Asure, dann muss es doch klappen mit der Nachbarschaft. Ich muss sagen, ich hatte bisher immer ganz liebe Nachbarn. Sie freuen sich immer wenn ich etwas vorbeibringe. Ob sie es dann auch essen und mögen, ist nicht die Aufgabe. Sich überwinden und zwischenmenschlich kommunizieren, das ist der springende Punkt.

 

Was ist hier drin?

Ich habe kein Patentrezept aber die Legende besagt, dass man die Zutaten am besten immer am 10. Muharram kauft damit man immer etwas zu essen hat und dass in der Küche stets Fruchtbarkeit (Google übersetzt mir Bereket damit?!) herrscht. Man sollte immer mindestens 7 Zutaten für die Speise bereitstellen.

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Ich habe folgende Zutaten der Grundmasse mit Wasser zu einem Pudding gekocht:

  • Weizen
  • Kichererbsen
  • Reis
  • Zucker
  • Sesam
  • Aprikosen
  • Rosinen
  • Orangenat
  • Feigen
  • Korinthen
  • eine abgeriebene Schale einer Zitrone

alles klein und fein und lange lange kochen. Weizen und Kichererbsen wurden am Abend zuvor in Wasser eingelegt. In der Dekoration ist jeder frei, nach Lust und Laune….Ich habe Granatapfel, Pistazien, Haselnuss, Mandel, Walnüsse und Pinienkerne.

Ich habe das Privileg, das erste Schälchen zu genießen. Danach mache ich mich auf und verteile… Asure kann man nicht einfach so kochen oder essen. Asure muss man leben! In diesem Sinne happy Cuma, happy Asure….

Das kleine „Helal Einmaleins“

Es gab wiedermal Geburtstag im Kindergarten. Die Mutter des Geburtstagskindes richtete freudig die Torte und das Essen auf dem Tisch in der Gruppe vor. Sie kam lächelnd auf den Jungen und dessen Schwester zu und sagte freundlich: „Für euch zwei Süssen haben ich Pferdesalami mitgebracht. Ich weiss, dass ihr Moslems seid und kein Schwein essen dürft“. Die Geschwister schauten sich kurz an und überlegten. Ihre Eltern hatten nichts von Pferdesalami gesagt. Schwein war schlecht, nein es war sogar verboten, aber Pferd? Nein, Pferd war in Ordnung, sonst hätten die Eltern das auch erwähnt. Höflich bedankten sich die Kinder und aßen von der unbekannt neuen Kost. Zuhause erzählten die beiden von ihrem kulinarischen Erlebnis nichtsahnend. Der Vater schaute die Kinder etwas genervt und auch einwenig entsetzt an. Er war sichtlich überfordert mit der Situation. Die Kinder konnten ja nichts dafür, aber wussten die im Kindergarten denn das nicht, was Helal war und was nicht?! Dann entwich ihm ein äußerst unpädagogischer Satz aus dem Mund: „Na, dann ist es wohl geschehen! Ihr bekommt jetzt wie Pinokkio Eselsohren. Könnt ihr euch noch an die Folge erinnern, als er nicht hören wollte und zur Strafe ganz lange Ohren bekam? Tja, das passiert dann wohl auch demnächst mit euch, in eurem Fall dann Pferdeohren, wegen der Pferdesalami.“

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Die Kinder rannten zum Spiegel. Voller Angst betrachteten sie tagelang ihre Ohren, bis ihr Vater ihnen gestand, dass er den beiden eine Lektion erteilen wollte. Er brachte ihnen zur Sicherheit das kleine „Helal Einmaleins“ bei:

1. zur Sicherheit kein Fleisch,

2. kein Alkohol und

3. alles was wir von zu Hause nicht kennen lieber weg lassen.

Diese kleine Anekdote haben tatsächlich ich und mein kleinen Bruder erlebt. Wir haben tagelang in den Spiegel gestarrt und unsere Ohren beobachtet. Pferdesalami war ab diesem Zeitpunkt ein NO-GO für uns!

Nach über 30 Jahren hat sich auf diesem Gebiet sehr viel verändert. Alles, was wir früher als „bedenkenlos“ verzehrt haben, meiden wir im Regal des Discounters. Dank den E-Nummern ist quasi die DNA des Lebensmittels entziffert- zum Großteil zumindest. Wer hätte damals gedacht, dass selbst pures Brot, Joghurt oder gar Käse nicht-Helal sein kann?!

