Drei Männer die starben und was das mit mir machte…

Ich habe mich jahrelang darüber beschwert, dass in vielen westlichen Zivilisationen die Menschen überhaupt kein Gefühl für den Tod entwickeln können. Ich denke mittlerweile, dass wir auch kein Gefühl über die Geburt haben. Viele können sich nicht das Ausmaß an Emotion, Schmerz, Bedarf an Care-Arbeit und emotionaler Fürsorge ausdenken. Was wir sehen sind Vlogs zu Babyshowers, Zimmereinrichtungen und Hautpflege vor und nach der Geburt. Ja und den Tod gibt es so als ganzes gar nicht. Die Menschen machen sich auf ihre „letzte Reise“, „gehen von uns“ und sind immer mit uns. Wir können den Tod und die Geburt nicht mehr in unseren Alltag einbetten. Frauen müssen das Wochenbett selbst durchstehen, wenn sie Glück haben kommt eine Hebamme einige male nach Hause. Ja und zum Sterben geht man in ein Hospiz, in den allermeisten Fällen zumindest.

Im Dorf meiner Eltern, in der Ägäis, konnte man das noch üben. Wenn jemand krank wurde, wenn man allmählich befürchtete, dass dieser Mensch nicht mehr lange hat, dann gab man Bescheid, alle kamen und verabschiedeten sich. Es wurde permanent im Beisein gebetet. Klar, dass diese Personen die Schwelle ins Jenseits auch alleine bewältigen mussten, aber bis zu dieser Schwelle waren die Geliebten dabei. Man konnte sehen, wie vergänglich das Leben und wie kostbar unsere Lebzeit hier ist. Viele Menschen berichten über diese Erfahrung als einprägend oder einschlägig. Es macht was mit einem. Meistens zumindest. Für eine bestimmte Zeit zumindest.

Tod numero eins- die erste Beerdigung

Mehmet Ali Şengül

Ich war schon oft auf Friedhöfen. Ich finde sie strahlen eine gewisse Klarheit aus. Insbesondere in Deutschland sind sie manchmal wie ein botanischer Garten. Es ist ruhig, voller Natur und wirkt sehr beruhigend. Als Kind sind wir auf dem Heimweg zur Schule immer an einem Friedhof vorbeigelaufen. Ich kann mich nicht daran erinnern jemals Angst gehabt zu haben. Auch in der Türkei besuchte ich jährlich einen Friedhof. Ich betete für die Verstorbenen und ehrte meine Ahnen. Für Kinder in der Diaspora sind Großeltern dann manchmal auf einmal nicht mehr da. Man bekommt es zwar mit, wie diese erkranken, wie der Zustand sich verschlechtert, dass sie sterben, aber in den allermeisten Fällen reisen dann die Eltern schnell zur Beerdigung und man besucht diesen geliebten Menschen dann beim nächsten Urlaub am Grab. Der kleine Verstand kann das alles gar nicht erfassen, muss aber häufig allein damit klar kommen. So war es zumindest in meinem Fall.

Meine erste Beerdigung, an der ich teilnahm, war 2021. Man muss sich das mal vorstellen. Ich war schon längst über 40, hatte zwei Kinder, konnte mehrere Sprachen sprechen, debattieren – diskutieren… aber ich hatte noch nie gesehen, wie ein Mensch beerdigt wurde. Es kam hinzu, dass es ein Mensch war, den ich wahnsinnig liebte, schätze und dankbar war für die Bekanntschaft. Es war die Beerdigung von Mehmet Ali Şengül. Er zählt zum engen Freundeskreis von Fethullah Gülen und verstarb am 11.7.21 an Covid. Er wurde auf dem Hanauer Friedhof bestattet.

Ich muss sagen, ich wusste nicht genau was mich erwarten würde. Ich wusste jedoch, dass ich, ja dass wir als Familie ihm diesen letzten Dienst erweisen müssen, möchten und auch dürfen. Ich nahm die Kinder mit. Kommentierte alle Schritte und schaffte Raum zum Trauern. Denn Mehmet Ali Hoca war wie ein Großvater für sie. Dieser feine Mensch schenkte jedem, wirklich jedem Beachtung, war stets freundlich und strahlte eine unermessliche Frömmigkeit aus, auf die ich manchmal ein wenig neidisch war. Nun verstarb dieser Mensch und viele kamen an diesem Tag zu diesem Friedhof. Wir sahen Vorort wie ein Mensch beigesetzt wurde, wie Trauer Menschen vereint, wie würdevoll der Abschied von so geliebten Menschen von dannen gehen kann. Ich weiss nicht ob man das nachvollziehen kann aber man bekam regelrecht die Lust zu sterben- so schön war diese Beerdigung. Die Gebete umhüllten unseren Schmerz wie seidene Tücher. Es waren hunderte da, alle, die ihn liebten und ihn sehr vermissen würden. Wir wussten, dass sein Platz mit nichts zu ersetzen ist. So ist es auch bis heute. Wie gerne hätte ich mich wieder mit ihm ausgetauscht, sein Lächeln auf einen meiner Kommentare oder Fragen auf seinem Gesicht gesehen oder das Baklava, welches er mit anbieten würde, essen. Ich werde ihn bis ans Ende meines Lebens ehren und vermissen….

Tod numero zwei- dem Tod in die Augen sehen

Babam ❤️‍🩹

Es kam wie befürchtet- die erste Begegnung mit dem Tod musste ich bei meinem Vater letztes Jahr im November machen. Ich warnte immer davor, dass die Moderne uns keinen Raum schafft, in dem wir uns an anderen Todesfällen üben können. In den allermeisten Fällen werden wir mit dem Tod unserer Eltern mit dem Thema konfrontiert. Schützen konnte ich mich aber selbst vor dieser Warnung nicht. Obwohl ich lange Zeit während der Abiphase und dem Studium im Altenheim arbeitete, immer wieder am nächsten Tag BewohnerInnen nicht mehr im Zimmer vorzufinden waren, da sie über Nacht verstarben, habe ich es dort nie miterlebt.

