Welcher Lehrer prägte uns auf dem Gymnasium Maria Stern?

Schule

Das Kopftuchverbot ist seit kurzem aufgehoben und Debatte dreht sich nur noch um das Stück Stoff. Die Urangst, dass viele kleine Kinder nun mit Kopfbedeckung in den Schulreihen sitzen, weil sie alle von ihrer Lehrerin mit Kopftuch geprägt sind, scheint nicht nur ein Gerücht zu sein. Ob wir inhaltliche Probleme in unserem Schulsystem haben, scheint momentan niemanden zu interessieren. „Mit“ oder „Ohne“ das ist hier die Frage,à la Shakespeare. Aber ist diese Angst berechtigt? Kann es tatsächlich sein, dass ein Lehrer mit seiner religiösen Haltung und seinem Kleidungsstil prägt? Oder präziser gefragt: Welcher Lehrer prägt?

Ich habe neun Jahre meines Lebens auf einem katholischen Mädchengymnasium verbracht. Man sieht es mir nicht wirklich an, aber im Grunde genommen bin ich stock-katholisch. Ich kann immer noch das Vaterunser auswendig und Dona nobis pacem kann ich einwandfrei singen. Dennoch bin ich nicht Klosterschwester geworden. Nicht nur ich bin es nicht geworden, keine von den anderen Schülerinnen hat sich für diesen Weg entschieden.

Der Beruf des Lehrers ist ja so kein Beruf sondern eine Berufung. Manch einer verbringt ja mehr Zeit mit seinen Lehrern als mit seinen Eltern. Was aber von diesen Lehrern nehmen wir mit ins Leben? Gibt es da auch etwas persönliches, etwas privates, was man vom Lehrer übernimmt?

Flashback: Gymnasium Maria Stern

Ich streife durch meine Jahre am Gymnasium Maria Stern. Pro Jahr im Schnitt 10 Fächer mit mindestens 8 verschiedenen Lehrern. Die These ist, nichts kann im Schulbetrieb absolut objektiv sein, denn auch das Objektive wird durch unser Subjektives gelenkt. Dennoch beeinflusst bei professionellen und wirklich guten Lehrern das Subjektive lediglich die Art wie sie ihren Stoff und ihr Fach vermitteln. Ihr privates Leben oder ihre persönlichen Vorlieben bleiben im Hintergrund. Je mehr sich ein Lehrer für sein Fach berufen fühlt, je stärker seine Muse dafür ist, umso intensiver und interessanter kann er es auch vermitteln. Was sein Sternzeichen und seine Konfession dabei ist, ist absolut irrelevant.

Wer prägte uns damals…

Alle Absolventinnen des Gymnasiums Maria Stern werden nun genau wissen wen ich meine, die breite Masse darf sich alles imaginär vorstellen.

Frau P.

Begnadete Biologie und Chemie Lehrerin. Nicht verheiratet, keine Kinder. Zog immer nur Hosen an, ich habe diese Frau tatsächlich kein einziges mal mit einem anderem Stil gesehen. Gleicher Haarschnitt, gleicher Hosenschnitt, Bluse oder Poloshirt. Sie ist die einzige, die ich kenne, die auf den Galapagos Inseln war. Sie berichtete von ihrer Reise und wir waren alle hin und weg.  Mit ihr haben wir zum ersten mal am Bunsenbrenner mit Laborkittel und Schutzbrille experimentiert. Ach ja, das Ochsen-Auge hatten wir auch bei ihr auseinander genommen.

Frau G.

Sie hätte Mozarts Schwester sein können. Ich glaube sie hat fast jedes Instrument gespielt. Ihr blondes Haar war immer kreativ gelockt. Interessant war, dass sie angeblich 100 Paar Schuhe hatte, da ihr Vater ein Schuhgeschäft hatte. Sie leitete die Schulband und führte auch mal moderne Stücke mit Schlagzeug und Co. im Schulkonzert auf.

Schwester A.

Mathe und Musik. Schöne Kombination könnte man sich denken. Ihre feine Statur kam auch immer wieder im Unterricht zum Vorschein. Es hatte wohl keiner ihrer Schülerinnen über das Herz gebracht, ihr zu sagen, dass Mathe ein Fehlgriff war. Sie hatte es sich selbst irgendwie beigebracht, aber den anderen konnte sie es leider nicht so gut vermitteln. Ganz anders in Musik. Da ging Schwester A. richtig auf.

Herr Z. 