Die Branche boomt. Wer die Marktlücke entdeckt hat, versucht die Helal-Community für sich zu gewinnen. Es kommen täglich neue Alternativprodukte auf den Markt, den Veganern sei Dank! Wer sicher gehen möchte kann in den sozialen Medien unzählige Foren finden, auf denen Konsumenten Kontakt aufnehmen und fragen, ob der Saft mit Gelatine geklärt wurde und welches Aroma denn in dem Kuchen nun drin ist. Für die ganz Genauen kann die App beim Einkaufen behilflich sein. Zwar gibt es immer noch unzählige Produkte, die nicht im System aufgenommen sind aber im Zweifel kann man dann ja auf die gewohnte Chips-Tüte zugreifen als mit der neuen Sorte auf Risiko zu gehen. Kitas und Schulen haben teilweise schon seit langem das Schweinekotelett weggelassen. Man kann aber auch gerne ganz auf Fleisch verzichten und sich bei dem vegetarischen Menü eintragen. Wobei in manch einer Einrichtung dieses sich dann erstaunlicherweise als abartig anders herausstellt. Die Vorstellung, dass das vegetarische Menü am Beispiel von Pizza dann eben als Pizza mit Gemüse Belag auf den Teller sollte, entspricht nicht der Realität. Das Kind mit dem veggie-Menü bekommt Gemüsesuppe, als ob es nicht schon genug „bestraft“ wäre! Wir arbeiten noch dran!

Das kleine Helal Einmaleins meiner Eltern habe ich meinen Kindern mitgegeben. Sicher werden diese es meinen Enkeln weitergeben. Sie lernen gerade, dass Helal Ernährung keine besondere Folterform ist, sondern eine Philosophie des bewussten und gesunden Umgangs mit Essen. Denn Helal Ernährung bedeutet nicht nur Schwein und Co. wegzulassen. Nein, Helal Essen bedeutet, jegliche Schadstoffe für den Körper und den Geist zu meiden und nur soviel zu sich zu nehmen, wie viel wir auch tatsächlich benötigen.

Bildquelle: http://de.kingdomhearts.wikia.com/wiki/Pinocchio

Türkisch-Heiraten für Dummies

Die Geburt, der Tod und die Hochzeit eines Menschen zählt zu den wichtigsten Ereignissen im Leben. Bei Geburt und Tod ist man zwar Hauptdarsteller jedoch hat man ansonsten nichts zu bestimmen. Bei der Hochzeit hingegen kann Mann oder Frau im Normalfall so eine Menge mitbestimmen und gestalten.

Je nach Alter, Kultur, Religion, Status und Budget (welches in der Tat bei diesem Lebensereignis eine sehr große Rolle spielt) nimmt die Gestalt der Hochzeit ein Format an. Sie variiert von romantischem Eheversprechen in engstem Kreis, wobei der minimalste Kreis auf drei Personen beschränkt ist, das heisst Braut, Bräutigam und „Kraft des Amtes berechtigte“ Person. Im Gegenzug gibt es für den maximalen Kreis keinerlei Begrenzungen nach oben. In manchen Kulturkreisen heisst es „je mehr, desto lustiger“. Die bisher teuerste Hochzeit soll 1981 in Abi Dhabi mit einem stolzen Preis von 100 Mio Dollar gekostet haben, als das Landesoberhaupt geheiratet hat. Nicht ganz so teuer sind türkische Hochzeiten, aber an einem weltweiten Hochzeitsranking würde man wohl sicher unter die Top 10 kommen.

Nun folgen einige Punkte bezüglich dem Heirats- und Hochzeitsverhalten türkischer (und stämmiger) Menschen. Achtung der Text bedient sich auf Verallgemeinerungen und Klischees, beabsichtigt jedoch weder Abwertung noch Gehässigkeit. Ausnahmen bestätigen nicht die Regel!

Partnerwahl

Laut einer Studie aus dem Jahre 2013 des Familienministeriums der Türkei, werden 51% der Menschen verkuppelt. Freunde und Bekannte bringen gerne Menschen und Familien, von denen man ausgeht, dass sie ein gutes Paar abgeben könnten, gerne zusammen. Überwiegend wird diese „gute Tat“ von Frauen, insbesondere älteren Frauen, eingefädelt.