September letzten Jahres musste mein Vater abrupt seinen Rentnerurlaub in seinem Dorf in der Türkei abbrechen. Man hatte bereits dort im Krankenhaus einen Lebertumor festgestellt. Er kam mit dem ersten Flieger nach Deutschland. Er lief am 24. September ins Krankenhaus und wurde am 24. November mit dem Sarg entlassen. Der Krebs war so aggressiv, dass alle Therapiemaßnahmen nicht einmal mehr durchführbar wurden. Die Ärztin sagte, dass er eigentlich alles richtig gemacht hat. Er hat seit Jahrzehnten nicht mehr geraucht, nicht getrunken, war immer in Bewegung, hat sich gesund ernährt, so sehr, dass er sogar seinen Joghurt selbst machte. Noch im April hatte er alle Vorsorgeuntersuchungen machen lassen. Alles top. Mein Vater war zäh, aber der Tumor war bösartig und zerstörerisch. Man erklärte uns, dass der Krebs nicht in ihm gewachsen, sondern regelrecht explodiert ist.

Ich fuhr in diesen 2 Monaten fünf mal zu meinem Vater. Jedes mal sah ich einen Mann, der unermüdlich kämpfte, nicht aufgab und doch so gefasst war. Kein einziges mal beschwerte er sich über die Schmerzen, die unvorstellbar qualvoll sein mussten. Selbst am Tag vor seinem Tod fragte er die Ärzte, ob eine Transplantation möglich sei. Er versuchte mich zu trösten, als ich in Tränen ausbrach, mit den Worten „das ist mein Schicksal, so ist der Wille Allahs“. Ich sah, wie es ihm bei jedem Besuch schlechter ging.

Ich hatte beruflich viel um die Ohren, es war diese Distanz von 600km zwischen uns, aber dennoch war ich seelisch weder hier noch bei ihm. Mein Mann überredete mich zu meinem Vater zu fahren. Ich erklärte, dass es sicher besser ist, wenn ich die Woche drauf zu ihm fahre. Er erwiderte, dass ich auch nächste Woche nochmal zu ihm fahren könnte, und dass ich das vielleicht später bereuen könnte. Der Satz wurmte mich, also rief ich seine Ärztin in der Klinik an. Diese erklärte mir, dass sein Zustand leider nicht besser wurde aber dass er momentan stabil sei.

Die selbe Ärztin rief mich am nächsten Tag am Spätnachmittag an. Sie kam aus Indien nach Deutschland um hier als Ärztin zu arbeiten. Ihre Familie war in der Heimat und sie war hier allein. Mein Vater hatte ihr von seinen Kindern erzählt, sie in seinen Garten eingeladen, ihr versprochen für sie zu grillen wenn er wieder gesund werde. Die Ärztin sagte zu mir am Telefon, dass sie mir zwar gestern gesagt hatte, dass er stabil sei, aber heute Komplikationen entstanden seien, er innere Blutungen hätte. Der Tumor würde auf Luft- und Speiseröhre drücken, sodass Krampfadern entstanden seien, die angefangen hätten zu bluten. Diese hätte man tackern müssen, um die Blutung zu stoppen. Sie erklärte das sachlich nüchtern, während ich schon seit dem Wort „Komplikationen“ weinte. Sie machte eine kleine Pause und sagte „wenn es mein Vater wäre, würde ich kommen“. Als ich den Hörer auflag konnte ich nur sagen „mein Vater stirbt“. Nach einer halben Stunde sass ich im Zug, um Mitternacht war ich am Bahnhof in Augsburg

Als er aufwachte und mich sah, konnte ich seine Freude in seinen Augen sehen. Er war froh, dass ich es geschafft hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir alle Hoffnung, dass „wir“ die Kurve kriegen. Alles würde, wie durch ein Wunder, wieder gut. Mein Baba würde das mit Gottes Hilfe schaffen. Zuhause war alles auf seine Rückkehr vorbereitet. Ein Pflegebett- Feststellung der Pflegestufe- Pflegedienst… Soviel Arbeit und Zeit, für die Angehörige keine Energie haben. Man macht aber alles, um dem geliebten Menschen alles zu ermöglichen. Das Krankenhaus bot meiner Mutter an, bei meinem Vater zu übernachten. Sie bekamen ein eigenes Zimmer. Das Personal war menschlich und mitfühlend.

Es kam, wie es kommen musste… Wir hatten uns die Schichten mit meiner Mutter geteilt. Sie blieb nachts, ich kam tagsüber. Wir mussten unsere Kräfte einteilen, weil wir nicht wussten, was uns erwartet. Am 23. November sagte ich meiner Mutter, dass ich diese Nacht auch im Krankenhaus verbringen werde. Sie versuchte nicht, mich davon abzubringen. Ich muss es wohl gefühlt haben. Mein Vater fiel am Abend in einen komatösen Schlaf. Ich hatte mich informiert bei seinen Ärzten, was alles passieren könnte, woran man was merken würde, was wir machen sollten. Ich habe die letzten Tage vor dem Tod meines Vaters nicht mehr geweint. Ich hatte alle meine Tränen vorgezogen, zwei Monate durchgeweint. Meine Aufgabe bestand nun darin, meinen Vater bis zur letzten Schwelle begleiten zu dürfen. Am 24. November gegen drei Uhr in der Nacht, weckte ich meine Mutter auf. Ich sagte zu ihr, dass sie ruhig bleiben soll und ihre spirituelle Waschung machen soll. Irgendetwas hatte sich in dem Raum verändert. Ich fühlte es aber konnte es nicht beschreiben. Meine Mutter tat, was ich ihr sagte. Wir stellten uns zu meinem Vater ans Bett. Ich nahm seine rechte Hand, meine Mutter seine linke. Mein Vater konnte zwar seine Augen nicht öffnen oder sprechen aber er hielt unsere Hände. Ich sprach zu meinem Vater, dass er abgeholt wird und er keine Angst haben solle. Er solle mit seinem Atem versuchen mit uns gemeinsam zu beten. Ich fing an laut und repetitiv die Shahadah zu sprechen. Rythmisch- immer und immer wieder. Ich betete innerlich zu Allah, dass er uns nicht mit Erlebnissen prüfe, denen wir nicht gewachsen sind. Immer wieder erzählen Menschen über die letzten Momente von Menschen, über ihr leidvolles Ende oder die Qual. So etwas hätten weder meine Mutter noch ich verkraften können. Und ich weiß nicht, wessen Gebete erhört wurden aber mein Vater starb friedlich und würdevoll. Wir begleiteten ihn zur Schwelle, das Zimmer war losgelöst von Raum und Zeit. In tiefer Erhabenheit danke ich Allah, dass ich meinem Vater diese letzte Ehre erweisen durfte. Ich habe mit jedem Molekül meines irdischen Daseins die Gnade Allahs gefühlt. Seine Seele hätte nicht sanfter abgeholt werden…

Zu der Beerdigung des Mannes, den ich bis zur Schwelle des Todes begleitet hatte, konnte ich nicht. Mein Vater wollte in seinem Dorf bestattet werden. Er wollte nicht, dass wir uns alle 25 Jahre deshalb streiten müssen, wer die Kosten der Weiterführung seines Grabes tragen solle. Er wollte auch nicht, dass sein Grab geschandet werden konnte, nur weil er nicht Mayer oder Müller heisst. So kam es, dass ich seine Beerdigung über FaceTime mitverfolgen sollte, weil politische Ächtung keine Rücksicht auf Pietät und Schmerz hat in der Türkei.