Vieles was Herr Z. sagte verstand ich einige Minuten danach, er hatte einen sehr starken bayerischen Akzent. Die Kunst war sein Ding. So begabt und ganz und gar in seinem Element. Nach vielen Jahren wurde im Neubau das obere Stockwerk als Kunstbereich erweitert, wo Herr Z. Ideen einbringen konnte. Helle Räume ganz oben mit breiten Holztischen. „Licht und Ruhe, das braucht man zum Malen!“ sagte er immer.

Frau R.

Deutsch und Geschichte waren ihre Fächer. Sie hatte einen Mann, eine Katze und keine Kinder. Diese kleine und zierliche Frau war quasi immer in Trachten Mode unterwegs (das Gegenstück zu Frau P. in puncto Mode). Wir haben sie in den ganzen neun Jahren nicht in Hosen gesehen. Immer absolut modisch, immer mit einer Uschi Glas Kurzhaarschnitt Frisur.

Frau N.

Sie war höchstwahrscheinlich zu ihrer Jugendzeit ein Hippie, das ließ zumindest ihr etwas chaotischer Kleidungsstil vermuten. Sie unterrichtete Geschichte und (?). Sie hatte eine Adoptivtochter. Wenn sie aufgeregt erzählte, strahlten ihre großen blauen Augen.

Herr A. 

Erdkunde und Wirtschaft waren seine Fächer. Es gab an unserer Schule auch eine Frau A., die Ehefrau. Eigentlich gab es an unserer Schule erstaunlich viele Lehrer-Ehepaare. Herr A. war ein ruhiger und genüsslicher Mensch. Im Wirtschaftsunterricht  kamen fast ausschließlich Leberkäse Beispiele.

Was ist von all dem hängengeblieben?

Wie man sieht war das Lehrerkollegium sehr bunt und unterschiedlich. Wir haben uns alle für ganz unterschiedliche Berufe entschieden von der Anwältin, der Biologin zur selbständigen Marmeladeverkäuferin ist alles vertreten. Wir haben uns für die Themen und Inhalte begeistern lassen. Was wer angezogen hat, wie jemand politisch eingestellt war oder welcher Konfession er angehört, blieb da wo es hingehört, bei seinem Eigentümer. Wir haben unsere Lehrer, so unterschiedlich sie auch waren, alle gern gehabt, egal ob Ordensschwester, Sportskanone, Biergarten-Fan oder Faschionista. Was zählt ist der Inhalt und nicht die Verpackung 😉

Fotoquelle : © S. Hofschlaeger / pixelio.de

Flug 4U9525

Flug 4U9525

Der Flug 4U9525 der Fluglinie Germanwings ist gestern abgestürzt. Dieser Satz lässt sich so kurz und nüchtern niederschreiben. Mit dem Absturz haben 150 Leben ein abruptes Ende gefunden. Manch einer wollte schon gar nicht mehr so einfach ins Flugzeug steigen, nach dem die Nachrichten es ankündigten. Fakt ist jedoch, dass alle ziemlich schnell wieder in ihren Alltag zurückfinden werden. Nur diejenigen, die gestern am Düsseldorfer Flughafen vergeblich auf ihre Liebsten warteten wohl kaum.

Jede Einzelne Lebensgeschichte

Mit der Zeit kommen unterschiedliche Geschichten über die Insassen des Flugs 4U9525 ans Tageslicht. Wir wissen jetzt, dass eine Schulklasse, 16 Schüler und 2 Lehrer mit an Board waren. Sie hatten in Spanien bei einem Austausch mitgemacht. Oder aber die schwangere Frau, die nicht mitfliegen konnte, aber ihren Mann im Flugzeug hatte. Die Witwe steht nun mit drei kleinen Kindern im Alter von 3-7 und einem Ungeborenen da. Und viele andere einzelne Lebensgeschichten, die allesamt mit an Board waren, die noch so viel vorhatten, und so viele trauernde Menschen hinter sich gelassen haben.

Flugbegleiter sterben nicht, sie fliegen in den Himmel

Es waren wohl 6 Flugbegleiter im Flugzeug. Die Zahlen der Passagiere und Mitarbeiter variieren stündlich. Der Beruf ist mit Sicherheit nicht einfach, man kennt die Risiken, aber dennoch geht man wohl nicht davon aus, dass man selbst davon betroffen werden könnte. Eigentlich treffen die schlimmen Sachen ja eh immer die anderen. Man selbst bleibt zum Glück verschont. Nicht für die Flugbegleiter des Flugs 4U9525. Das war ihr letzter Flug. Ein Kollege sprach gestern „Flugbegleiter sterben nicht, sie fliegen in den Himmel“.