Nach kurzer „Absprache“ der jeweiligen Positionen, Erwartungen und Haltungen gehen Türken für gewöhnlich zum nächsten Schritt über. Ein langes Ausgehen miteinander dulden meist die „indirekten Teilnehmer“ nicht. Erster Ansprechpartner ist fast immer die Mutter. Diese wird in die gesamte Planung involviert. Falls die Chemie stimmt und die jungen Menschen sich den nächsten Schritt vorstellen können, darf die Mutter dem Vater das Projekt vorstellen. Je nach Performance und didaktischem Können, kann Mutter schon mal mehrere Anläufe benötigen, bis Vater „freiwillig“ zum „Kennenlern-Treffen“ einwilligt. Dieses Treffen besteht aus jeweils einem gegenseitigen Besuch. Man trifft sich bei der anderen Familie, trinkt, isst und redet über Alltag und Geschehen. Bei diesem formlos locker wirkenden Treffen werden jeweils Familienangehörige, Familienbeziehungen, kulinarisches Können der Frauen, finanzielle Situation, politische Einstellung und wesentliche Charakterzüge abgecheckt.

Falls man diesen Schritt als „bestanden“ abhacken kann, geht man über zur nächsten Station…

Um die Hand anhalten

Man kann diesen Schritt durchaus schon als Zeremonie bezeichnen. Die Familie des zukünftigen Bräutigam kommt mit gesamter Familie zur zukünftigen Braut und hält bei ihren Eltern um ihre Hand an. Dieses Treffen findet häufig am Abend und am Wochenende statt, da man hierzu bereits ganz enge Freunde oder Verwandte einlädt. Meist werden bereits nach der Anfrage, für die es übrigens eine fest vorgeschriebene Formulierungsweise gibt, Ringe ausgetauscht. Viele Familien feiern nach dieser Zeremonie noch eine gesonderte Verlobungsfeier, für die übrigens die Brautseite zuständig ist, aber manch eine Familie legt die Verlobungsfeier mit „Anfrage“ zusammen und er-spart sich somit Geld und Stress. Nach dem der Brautvater einwilligt, kommt die Braut mit einem Tablett mit Mocca. Der Mocca des Bräutigams ist hierbei gesondert. Er ist nicht wie alle anderen süss, sondern salzig. Die Pointe hierzu könnt ihr gerne bei der lieben Kübra  nachlesen.

Danach geht es zack-zack

Verlobungen werden bei Türken nicht lang gestreckt. Bei wohlwollenden und guten Taten sollen die Muslime sich eilen, heisst es in einem Hadith. Im Schnitt dauert eine Verlobung mindestens vier Monate und maximal ein Jahr. So viel Zeit, wie man eben benötigt, um sich kennen zu lernen, die Hochzeit zu planen und das neue Zuhause einzurichten. Das Kennen-lernen variiert von Familie zu Familie.

Türkisch einrichten

Das Einrichten des Zuhauses klingt zunächst gängig und klar. Allerdings kann diese Aktion für manch ein Paar die Trennung vor der eigentlichen Hochzeit bedeuten. Immer noch gibt es in fast jeder türkischen Familie einen strikten Plan, was die Zusammenstellung von der Wohnungseinrichtung des jungen Paares betrifft. Aussteuer (sämtliches Küchenutensil also von Kaffeelöffel bis Dampfkochtopf, Bettwäsche, Bettzeug, Handtücher, Gardinen, Haushaltsgegenstände, etc. ) und die Schlafzimmermöbel werden von den Eltern der Braut bereit gestellt. Es ist ein striktes Tabu, second Hand Sachen zu kaufen. Lieber kauft man ein No-Name Utensil als ein gebrauchtes Markenteil! Elektrogeräte und Wohnzimmer (eventuell auch Esszimmer und weitere Möbel ebenso) werden von den Eltern des Bräutigams beigesteuert. Das besagte Ende der noch nicht angefangenen Beziehung hängt oft mit Streitigkeiten wegen dieser Gegenstände, bei der nicht Übereinstimmung von Besorgung oder Aufteilung, ja sogar dem Nicht-Gefallen des Stils zusammen. Es kommt nicht selten vor, dass Familien, die bereits Hochzeitseinladungen versendet haben, die Feier aufgrund „unüberbrückbarer Differenzen“ absagen.