Tod numero drei-wie soll man nun weitermachen?

Fethullah Gülen Hoacaefendi

Der letzte Tod liegt nur zwei Wochen zurück. Am 20 Oktober verließ Fethullah Gülen sein irdisches Dasein. Zehntausende nahmen an der Zeremonie in den USA teil, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. In einem Sport Stadium wurde eine Bestattungszeremonie vollzogen, die selbst die Vermieter des Stadiums stutzig machten. Über 20.000 Menschen, alt, jung, männlich, weiblich, türkisch- nicht türkisch, muslimisch- nicht muslimisch… Hocaefendi, wie er von seinen Schülern und AnhängerInnen der Hizmet Bewegung genannt wurde, war nicht nur ein Prediger, sondern ein Gelehrter. Er lehrte weit über die Grenzen der Türkei und der Muslime hinaus.

Ich verfolgte die Zeremonie und die Beisetzung vom Bildschirm, wie viele andere auch. Ich kenne Hocaefendi schon seit meiner Grundschulzeit und habe fast alles von ihm gelesen. Für mich ist er nicht nur ein Prediger. Wenn ich heute an eine Vereinbarkeit von Demokratie und Islam, an die essenzielle Notwendigkeit von Dialog glaube, mich für Frauen- und Minderheitenrechte einsetze, studiert habe und meine Töchter als emanzipierte Frauen erziehe, dann bin ich das Hocaefendi schuldig.

Ich hatte die Ehre, ihm zwei mal persönlich zu begegnen. Beim ersten mal, wollte ich unbedingt, dass unsere Begegnung von all seinen anderen Besuchsempfängen absticht. So habe ich mich kurzerhand nach dem Abschied in seinem Zimmer umgedreht und habe zwischen dem Koran, den ich unter meinem Arm hielt ein kleines Notizheft hervorgezückt und es ihm geschenkt. Es hatte einen Ledereinband und war handgemacht. Das Heft sah aus wie eine kunstvoll verzierte Mosaik Fliese. Während die anderen sich schon auf die Tür hin bewegten, ging ich wieder auf ihn zu und sagte zu ihm „es wäre mir eine große Freude, wenn Sie mein kleines Geschenk als Erinnerung an mich annehmen würden“ und legte es auf den Tisch vor ihn. Er schaute mich verwundert an. Ich drehte mich um und folgte den anderen, die mich etwas gestutzt anschauten. Ich stelle mir noch heute vor, dass er dass Heftchen in der Hand hält, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Und wenn wir uns im Jenseits wieder begegnen, werde ich ihm sagen „Hocam, wissen Sie noch, ich bin diejenige, die Ihnen dieses kleine Heftchen als Andenken schenkte, damit Sie mich hier wieder erkennen“.

Sein Tod mit 86 Jahren und vielen Krankheiten war zu erwarten aber dennoch für viele zu früh. Ich glaube es liegt in unserer Natur, dass jeder Tod zu früh kommt. Plausibel, wenn wir uns daran erinnern, dass unsere Seelen für eine Unendlichkeit bestimmt sind. Daher sehnen wir uns immer nach ewigem Leben. Es mag makaber klingen, aber ich bin froh. Er muss nun das Leid dieser Welt nicht mehr ertragen und hat keine Schmerzen mehr. Er ist nun endlich mit allen vereint, die er so vermisst hat. Umso mehr trauere ich um meinen Verlust. Nie mehr habe ich die Möglichkeit ihn zu besuchen oder Fragen zu stellen. Wahnsinnig gerne hätte ich noch seine Meinung zu Entwicklungen von Identitäten und Weltgeschehen gefragt. Es gibt nun nicht mehr die Möglichkeit ein persönliches Gebet einzuholen. Was bleibt sind aber seine Predigten, seine Bücher, seine Lehren und Menschen aus aller Welt, die ihn lieben und ehren… dieses Erbe reicht für mindestens ein Jahrhundert…

Drei Männer, die in meinem Leben eine Bedeutung haben, sind gestorben. Beim ersten nahm ich an der Beerdigung teil. Beim zweiten war ich am Sterbebett. Beim dritten hat ein wichtiger Teil in mir, Abschied von dieser Welt genommen…

Der Tod ist eine schöne Sache, dies ist die Nachricht hinter dem Vorhang… Wäre der Prophet gestorben, wenn er nicht schön wäre?

Necip Fazil Kısakürek

Vom Gastarbeiterkind zur Frau Doktorin

Das ist meine kleine Schwester Fatma. Ich kann mich noch wie gestern an den Tag im Juni 85 erinnern, als meine Eltern mit einer kleinen hellblauen Babytrage in die Wohnung kamen, diese vor das Fenster auf den Stuhl stellten und sagten „das ist eure kleine Schwester Fatma!“ Im Vergleich zu meinem Bruder war ich ich mächtig glücklich, denn ich wurde bereits mit seiner Nachfolge vom Thron geschubst, also litt ich nicht mehr wenn jüngere dazukamen. Aber das entscheidende Detail lag darin, dass ich nun eine Verbündete hatte. Ihn hatte ich auch lieb, aber eine Schwester hatte ich noch nicht- das war jetzt neu! Trotz sechs Jahren Altersunterschieds blieb diese innige Liebe. Klar haben wir auch gezankt, waren vom Wesen her unterschiedlich, haben es manchmal nicht ausgehalten ein Zimmer teilen zu müssen. Aber trotz Krisen und Tiefen überwiegen die Höhen und die Verbundenheit. Blut ist manchmal wirklich dicker als Blut!