Pressekodex!?

Ich weiß nicht was schlimmer ist: das so viele Menschen gestorben sind oder das es tatsächlich auch Menschen gibt, die versuchen über dieses Leid Profit zu machen. Ich denke der Tod dieser Menschen ist fürchterlich und die Arbeitsweise ist einfach erbärmlich hässlich. Keiner aber auch keiner möchte wissen wie die aktuellen Bilder aussehen oder per live Übertragung weinende und trauernde Angehörige sehen. Es ist einfach unmenschlich mit dem Schmerz anderer so plump und taktlos umzugehen. Wir Journalisten müssen heute vielmehr denn je auf Wort- und Bildwahl achten. Nicht nur in diesem Fall sondern generell muss es in dem Produzierten Material der  Journalisten einen starker humaner Bezug auffindbar sein. Manch einer verfängt sich in der Objektivitätsschleife. Ein anderer zerschlägt regelrecht aus Eifer als Erster im Dschungel von Konkurrenten empor zu steigen jeglichen Kodex. Lasst uns zur Besinnung kommen, zumindest diesmal, zumindest heute!

 

Ich wünsche allen Verbliebenen viel Kraft um den Schmerz zu überwinden. Der Tod ist nur der Umzug an einen anderen Ort, an dem wir inshallah alle wieder vereint sein werden.  

Hinter der Fassade

Lehrerinnen werden künftig mit Kopftuch unterrichten können. Die Aufhebung des bisherigen Verbots vom Bundesverfassungsgerichts hat in der vergangenen Woche für viel Diskussion gesorgt. Bei den Betroffenen wurde laut aufgeatmet und Feierstimmung machte sich breit. Die Gegner haben mit alten Argumenten argumentiert und brachten wieder sehr viel Unverständnis mit. Ja, und dann gab es noch solche, die bisher keine Äußerung zu diesem Thema von sich gaben und sich nun zu den ersteren positionierten und über die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser Entwicklung aussprachen. Fakt ist, dass die offensichtliche Diskriminierung Muslimischer Frauen, denn dieses Verbot griff nur auf solche, nun ein Ende haben könnte. Es gibt keine genaue Zahl, die betroffene Frauen erfasst. Oft führen Frauen, die auf Grund ihres Kopftuches negative Erfahrungen auf dem Arbeitsplatz gemacht haben auch ein Doppelleben, das heißt, Kollegen wissen nicht, dass diese Frau im Privaten ein Kopftuch trägt. Allein in meinem Umfeld gibt es Dutzende Frauen, die Lehrerin sind und eigentlich ein Kopftuch tragen. Bei manchen geht es bis zum Parkplatz der Schule mit, bei manchen bleibt es ein behütetes Geheimnis. Welchen starken Strapazen diese Frauen ausgesetzt sind, und welche Bürde sie auf sich nehmen, um ihren Beruf auszuüben, will ich aus drei verschiedenen  Perspektiven wiedergeben. Die Namen wurden zum Schutz dieser Frauen geändert!