Hochzeit

Die Hochzeitsplanung unterliegt ebenso strengen Vorschriften. Eine türkische Hochzeit besteht im Grunde aus zwei Komponenten: dem Henna-Abend und der eigentlichen Hochzeit. Mittlerweile kommt noch eine dritte Komponente hinzu: die standesamtliche Trauung (diese variiert jedoch stark; in der Türkei kommen Standesbeamte (7daysx24hours) egal wann auf Hochzeiten und trauen Paare; deutsche Standesbeamte sind da wohl nicht so flexibel, folglich richtet man sich nach dem Termin). Besonders für türkische Trauungen ist, dass es einen Brauch gibt, der besagt, wer das Sagen in dieser Ehe haben wird. Je nach dem wer, ob Braut oder Bräutigam, nach der Trauung schnell genug ist, dem anderen auf den Fuss zu treten, so der Aberglaube, wird die Führung der Beziehung übernehmen. Man begegnet häufig gutgewillten Freunden, die dem Freund oder der Freundin einflüstern, sie solle ja nicht vergessen oder gar verfehlen auf den Fuss des Geliebten zu stampfen. Ob der Brauch etwas bringt, wurde bisher nicht wissenschaftlich erprobt 😉

Der Henna-Abend findet traditionell ein bis zwei Abende vor der eigentlichen Hochzeitsfeier statt. Dieser Abend ist ein reiner Frauenabend bei dem die Braut sich von ihren Freundinnen, Bekannten und Verwandten quasi verabschiedet, ein Junggesellinnenabschied wenn man so will (mittlerweile gibt es allerdings auch Feiern an denen die Männer auch entweder komplett oder zumindest nur bei der eigentlichen Henna-Zeremonie mit dabei sind). Dabei wird sehr sehr viel getanzt und es gibt eine besondere Zeremonie bei der die Braut mit Henna Verzierungen an der Hand „aufgehübscht“ wird. Vor dieser Zeremonie wird in der Regel das Licht gedämmt, der Braut ein roter Schleier umgehängt und oft traditionell traurige Abschiedslieder gesungen, um die Braut zum Weinen zu bringen. Das Henna wird vorher auf einem pompös geschmückten Tablett in überwiegend roter Farbe zubereitet. Freundinnen der Braut umkreisen zum Lied die Braut. Zum Ende des Liedes darf eine glücklich verheiratete Frau die Hand der Braut mit Henna beschmücken. Sie überträgt symbolisch Glück auf die Braut. Zuvor muss allerdings die zukünftige Schwiegermutter die Braut noch dazu bringen ihre Hand zum Schmücken zu öffnen. Die Braut ballt ihre Hände zu Fäusten, bis die Schwiegermutter ihr Goldmünzen schenkt. Diese werden in die Hand Innenflächen gelegt und darüber kommt dann die Henna-Paste. Die kompletten Kosten dieser Feier übernimmt die Braut-Seite.

Die Kosten der Hochzeit hingegen werden von der Bräutigam Seite getragen. Die Formate der Feierlichkeiten variieren enorm. Von der schlicht und nach Frauen und Männer getrennten religiösen Feier in der Moschee bis hin zum Mega-Event mit Feuerwerk mit Gästezahl im vierstelligen Bereich- die Palette ist breit. Was alle diese Hochzeiten jedoch gemeinsam haben ist, dass:

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  • die Braut ein weisses Brautkleid trägt und der Bräutigam einen Anzug;
  • unter dem Schuh der Braut Namen von ledigen Freunden stehen, in der Hoffnung, dass die, deren Namen nach der Feier nicht mehr dran stehen, als nächstes dran sind;
  • der Bräutigam die Braut mit einem nett/üppig hergerichteten Wagen bei ihr Zuhause abholt;
  • beim Abholen die Braut sich von ihren Eltern traditionell mit einem Handkuss verabschiedet und dass dabei fast alle Teilnehmer ganz bitterlich weinen- insbesondere beim Abschied vom Vater;
  • dem Paar Gold und Geld geschenkt wird;
  • es nicht geschriebene aber dennoch allen bekannte Geschenkvergaberichtlinien gibt  nach dem Prinzip: ich bringe dir jenes Geschenk zur Hochzeit deines Kindes, welches du meinem Kind auf seiner Hochzeit geschenkt hast zurück;
  • die Schenkungszeremonie öffentlich und allen sichtbar in Form einer gleichzeitigen persönlichen, manchmal annoncierten Übergabe erfolgt;
  • Braut und Bräutigam schon während der Feier total froh sind, dass nun alles endlich vorbei ist.

Wir wünschen allen frischen Paaren und jenen, denen alles noch bevorsteht, alles Gute…