Diese junge Frau hat gestern ihre Dissertation mit Bravur verteidigt! Sicherlich ist das nicht zwangsläufig ein Weltereignis und wahrscheinlich haben gestern neben meiner Schwester noch viele weitere Menschen diesen akademischen Grad erlangt. Allerdings ist gerade ihre Promotion für mich, meine Familie und viele weitere unseresgleichen ein so großer Schritt. Als wir uns gestern mit ihr unterhielten, in gemeinsamer Freude, sagte sie: wer hätte das gedacht! Wo doch immer in den Zeugnissen der Grundschule stand „Fatma ist verträumt- Schwierigkeiten dem Unterrichtsgeschehen konzentriert zu folgen- sprachlich ausbaufähig- eventuell wäre eine Ausbildung die bessere Alternative“ usw. usw. Wo stehen wir Jahre später? Am Summa cum laude! Sie hat einfach das System gesprengt. Laut Herkunft und selektivem Schulsystem sollte sie nicht studieren. „Wir brauchen auch Menschen, die eine Ausbildung abschließen, sie könnte doch Friseuse oder Arzthelferin werden“ lauten dann die Vorschläge im Beratungsgespräch in der Schule. Im Deutschunterricht klappt es auf brechen und biegen nicht, den Migrationshintergrund aus der Benotung rauszuhalten. Am liebsten entscheidet für manche nicht die persönliche Performance sondern die zugeordnete Bestimmung, wie im gleichnamigen Film, zumindest haben wir alle vier Geschwister die selbe Misere erlebt. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Schade nur, dass dieser Weg für manche so schwer und ermüdend ist!

Ich bin mächtig stolz auf dich Fatma! Nicht nur, weil du der erste Mensch überhaupt in der gesamten Familiengeschichte meiner Eltern bist, die diesen akademischen Grad erreicht hat, sondern weil es mit kleinem Kind, ohne finanzielle Unterstützung, mit Betreuungswechsel aufgrund unüberwindbarer Differenzen, trotz so vieler Gründe, die dagegen gesprochen haben, es trotzdem geschafft hast! Aus allen Steinen, die dir in den Weg gelegt wurden, hast du eine Brücke gebaut, aus allen Gruben, die dir gestellt wurden bist du raus geklettert, hast diese zugeschüttet, damit kein anderer nach dir reinfällt. Du bist DAS Best-Practise Beispiel überhaupt.

Ich sonne mich gerne in deiner Weisheit, Disziplin, deinem anti-kapitalistischen Frugalismus. Was doch aus diesem kleinen Baby in der Trage geworden ist. Du bist das lebendige Beispiel, dass am Ende alles gut wird, mit dem Glauben, der Berge versetzt. Ich feiere dich!

*Genauer Titel der Promotion wird nach der Ausstellung der Urkunde hier aufgeführt

WELTFRAUENTAG- VON FEIERN KANN NICHT DIE REDE SEIN

Heute wird weltweit der Frauentag mehr oder minder gefeiert. Es werden Nelken, Rosen und andere Blumen verteilt. In Berlin bleiben gleich alle zu Hause- es wurde ein Feiertag für die Andacht eingeführt. Vielerorts wird protestiert. Frauen und Unterstützer demonstrieren und wollen aufmerksam machen auf die weltweit facettenreiche Ungleich-Behandlung, sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und vieles mehr…. Spätestens am Montag haben sich alle wieder beruhigt, Normalität kehrt ein und die Probleme bleiben die gleichen….

Wir haben vor kurzem noch das 100 jährige Frauenwahlrecht in Deutschland gefeiert. Sicherlich kann man im internationalen Vergleich froh sein, in Deutschland als Frau zu leben und nicht in Ländern, in denen von Selbstbestimmung nicht die Rede sein kann. Vielmehr stellt das weibliche Geschlecht eine erhöhte Gefahr für Genitalverstümmelung, Vergewaltigung und Gewalt dar. Auch zählen weltweit mehr Frauen und Mädchen zu Analphabeten als Männer und Jungen. Bildung wird aufgrund des Geschlechts verweigert. Die Wahl des eigenen Ehepartners ist in patriarchalen Strukturen ein Ding der Unmöglichkeit.

Clara Zetkin forderte 1910  auf dem Zweiten Kongress der Sozialistischen Internationale in Kopenhagen auf, dass Frauenrechte keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte seien und stieß damit den internationalen Frauentag an. Umso mehr verwundert die fanatisch-idiotische Sturheit, dass Frauen sich gerne die Diskriminierung einreden würden oder gar das Bestreben hätten die gesamte Herrschaft an sich zu reißen und Männer hassen.  Für eine derartigen Haltung ist leider jeglicher Versuch der Diskussion vergeudete Energie- es bleibt nur die Hoffnung, dass diese Ideologie ausstirbt!

Mehr Widerspruch ist kaum mehr möglich!

Anfang dieser Woche wurden im Forbes Magazin die Erfolgreichsten der Erfolgreichen gekürt. Ganz vorne mit dabei die 21 jährige „Selfmade Milliardärin“ Kylie Jenner. Mit ihrem Make-up Imperium hat die junge Frau binnen kürzester Zeit ein Vermögen von 1 Milliarde US Dollar erwirtschaftet. Auf der anderen Seite protestieren gerade heute viele Frauen für ein sicheres und humanes Leben, ein Recht auf Bildung und für Sicherheit im Alter, um nicht mit Armut kämpfen zu müssen. An vielen Stellen der Welt ist ein prekäres Leben leider unumgänglich! Selbst wenn im Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10.12.1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) als Resolution verkündet wurde festgelegt wurde, dass alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren werden, greift dieses Menschenrecht immer seltener gerade bei Frauen.

Terre des Femmes hält fest, dass Menschenrechtsverletzungen an Frauen  unter anderem:

  • Handel mit Frauen auf der ganzen Welt als billige Arbeitskräfte, Katalogbräute und Zwangsprostituierte,
  • Nichtanerkennung der Verfolgung von Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit als Asylgrund,
  • Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen über ihren Körper,
  • z.B. Zwangssterilisationen und genitale Verstümmelung,
  • sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen,
  • Abtreibung von weiblichen Föten,
  • Zerstückelung und Vermarktung des weiblichen Körpers durch Gen- und Reproduktionstechniken.

umfassen.

Frauen, die aus benannten Gründen es schaffen zu fliehen, begegnen heute oftmals einer zweiten Entzauberung. Sie erfahren in den neuen Zufluchtsorten Intersektionalität,  d.h. Diskriminierung, die in mehrfacher Ebene greift.  Zu diesen Dilemmas kann man Stigmatisierung, Rassismus, Islamophobie u. ä. aufzählen. Ebenso unterbindet die Absprache von Emanzipation durch weiße Feministinnen jegliche Möglichkeit eines Neustarts in der Wahlheimat.

Umso mehr erscheint es gerade heute ungemein unrealistisch und falsch in Feierlaune von einem Feiertag zu sprechen und überall symbolisch Blumen zu verteilen. Wir haben zwar heute den Weltfrauentag im Jahre 2019- aber von feiern kann nicht die Rede sein!