Sibel

Sibel wollte schon immer Lehrerin werden. Sie hat es auch irgendwie im Blut. Sie zählt wohl zu denjenigen begnadeten, die keinen Beruf ausüben sondern eine Berufung haben. Schon im Studium wurde sie oft darauf angesprochen, was sie denn nun mit ihrem Tuch machen wolle. Aber darüber wollte sich Sibel damals keinen Kopf machen, denn insgeheim hoffte auch sie, wie jede ihresgleichen, dass dieses Verbot irgendwann wieder ein Ende findet. Am besten noch bevor sie fertig ist mit dem Studium. So kam es jedoch nicht. Sibel war fertig mit dem Studium und sollte mit ihrem Referendariat beginnen. Im Grunde bestand die Möglichkeit eigentlich das Referendariat auch mit Kopftuch durchzuziehen. Allerdings hatte sie von Kommilitoninnen erfahren, dass es in ihrem Vorort zu schlimmen Auseinandersetzungen gekommen war. Die Schulleitungen, Kollegen und auch Eltern hatten Schwierigkeiten damit; es hieß in einem Schreiben „unüberwindbare Differenzen“. Sibel hatte sich vorgenommen das Tuch schon während des Vorstellungsgesprächs abzulegen und in einem kurzen Nebensatz zu erwähnen, dass sie im Privaten eins trage. Das Gespräch lief gut, beide Seiten fanden Gefallen aneinander, und die Tatsache, dass Sibel’s Ehemann bereits seit einigen Jahren an dieser Schule unterrichtete, war sicherlich auch förderlich. Dieser Vorteil sollte sich jedoch bald als „schweres Unterfangen“ darstellen. „Wir haben darüber gesprochen, als der Starttermin näher rückte. Ich weiß nicht für wen es schwieriger war, für mich oder meinen Mann. Ich fühlte mich so kahl und entblösst und er so hilflos und ohnmächtig. Wir haben es geschafft uns eine Woche lang im selben Gebäude aus dem Weg zu gehen. An diesem Tag, an dem wir uns das erste mal begegneten, auf der Arbeit, ich kann das gar nicht beschreiben. Die Stunde war rum, ich stand am Flur und wollte in meine Klasse. Es liefen einige Schüler umher und am Ende des Flurs stand plötzlich mein Mann. Für einen Moment blieben wir beide stehen und sahen uns an. Es war als ob die ganzen Schüler um uns herum waren plötzlich nicht mehr da wären. Dieser Anblick hat so weh getan! Ich wusste wie sehr ihm dieser Anblick weh tat, und er wusste wie schwer mir der Umstand fiel. Wir konnten uns jedoch nicht helfen. Wir liefen aneinander vorbei, beide mit Tränen in den Augen“. Sibel und ihr Mann besprachen ihre Situation nach Tagen und beschlossen zu versuchen dem Ganzen „Normalität“ zu verleihen. Sie haben versucht den „Schmerz“ auszublenden. Manche konnten den Jubel um die Aufhebung des Verbots nicht verstehen. Können sie wohl auch nicht, wenn man sich nicht hinter die Fassade begibt.

Yasemin

„Ich möchte Kinder unterrichten. Ja klar ist der Anreiz auch da, die erste tolle Persönlichkeit ausserhalb der Familie sein zu können auch recht groß“ grinst Yasemin. Eine junge Frau, die viel im Leben geschafft hat. Aus einer bildungsfernen Familie hat sie es als erste geschafft ein Hochschulstudium zu absolvieren. Der klassische Einsteigerberuf- Lehrer, hat es ihr von Anfang an angetan. Sie geht in ihrem Beruf auf. An der Pinnwand neben ihrem Schreibtisch explodiert quasi eine Bilder und Postkarten Invasion ihrer Schüler. Sie ist offensichtlich beliebt. Ich will wissen woher sie die Energie findet, zumal es ja mit der heutigen Jugend nicht immer so einfach ist, und wie sie damit klar kommt, dass sie ja eigentlich ein Doppelleben führt. Denn ihr Schulbetrieb weiß nicht, dass Yasemin eigentlich praktizierende Muslima ist, das heißt ausserhalb der Schule eigentlich auch ein Kopftuch trägt. „Ich liebe meine Kinder, meine Schüler sind wirklich wie meine Kinder. Ich möchte jedem einzelnen eine Chance für ein gutes Leben ermöglichen. Ich bereue meine Entscheidung für diesen Beruf nicht, trotz allem nicht. Ja, mein Kopftuch (Sie lacht und macht eine kurze Pause). Sie können es sich ja eigentlich schon denken, ich meine ich habe auch im Sommer immer lange Sachen an. Ich trinke keinen Alkohol. Ich habe eigentlich immer auf so eine Anspielung gewartet aber bisher kam nichts. Am Anfang war ich fast panisch. Ich habe öffentliche Räume, Einkaufszentren und ähnliches gemieden. Mit anderen Augenkontakt stark gemieden. Ich habe mich manchmal echt wie ein Bankräuber auf der Flucht gefühlt. Ich musste mir ständig zureden, dass ich nichts illegales mache. Aber das Gefühl hielt an bis ich eines Tages beim Einkaufen einen Arbeitskollegen antraf. Ich habe ihn mit meinem Einkaufswagen angefahren. Er sah kurz rüber, ich entschuldigte mich stotternd. Er erkannte mich einfach nicht! Ich war so schockiert. Ich hatte wirklich ein Doppelleben. Meinen Kollegen habe ich es immer noch nicht gesagt aber nach dem Vorfall habe ich mich einige Tage intensiv damit und mit mir auseinandergesetzt. Ich kam zu dem Entschluss, dass der Grund für mein Verhalten mit einer Angst verbunden war. Ich habe hart im Studium gekämpft, mir fiel eben manches nicht so einfach, weil ich es zu Hause nie so gelernt habe. Ich liebe meinen Beruf. Und ich glaube ich hatte einfach so viel Angst, dass man es mir wegnimmt wegen etwas was ja auch zu mir gehört. Ich war einfach enttäuscht, dass man mich nicht so akzeptieren wollte wie ich bin. Aber ich bemerkte, dass diese Menschen mich nicht einmal erkannten. Mittlerweile bin ich an dem Punkt dass ich wie bei der Margarine Werbung sage- ich will so bleiben wie ich bin“.