Sharing Ramadan

Nun sind es nur noch 24 Stunden, bis der heilige Fastenmonat der Muslime, Ramadan zu Ende geht. Die Fastenzeit war 2018 für uns ganz besonders. Wir haben in diesem Jahr ausschließlich mit Nicht-Muslimen und Geflüchteten am Abend unser Fasten gebrochen, bekannt als „Iftar“. Unter dem Motto #SharingRamadan haben viele Muslime in den sozialen Medien Beiträge und Fotos von gemeinsamen Begegnungen geteilt. Denn Fasten heisst eigentlich nicht nur Verzicht auf Lebensmittel, Getränke und Genuss sondern Fasten heißt primär Besinnung, Disziplin, Umkehr und Teilen.

Wir möchten uns nochmals bei unseren wundervollen Gästen bedanken, die jeden Abend so unendlich bereichert haben. Kein einziger Abend glich dem anderen. Am Tisch herrschte Aufregung, Freude, Harmonie und Geschwisterlichkeit. Dabei waren gerade unsere Unterschiede und Differenzen der Grund der Bereicherung. Wie tollkühn der Mensch doch sein kann, wenn er denkt nur durch Gleichheit und Einfalt kann Schönes entstehen.

Viele Gäste haben ansatzweise versucht an dem Tag, an dem sie zum Iftar eingeladen waren, zu fasten. Diese Geste ist sehr nobel. Zumal man als Nicht-Muslim ja keinerlei „Zwang“ hat, dies zu tun. Man hat diesen „Zwang“ im übrigen auch als Muslim nicht, da das Fasten ein Gebet ist und zu den 5 Säulen des Islam gehört. Gebete werden bekanntlich für Gott gemacht und dazu kann man Menschen nicht zwingen, da es eine Art Kommunikation zwischen Mensch und Gott ist und Dritte nicht eingreifen dürfen.

Spannend und ebenso überraschend war es festzustellen, dass 90% unserer Gäste bisher noch nie zu einem Iftar eingeladen waren. Wir hatten also, wenn man das so bezeichnen darf, überwiegend „Jungfern-Fastenbrechen“ oder „Erstis“. Umso größer war für uns die Ehre, dass sie dies mit uns an unserer Tafel getan haben. Wie kann es aber sein, dass Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland seit Jahrzehnten zusammen leben und diese intensive Zeit noch nie gemeinsam zelebriert haben? Ich kann es mir eigentlich nur so erklären, dass auf beiden Seiten Hemmungen die Zusammenkunft hindern. Muslime denken sich oftmals „Deutsche essen nicht so spät und oft auch nicht warm am Abend- ergo lieber nicht stören. Außerdem könnte man die Einladung falsch verstehen, im Sinne von missionieren oder ähnliches“. Nicht Muslime glauben oft, dass Iftar nur für Fastende und Muslime gängig ist und gehen davon aus, dass sie aus Prinzip nicht daran teilnehmen können. Beidseitige Irrungen und Wirrungen haben wir dieses Jahr mit 23 Nicht-Muslimen behoben. Wir haben bereits Absprachen für das kommende Jahr! Spätestens 2019 essen wir wieder gemeinsam.

Eins ist sicher: auch Ramadan wird viel viel schöner, wenn man die Zeit gemeinsam teilt! Wie auch ein Gast bemerkte, ist das gemeinsame Warten auf den Gebetsruf bei Sonnenuntergang, der das Ende des Fastens für den jeweiligen Tag angibt, ein bisschen wie an Sylvester. Die Spannung steigt mit jeder verstreichenden Minute und am Ende gibt es selbst beim ersten Schluck Wasser eine Gefühls- und Geschmacksexplosion. Das wohlige Gefühl der Dankbarkeit umwickelt alle am Tisch und man kann mit Freunden das Essen genießen und ist sich über das Privileg, satt werden zu können, in vollem Ausmaß bewusst. In diesem Sinne Danke an alle!

Ein Plädoyer für die Pressefreiheit

 

Die Gedanken sind frei,

wer kann sie erraten,

sie fliehen vorbei

wie nächtliche Schatten.

Kein Mensch kann sie wissen,

kein Jäger erschießen,

es bleibet dabei:

die Gedanken sind frei.

Und sperrt man mich ein

Im finsteren Kerker,

das alles sind rein

vergebliche Werke;

denn meine Gedanken

zerreißen die Schranken

und Mauern entzwei:

die Gedanken sind frei.

(Deutsches Volkslied zur Gedankenfreiheit, 1780).

 

Heute ist Tag der Pressefreiheit. Die Welt feiert die Macht, die als fünfte (hier wird die allseits gegenwärtige kapitalistische Macht noch hinzugezählt) und regulierende Kraft in Staatssystem gilt. Ein aktueller Beitrag der Reporter ohne Grenzen zeigt jedoch, dass diese regulierende Instanz stark gefährdet ist. Selbst in den demokratischen europäischen Ländern häufen sich Hetze und Gewalt gegenüber Journalisten. Eine Rangliste von 180 Staaten macht deutlich, dass Staaten, die zuvor als Demokratie- gefestigt, Menschrechte- befürwortend und Meinungsfreiheit- bestärkend galten, auf ihren Rangreihen abgerutscht sind. Die Länder, die ihre Gesamtpunktzahl der Bewertungskriterien behalten oder gar vermehrt haben sind in der extremen Unterzahl. Die Liste wird eröffnet mit den Platzbesten Norwegen und Schweden und geschlossen mit Nordkorea. Deutschland macht Platz 15 und die USA Platz 45. Für zwei Staaten, die im Weltgeschehen so viel Einfluss und Macht haben, sind diese Plätze eher ein Armutszeugnis.

Man könnte nun glauben, dass unser globalisiertes und modernes Zeitalter, in dem doch jeder einzelne mittels Internet und Informationsüberflut bereits selbst als quasi-Journalist agiert und dass die Nachrichtenbeschaffung ein neues Format angenommen hat. Die Schranken und Zensuren können heute gar nicht mehr wie früher gelegt werden, jeder kann sie mannigfach umgehen, könnte man meinen. Das dem nicht so ist sieht man heute eigentlich eindeutig an zwei Fällen: Nordkorea und Türkei. Nordkorea hat sein ganzes Netz nach außen und nach innen komplett abgeschottet. Alle Bürger, die sich gegen diese Maßnahmen widersetzen, werden bestraft. Es gibt unzählige Menschen, die für ihre Texte auf ihren Blogs in Haft sitzen!