Fatma

Fatma ist eine Kämpfernatur. Sie ist ohne Zweifel eine ganz besondere Persönlichkeit. Nicht nur aus diesem Grund passt sie hervorragend in dieses Berufsbild. Der Schulleiter der Schule, an dem Fatma ihr Referendariat machen sollte war nicht der selben Meinung. Er machte sofort am ersten Tag eine diskriminierende Bemerkung zu Fatma’s Kleidung. Da allerdings das Verbot nicht in die Ausbildungszeit eingreift konnte er juristisch nichts gegen sie aufführen. Er entschied sich für die andere Alternative: Mobbing. Ein Jahr lang wurde Fatma schikaniert, bloßgestellt und angegiftet. Er hatte keine Schwierigkeiten seine Antipathie gegenüber Fatma zu äußern. Fatma hatte es mit dem Gespräch versucht, ohne Erfolg! „Es ist mir egal wie sie das nun verstehen. Ich habe ein Problem damit! Ich habe ein Problem mit Ihnen! Ich werde wahnsinnig mit dem bloßem Gedanken, dass eine wie sie wohlmöglich mein Enkelkind irgendwann unterrichtet! Ich werde alles in meiner Macht stehende in Gang setzen, damit sie nicht fertig werden!“ Wahre Worte! Er schloss sich mit Kollegen zusammen und Fatma musste die Schule wechseln, ja sogar das Bundesland. Von neu anfangen fiel Fatma schwer. Sie hatte sich sogar entschieden wie einige Freundinnen aus dem Studium, ganz damit aufzuhören. Das passte jedoch nicht zu ihr. „Jetzt erst recht!“ dachte sie sich, leitete rechtliche Schritte gegen den Direktor ein und machte sich auf ihren Weg. Heute ist Fatma Lehrerin und glücklich in ihrer Berufung. Die Erinnerungen jedoch werden ein Leben lang bleiben.

 

Liebe Sibel Kekilli…

Dies ist eine fiktive Antwort auf Sibel Kekilli’s Rede am Berliner Schloss Bellevue vom 6. März 2015, die in der FAZ veröffentlicht wurde. Da derartige Texte wie meiner sich nunmal nicht so gut verkaufen, klingen meine Worte auf meinem Blog für meine begrenzte Leserschaft. Das ist jedoch kein Problem- Hauptsache ich habe ihr geantwortet! 

 

Liebe Sibel,

ich habe deine Rede gelesen und bin betrübt, dass du solch traurige Erfahrungen machen musstest. In der Tat ist es heute nicht ganz so einfach eine Frau zu sein. Auf der ganzen Welt sind wir noch am erkämpfen von Grund- und Menschenrechten. Selbst in Ländern, in denen wir juristisch gesehen unsere Rechte haben, hinkt es in der realistischen Umsetzung.

Die Grundmotivation deiner Rede ist deine innere Unzufriedenheit, deine Hin- und Her Gerissenheit und deine Wut. Letzteres entsteht hauptsächlich, wenn man sich gehindert oder nicht zulassen fühlt. Du schreibst :“Warum vertreibt ihr mich? Warum muss ich weg, wenn ich nicht den mit Regeln vollgepflasterten Weg gehe, den ihr mir aussucht. Warum wollt ihr mir ein Korsett aus starren Regeln und Pflichten überstreifen und immer fester schnüren, wenn ich so doch nicht mehr atmen kann? Wieso könnt ihr Freiheit nicht einfach als Wert für alle anerkennen? Ihr müsst mich und meine Wünsche ja nicht unbedingt verstehen, sondern respektieren. Ich bin ein Individuum. Warum nur ist euch die Außenwirkung in der Gesellschaft wichtiger als das glückliche Leben eurer Tochter, Schwester oder Frau?“ Liebe Sibel, das Korsett hast du doch längst weggeworfen! In der Kunst hast du doch deinen neuen Sauerstoff gefunden! Durch deine Filme hast du doch deine Lebenswelt neu definiert! Warum also diese Qual!?