Besonders heikel ist es leider in der Türkei. In den vergangenen zwei Jahren hat sich das Land in ein riesiges Gefängnis abgewandelt. Es ist derzeit das größte Gefängnis für Journalisten weltweit. Mit den 180 Journalisten, die aktuell in Haft sitzen, könnte man mehrere Publikationen allein aus dem Gefängnis produzieren. In dem aktuellen Themenbeitrag von Anmesty International heißt es:

Massive und unrechtmäßige Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Türkei seit Ausrufung des Ausnahmezustands im Juli 2016 an der Tagesordnung“, sagt Janine Uhlmannsiek, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland. „Mehr als 180 Medienhäuser hat die Regierung schließen lassen, mehr als 120 Journalistinnen und Journalisten befinden sich in Haft und Tausende Medienschaffende haben ihren Job verloren. Die Pressefreiheit in der Türkei liegt seit fast zwei Jahren in Ketten.“

Es wird um konstanten Druck von außen gefordert:

„Die türkische Regierung missbraucht die weitreichenden Befugnisse, die sie durch den Ausnahmezustand erhält, um die Zivilgesellschaft zu unterdrücken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Damit verletzt sie die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit“, so Uhlmannsiek. „Die deutsche Bundesregierung muss – genau wie die internationale Staatengemeinschaft – weiter Druck auf die türkische Regierung ausüben: Die täglichen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei dürfen nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn die Regierung in Ankara prominente gefangene Deutsche freigelassen hat. Es gilt, deutlich Kritik zu äußern und die türkische Regierung zur Einhaltung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen aufzufordern. Die türkische Zivilgesellschaft und die freie Presse kämpfen ums Überleben. Dabei darf die internationale Gemeinschaft sie nicht alleine lassen.“

Dass Druck von außen in Idealfall etwas bewirken kann, sah man im Fall Deniz Yücel, der nach nichtveröffentlichten Gesprächen und Deals freigelassen wurde. Dass es aber auch ganz anders verlaufen kann, sieht man im Fall der Altan-Brüder: obwohl der europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Unrechtmäßigkeit der Haft verkündet hat, hat sich in der Situation der Journalisten nichts verändert.

Obwohl unzählige Journalisten gefangen sind, motivieren Beiträge und Mitteilungen gerade jener aus der Haft. Es hat den Anschein, dass dieser Zustand sie noch vielmehr bestärkt hat in ihrem Beruf, in ihrer Berufung. Die inhaftierte Journalistin Zehra Dogan  teilte zum Beispiel mit „Ich bin im Gefängnis aber ich bin keine Gefangene“.  Die Worte der jungen Dogan geben so viel Hoffnung und Mut, für Inhaftierte und all jene, die draußen auf sie warten: „Jeden Tag zeigen wir, dass Kunst und Journalismus nicht eingesperrt werden können. Wir werden unseren Kampf fortsetzen und weiterhin sagen „Journalismus ist kein Verbrechen“, bis alle Journalisten frei sind !“Wie heißt es doch so schön in dem Volkslied? Die Gedanken sind frei….

2018 hätte doch anders verlaufen sollen…

Ich weiß ehrlich nicht wie es euch geht, aber ich ertappe mich selbst immer wieder in schwerwiegender Hoffnungslosigkeit. Man braucht sich nur mal für einige Minuten in den sozialen Medien aufzuhalten. Ein Auszug von heute morgen:

  • Der Militäreinsatz der türkischen Armee in #Afrin: es gibt auf beiden Seiten bereits Tote- der Grund dieses Kriegseinsatzes ist völlig sinnlos und mit Milliarden anderen Lösungsansätzen wäre der „Konflikt“ ebenso lösbar- aber, nein, es muss Blut fließen. In den Moscheen beten sie für den Tod, den Tod für Glaubensgeschwister, denn die vermeintlichen Gegner sind auch Muslime (denn komischerweise wird immer extrem religiös und fromm argumentiert!!!). Ich verstehe einfach den Sinn für diesen nutzlosen Tod nicht. Krieg war noch nie und kann auch in Zukunft nicht die Lösung sein!
  • In den Flüchtlingslagern der Rohinka-Muslime aus Myanmar brechen Epidemien aus, tausende Kleinkinder und Erwachsene leiden unter akuten und ansteckenden Krankheiten. Die Videobeiträge kann ich nicht wirklich ohne emotionale Ausbrüche anschauen. Eine Mutter beklagt sich, dass selbst die Hilfebringenden sich nicht mehr in die Lager trauen, „alle rennen weg vor uns und haben Angst angesteckt zu werden“. So viel Leid und Schmerz- für was? und warum?
  • In einem asiatischen Land wird aus einem Abwasserkanal in der Straße ein kleiner Säugling rausgeholt. Es hat sich eine Menschentraube versammelt, um das Geschehene aus erster Reihe zu beobachten. Das Baby ist nackt und tot. Die Mutter hat es gleich nach der Entbindung in das Wasser geworfen und ertränkt. Hätte das Kind eine Überlebenschance wenn einer aus der glotzenden Traube für Mutter und Kind Hilfe angeboten hätte? Gibt es denn dort keine Menschen, die auch gerne ein „nicht-leibliches“ Kind ihr eigen nennen können?
  • Ungefähr einhundert kommerzielle Make-up/Mode-Tutorials berieseln unsere Wahrnehmung täglich… Junge Frauen und Männer, die als INFLUENCER uns die neuesten Trends nahe bringen, uns helfen, uns in Sachen Mode und Styling recht leiten, denn wir sind irregeleitet, wir wissen nicht was wir tun! Diese Influencer, und ja es klingt schon wie ein Virus-Infekt- denn genau so wirken diese Leute auch komischerweise, machen das natürlich alles nur für uns! Klar, dass man in diesem Sektor nicht über Geld spricht, also zumindest nicht, wieviel diese Einflussreichen dafür bekommen. Ich sage nicht, dass diese „Arbeit“ nicht wirklich hart und anstrengend ist. Oft müssen die Blogger oder Vlogger stundenlang Experimente an sich selbst aufzeichnen, mit anderen konkurrieren, niemals schlecht aussehen oder krank sein. Ich sage aber, dass diese „Arbeit“ total unsinnig und absolut nicht notwendig ist! Es gab mal eine Generation, die hat Lobeshymnen auf die Individualität geschworen. Heute sehen alle jungen Menschen gleich aus- viele heißen sogar gleich!

 

FAKT IST: 2018 soll wirklich anders laufen. Kommerz, Spaß und Sorglosigkeit  ist doch nicht alles im Leben?! Wie kann ich etwas uneingeschränkt genießen wenn ich doch ganz genau weiß, ja täglich sehe, wie schlecht es anderen geht? Natürlich heißt das nicht, dass ich mich in hilflosem Mitleid auflösen soll. Aber jeder kann sich in seiner bescheidenen Dankbarkeit üben und auf jeden Fall teilen und aktiven Einsatz für Bedürftige einbringen. Damit fängt man am besten bei den Menschen an, die gleich vor der eigenen Nase sitzen. Wann habt ihr zuletzt eure Großeltern, älteren Verwandten, Kranke besucht? Im Krankenhaus oder im Seniorenheim warten so viele alte Menschen auf Besuch, täglich aussichtslos! 

Heute schon eine gute Tat vollbracht?

Tücher ohne Köpfe- Deutschland holt Kopftuchdebatte aus dem Kühlfach

Houseroules:

1.Der Zwang zum Kopftuch, Hijab, Niqab etc. ist menschenrechtsverachtend und definitiv nicht im Sinne des Islam, steht daher ausserhalb der hiesigen Diskussion. Derartig patriarchale Machtmechanismen gehören verboten, der Einsatz gegen diese ist unser aller Aufgabe.

2. Im Gegenzug dazu gehört es aber auch zur freien Entscheidung einer jeden Frau, sich für das Tuch, in welcher Form auch immer, entscheiden zu dürfen, ohne die Freiheit, freie Wahl und Emanzipation dieser permanent abzusprechen.

3. Die Kleiderordnung dient nicht! der Entsexualisieurung  und Unterordnung der Frau. Das heutige Verständnis von Mode und Lifestyle stellt keine Divergenz zwischen islamischer Kleidung und Ästhetik und Schönheit. Vielmehr sollten hartnäckige KopftuchgegnerInnen sich eventuell den Aspekt einer spirituellen Kommunikationsform zwischen Frau und Schöpfer verinnerlichen.

4. Barbie ist mit Sicherheit nicht das beste ausschlaggebende Mittel für eine derartige Diskussion- oder vielleicht sollten wir eher von einer Polemik sprechen?!

 

Alle Jahre wieder kommt die Kopftuchdebatte. Immer finden die selben oder ähnlich gesinnte AkteurInnen einen Anreiz ihr Entsetzen dazu der Öffentlichkeit zu offenbaren. Anreiz im November 2017 eine Hijarbie: eine Sheroe- die Miniaturversion von Ibtihaj Muhammad. Eben jene, die schon seit 2006 für die Staaten an olympischen Wettkämpfen als Profisportlerin teilnimmt. Muhammad gilt als Rollenmodell für viele junge Frauen, da sie ein gutes Beispiel für Frauenkarriere in einer Männerdomäne und mögliche Teilhabe und Inklusion von Muslimas in der Mehrheitsgesellschaft ist. Man könnte meinen, alle würden sich für sie freuen. Leider erfährt aber Ibtihaj Muhammad, und solche wie sie,  gerade von Feministinnen und Frauenrechtlerinnen, die sich ja eigentlich für Frauen einsetzen, schärfste Kritik.

Kopftuch-Bashing als Werbung

Im Kanon sprechen die Gegner im selben Ton (nachlesbar aber nicht zu empfehlen im Beitrag von der Emma– übrigens erstaunlich viel gegen das Kopftuch publiziert und gar keine Pro-Beiträge zu finden). Die Angst steckt scheinbar tief im Mark! Wie oben in den Houseroules schon geschildert sind wir uns einig im Einsatz gegen die Zwangsverschleierung, die Entrechtlichung und Instrumentalisierung von Frauen.

Nun kennen aber die „GegnerInnen“ leider nun auch andere Beispiele aus ihrem persönlichen Leben. Sie haben genügend Zeit, sich im Privaten zu unterhalten, Einsichten zu sammeln und Abwägungen zu machen. Wenn aber danach dennoch an der bizarren und starren Haltung bestanden wird, ohne wenn und aber pauschalisiert wird, dann fehlt es eindeutig an Diskussionskultur und Weiterentwicklungsvermögen! Gerade jene wie Emma, Mansour und Ates sind durch ihre Tätigkeitsfelder eigentlich verpflichtet auch die andere Alternative zumindest zu erwähnen. Sie müssen diese nicht gut heißen, mögen oder vermarkten. Allerdings müssen sie als Aktivisten für Frauen- und Menschenrechte auch die Rechte von Frauen, die sie an den Pranger stellen möchten, schützen. Oder kann man sich mittlerweile schon durch einen selektiven Einsatz profilieren? Frauenrechtlerinnen müssen sich für die Rechte aller Frauen- auch für jene, die aus freien Stücken sich islamisch bekleiden möchten und daran gehindert werden, diskriminiert werden, einsetzen. Oder sind wir etwa keine Frauen, wie schon Soujorner Truth fragte „Ain’t I a Woman?“. Wie kann eine Akteurin sich als Imamin verstehen, aber nicht bereit sein, einen beachtlichen weiblichen Teil der Ummah so derartig abzuwerten und zu missachten?

Der Blick auf den Kopf unter dem Tuch lohnt sich- definitiv!

Unsere pluralistischen Gesellschaftsformen stellen uns vor neue Herausforderungen. Eine gemeinsame, im Dialog verankerte mit Diversität bereicherte Gesellschaft erfordert mehr Respekt, Toleranz und Teilhabe. Die Zugänge dürfen nicht selektiv und von Privilegien abhängig sein. Wir müssen heute in der Lage sein, Lebensformate unter den jeweiligen Konditionen betrachten zu können. Leider gelingt es den GegnerInnen der Kopftuchdebatte nicht die westliche Brille abzusetzen (Lesetipp Chandra Talpade Mohanty: Under Western Eyes) und sich das Leben des Gegenüber aus dem jeweiligen Standpunkt anzuschauen. Zwangsläufig pauschalisiert man und missachtet somit Rechte anderer. Man läuft Gefahr, dass koloniale Diskriminierungsansätze im 21. Jahrhundert zwanghaft am Leben gehalten werden. Traurigerweise fing die eigentliche Kopftuchdebatte, so auch die Soziologin Prof. Dr. Nilüfer Göle, erst an, als die ersten Frauen mit Kopftuch sich hochgearbeitet hatten von der Putzfrau zur Lehrerin oder Angestellten.