Andere Männer

Ich wünschte du hättest die Möglichkeiten an Erfahrungen gehabt, die ich und noch viele andere Muslimas tagtäglich mit „unseren Männern“ erleben.  Ich bin die Erstgeborene meiner Familie. Das erste Kind ist immer wie eine Premiere. Man ist aufgeregt und gespannt. So waren es auch meine Eltern. Am Tag meiner Geburt kam mein Vater mit 100 roten Rosen ins Krankenhaus. Alle auf der Station haben sich gefragt, wer denn die Glückliche sei. Dieses Glück wurde jedoch am nächsten Tag betrübt. Freunde meines Vaters belächelten ihn und sagten, dass ein echter Mann einen Sohn bekommt. Mit 24 Jahren lässt man sich manchmal Flöhe ins Ohr setzen, so auch mein Vater. Er distanzierte sich von mir. Diese Distanz gelang ihm jedoch nur wenige Monate. Denn als ich anfing Laute von mir zu geben, mein tollstes Hollywood-Baby-Face in Einsatz  brachte, erweichte sein Herz. Diese Geschichte hat er mir nach Jahren selbst erzählt. Ich konnte mich an nichts erinnern, dennoch konnte ich das tiefe Bedauern in seinem Gesicht sehen. Er hatte sich die Zeit genommen, über alles nachzudenken und nachzulesen. Er stellte fest, dass weder unsere Kultur noch unsere Religion eine derartige Abstufung von Töchtern vorsah. Im Gegenteil: mit der Geburt einer Tochter kommt Wohlstand und Allah’s Schutz in dieses Haus. Der Prophet Muhammed s.a.v. verspricht im Jenseits die Nachbarschaft mit denjenigen, die zwei oder mehrere Töchter „gut“ erziehen. Mit „gut“ ist hier die weltliche und geistige Ausbildung gemeint. Mein Vater nahm sich das zu Herzen. Er tat Buße indem er seine Kinder, egal ob Junge oder Mädchen mit identischen Rechten und Pflichten „belastete“. Er gab mir immer das Gefühl, ich könne werden was ich wolle, wenn ich daran glaube. Mein jüngerer Bruder wurde nicht bevorzugt; er sah in mir einen gleichwertigen und ernstzunehmenden Konkurrenten. Für Kinder ist das in der Entwicklung sehr sehr wichtig. Mir wurde auch nicht vorherbestimmt mit wem ich zu heiraten habe. Ich habe meinen Mann meinem Vater selbst vorgestellt.

Die muslimische Gesellschaft und ihre Beziehung zur freien Frau

Du schreibst auch „Was ist denn so bedrohlich an einer freien Frau? Warum wird sie von der eigenen Familie und der muslimischen Gesellschaft klein gehalten? Warum habt ihr Angst vor einer selbstbewussten Frau? Warum versteht ihr nicht, dass Freiheit nichts Bedrohliches hat, dass sie einem nichts tut, sondern nur eine Chance auf Selbstentfaltung bedeutet.“ Dem kann ich so nicht zustimmen. Dir ist sicherlich bewusst, dass es nicht die muslimische Gesellschaft geben kann. Weltweit gibt es Muslime und alle sind von ihren kulturellen und territorialen Gegebenheiten gefärbt. Auch ist eine freie Frau für den Islam und für die Muslime keineswegs eine Bedrohung. Ganz im Gegenteil. Eine freie Frau wird um jeden Preis den Schatz der Freiheit wahren und schätzen und sie wird alles in die Gänge leiten, wenn sie auf eine Unfreie trifft um ihr zu helfen. Somit sind freie Frauen doch einzigartige Aktivistinnen der Gesellschaft die sich einbringen. Ich und viele andere meinesgleichen sind frei in ihrem Leben und frei in ihrer Beziehung. Ich danke heute Allah, dass ich die Ehre habe mein Leben mit einem wundervollen Mann zu teilen, der mich ehrt und schätzt und an mich glaubt, selbst in Momenten, in denen ich mich bereits aufgegeben habe. Ich erfreue mich täglich wenn ich miterleben darf, welch glückliche und liebevolle Beziehung er mit unseren beiden Töchtern hat. Sie werden einmal starke und kluge Frauen werden. Nicht weil sie starke Mutter haben sonder weil sie einen wunderbaren Vater haben.

Du sagst dass du „kümmerlich“ eingehst, weil dir „die Kraft fehlt“ gegen uns „und eine ganze Kultur zu stellen. Denn die muslimische Kultur kann gnadenlos sein“. Weißt du, ähnlich ergeht es mir/uns, wenn ich/wir an dieser Massenexplosion von Diffamierung, Kränkung und Unwahrheiten „aus den eigenen Reihen“ erschlagen werden. Kein Tag vergeht, an dem nicht an uns gezerrt und geschubst wird. Man redet immer über uns, aber niemals  mit uns. Ich bin es manchmal Leid, mich ständig von Ereignissen distanzieren zu müssen und stets für Klarstellung zu sorgen verpflichtet zu sein. Es macht mich traurig zu sehen, dass du ein derart kaputtes und deformiertes Bild vom „Islam“ und von „der muslimischen Kultur überliefert bekommen hast. Mein Bild ist ganz hell und warm. Wenn ich meine Augen schließe und in mich hineingehe dann habe ich einen Schöpfer der mich mit allen meinen Makeln kennt und dennoch liebt, einen Propheten, der selbstlos für mich da ist und mir meine dunkelsten Wege erhellt. Wenn ich meine Augen öffne dann sehe ich meinen Mann, der mir sagt „ich bin mit dir hier und jetzt und auch im Jenseits“.

 

 

Weltfrauentag- zwischen „Juhu“ und „Buh“

Wir haben heute Weltfrauentag! Ich weiß nicht recht ob ich mich freuen kann. Prinzipiell ist die Grundidee mit einem Gedenktag, an dem man auf die Gleichberechtigung der Frau den Fokus setzt nicht dumm. Erforderlich sogar, leider! Aber in Anbetracht der aktuellen globalen Situation in der wir Frauen uns weltweit befinden einfach nur traurig….

Mein Tag fängt recht früh an. Ich checke meine Mails und habe zum heutigen Tag diverse Glückwünsche, Nachrichten aber auch Werbung. Werbung, die mir rät Unterwäsche, Blumen oder aber Schuhe zu kaufen! Aha, ich soll mich also belohnen? „Schön dass du eine Frau bist, heute ist dein Tag, komm gönn‘ dir doch was schönes, das hast du dir verdient“ steht zwischen den Zeilen.

Wir haben eine Quote: Juhu

Eigentlich müssten wir vielleicht tatsächlich zum diesjährigen Weltfrauentag in richtiger Feierstimmung sein. Wir haben jetzt eine nagelneue Frauenquote. Das Land ist ja auch ein wenig in Feierlaune. Wow! Sie ist da die Quote, „auf ihr Frauen, hoch mit euch in die Führungsetagen“. Ich weiß nicht recht ob ich mich für diese Quote wirklich freuen soll. Selbstverständlich ist sie, so traurig und ernüchternd das doch eigentlich in der Realität ist, notwendig. Die Herrenclubs in großen Unternehmen müssen endlich mal weiblich durchgewühlt werden. Es muss an vielen Ecken und Bereichen auch mal aus einer völlig anderen Perspektive an die Sachen herangegangen werden. Das diese Frauen sich dann jedoch permanent fragen werden, ob sie denn nun hier sind, weil sie es drauf haben oder aber lediglich eine Quotenfrau sind, das ist dann auch ihr Problem…

Ich muss bei der Quote immer an folgendes Bild denken: ein super Flitzer, ein nagelneuer Sportwagen, dessen Lack quasi noch riecht und spiegelt, was sich in seine Nähe begibt, steht auf der Straße. Männer, die daran vorbeilaufen, oder aber gerade wegen dem „Motz-Teil“ dorthin laufen, sabbern schon und erfreuen sich am Anblick. Obwohl sie wissen, dass sie diesen Wagen niemals fahren werden, ergötzen sie sich am bloßen Betrachten und führen stundenlang Gespräche darüber. Und jetzt der Schwenker vom Sportwagen zur Quote: Es gibt sehr viele Frauen in Deutschland, die trotz Quote, eben immer noch nicht an verdienter Stelle sein werden; weil sie älter sind, Kinder haben, oder aber ein Kopftuch tragen. Diese Frauen freuen sich auch, dass die Quote da ist, reden viel darüber, wissen aber sehr wohl, dass ihnen die Quote dennoch nichts bringen wird.