Erstaunlicherweise richtet sich die Kritik fast immer gegen jene Frauen, die die Teilhabe am Öffentlichen anstreben, erfolgreich sind oder für viele andere als Rollenmodell dienen. Letzen Sommer war es die Urlauberin am französischen Strand mit einem Burkini heute eine Spitzensportlerin. Gebasht werden also jene Frauen, die aktiv am Leben teilnehmen und auch in ihren eigenen Reihen und Communities eventuell vom Patriarchat „bekämpft“ werden. Also stellt sich die Frage, warum jene nicht von AktivistInnen für jene Rechte unterstützt werden, sondern nochmal in anderer Form erniedrigt und ausgegrenzt? Vorbildlich und wünschenswert wäre es manchmal, wenn jene Office-AktivistInnen mal raus auf das Feld gingen und tatsächlich sich für unterdrückte und geschändete Frauen einsetzen würden, sich gegen ihre entsetzlichen Männer aufstemmen würden und Einsatz und Courage bewiesen. Das bedarf aber viel Kraft und Einsatz- ohne Geld- bringt auch nicht genug Echo- ist also nicht PR-tauglich. Dann basht man also lieber diejenigen, die Früchte tragen, denn das verkauft sich immer gut!

Es wird gejagt und in die Fresse gehauen

„Was geschehen ist, ist geschehen! Nun sind wir in Deutschland und müssen hier weitermachen. Wir müssen an das Gute glauben und dafür arbeiten!“

Dieses Zitat stammt von einer geflüchteten Journalistin, die gestern auf einem Panel mit diesen Worten ihre Rede abschloss. Wie gerne hätte man ihr gesagt: ja genau, hier ist es möglich. Hier haben wir Demokratie. Die Menschen respektieren sich und gehen zivilisiert miteinander um. Tja, nach der Wahl und vor allem nach den jüngsten Aktionen von Politikern, dem Einzug der AFD, kann man eine derartige Aussage nicht glaubwürdig an den Mann oder an die Frau vermarkten.

Gauland jagt Merkel und Nahles haut in die Fresse. Nazis besetzen das Amt des Richters und lassen Gerechtigkeit walten. Antisemiten kommen in den Bundestag. Flüchtlinge sind sowieso nicht erwünscht. Ach ja und Ausländer müssen immer noch raus. Da gibt es zwar noch die Migranten, die integriert sind und einen deutschen Pass haben, aber leider kann man das auf der Straße nicht gut unterscheiden- eventuell Symbol an die Kleidung annähen?!

Man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Immer Liebe und Positivismus verstreuen. Den Kindern, der Zukunft zuliebe. Ja, aber wie? Keine Nachrichten mehr sehen- alle Diskussionen meiden- ein Haus im Wald bauen- sich in Watte verstecken? Klingt teilweise verlockend aber nicht für jeden machbar. Benötigt es denn für die Besinnung der Menschen immer einer Katastrophe, Apokalypse oder eines Weltkrieges? Tja, selbst da scheint unsere Spezies keine Lektion daraus zu lernen.

Man sollte tatsächlich als erstes an unserer Diskussionskultur arbeiten. Leben und leben lassen. Reden und reden lassen. Diversität als Bereicherung achten. Wenn wir nur ein Viertel von Mevlana’s Toleranzverständnis verinnerlichen könnten… Man müsste wohl im Kindergarten mit Konzepten ansetzen, die Themenschwerpunkte Menschenrechte und Liebe beinhalten. Man kann damit nicht früh genug anfangen. Hass darf keine Fläche finden um seine Sporen zu streuen.

Ja, es scheint extrem aussichtslos und die Hassenden haben sowieso vielmehr Erfolg und Spass. Gut und nett und ehrlich sein sind irgendwie Oldschool und out. Und nichtsdestotrotz müssen wir weiter machen. Gerade deshalb und eben drum. Geht liebevoll miteinander um!

Wer die Wahl hat, hat die Qual #Wahl2017

Anlässlich der heutigen Wahl schreiben wir das Wort nicht am Freitag sondern mal am Sonntag. Heute haben alle Wahllokale geöffnet. Wer also nicht vorher per Briefwahl gewählt hat der sollte, lieber schneller als „mach ich gleich“, ins Lokal huschen.

Die Wahl 2017 hat irgendwie so ihre Tücken, finde ich. Auf der einen Seite haben wir zwei Kanzlerkandidat*innen, die sich im TV Duell so geähnelt haben und so harmonisch waren, dass es mehr von einem Duett hatte als von einem Duell. Auf der anderen Seite haben wir eine riesengroße braune Lawine die droht, über das Land zu rollen. Zwar versuchte Frau von der Leyen noch am Freitag beim Frühstück beim MoMa im ARD zu beruhigen und sagte, dass die AFD wohl in den Bundestag einziehe aber da ihr jegliche Inhalte zu Bildung und Rente fehle, werden wohl die populistischen Wähler dann wach werden und es hätte sich dann mit der AFD ausgeträumt. Das mag vielleicht so schon zutreffen aber vier Jahre AFD, was heisst das für uns? Vier Jahre bedeutet komplett Grundschule, Grundstufe auf dem Gymnasium oder Ankommen in Deutschland- Asyl beantragen und abgeschoben werden ohne das Land kennenzulernen oder der Sprache irgendwie mächtig zu sein. Vier Jahre Traumphase sind definitiv zu lange.

Auf der anderen Seite haben wir im internationalen Diskurs solch eine „bad Karma“ Konstellation- im Mittelalter hätte man von  schlechten Sternkonstellationen gesprochen. Wer weiß, ob jetzt nicht doch demnächst der 3. Weltkrieg einbricht, oder so viele Menschen wegen Folter, Hunger und Krankheit sterben, weil wir unser Grundrecht an Leben nicht teilen wollen. Es sieht im Gesamtkontext nicht gut um die Welt aus! Gerade deshalb müssen wir wohl umso mehr Einsatz für Demokratie und Menschenrechte bringen- nicht nur so als Hobby sondern in Form von Lebensphilosophie. Caroline Emcke sagte dazu mal in einem Vortrag:“ unsere Freiheit und Rechte werden nicht weniger, wenn wir diese auch für andere verlangen und gelten lassen“. Wie wahr!

Wir sind unserer bürgerlichen Pflicht nachgegangen, haben von unserem demokratischen Recht Gebrauch gemacht und waren wählen, bitte tut das auch! #gehtwählen #wahl2017 #BTW17 #Bundestagswahl #Merkel #Schulz #Deutschland