Und trotzdem sind wir noch am Anfang

Wir haben viel geschafft und uns geht es in Deutschland nicht schlecht, ja gut sogar! Wir sind hier definitiv gesetzlich gleichberechtigt aber leider noch lange nicht gleichwertig! Dafür müssen wir alle noch sehr viel arbeiten. Ich für mich persönlich kann mich mit dem Erfolg, den Frauen in Deutschland erlangt haben nicht zufrieden stellen, wenn ich weiss, dass es Kriegsflüchtlingen, Frauen und Mädchen insbesondere miserabel geht. Für sie ist Misshandlung, Vergewaltigung, Gewalt und Not Tagesordnung. Es ist lobenswert, dass wir nun mehr Frauen aus diesen Kriegsregionen aufnehmen wollen. Aber das reicht nicht, wir müssen mehr tun und uns um das Leid dieser Frauen so kümmern, als sei es unser eigenes. Wir müssen heute gemeinsam mit den Männern sicherstellen, dass der Fall von Özgecan Aslan sich nie wieder wiederholt. Es darf nicht wild auf Frauen Jagd gemacht werden, denn so fühlen wir Frauen uns derzeit auf vielen Orten dieser Welt.

Der Tag ist noch nicht vorbei, ich für mich, scheue mich um keine Aufgabe und keine Arbeit, für zukünftige Frauen wie meine Töchter, damit diese später auch Stolz auf uns sein können. In diesem Sinne, allen Frauen dieser Erde, einen schönen Weltfrauentag!

 

Töchter als Nussknacker

Männer haben oft eine differenzierte Haltung  gegenüber Frauen, insbesondere Frauen, die nicht in ihren unmittelbaren „Haushalt“ fallen. Alle Frauen also, die nicht Mutter, Tante, Schwester oder Frau/Lebensgefährtin/Freundin sind. Man(n) steht irgendwie immer in einer unsichtbaren Konkurrenz zu ihr.  

Es fängt eigentlich schon im Kindergarten an, dass er immer dann wenn sie etwas aus der Spielzeugkiste holt, auch damit spielen möchte. Und eigentlich kann er ja sowieso alles besser: schneller laufen, höher schaukeln und größer bauen. Manch eine plappert das gegenüber dann einfach mal mundtot und dann ist gut. Jedoch geht diese Rangelei dann auch eben in der Schule  einwenig weiter. So lange eigentlich bis Interessen und Potentiale stark differieren und beide ihr „eigenes Terrain“ entwickeln. Man kooperiert oft nur wenn man muss und baut quasi an verschiedenen Baustellen. Toleranz trifft es wohl am präzisesten: man kennt die Unterschiede und kann damit umgehen und lebt damit. Später an der Universität nähert man sich wieder an, das heisst die Branchen sind oft noch unterschiedlich. Es gibt immer noch Männerdomänen und immer noch Studiengänge mit fast 90% Frauenanteil. Aber dennoch vermittelt die Universität wohl allen mehr oder minder das Gefühl von Gender und Diversity und man kann ins Gespräch kommen.

Arbeitswelten-Männerwelten

Oft sieht man Unternehmen, in denen die Herren gerne unter sich sind. Insbesondere die Führungsetagen in Deutschland sind generell alt und maskulin. Sicherlich hat es so seine Vorzüge homogen und  gleich gesinnt zu sein. Man(n) erspart sich eine Menge Ärger. Alle sind sich relativ schnell einig und nachtragend und zickig ist auch keiner. Manch einer gibt in Zeitungs- und Fernsehinterviews oft an, dass man ja schon gerne Frauen mit im Boot hätte aber diese ja selbst nicht mutig  genug  seien und sich nicht bewerben würden. Ob jedoch die Konditionen passen oder ob es für manch eine überhaupt ein anzustrebendes Ziel ist unter dutzend älteren Männern die Quoten-Dingsda zu sein, das fragt man sich lieber nicht. Laut neuster Studie der Antidiskriminierungsstelle wird jede zweite begrapscht oder belästigt. Klar dass manch eine damit nicht so locker fertig wird und den kürzeren zieht, das heisst sich komplett zurück zieht.

Sinneswandel 

Der späte Sinneswandel kommt bei den meisten Chefs, wenn die eigene Tochter anfängt zu studieren und allmählich sich für Jobs umschaut und beginnt an der Karriere zu basteln. Mit großer Wahrscheinlichkeit fallen manchen Herren dann die Erinnerungen wieder ein. Mit großer Besorgnis, dass das eigene Töchterlein an seinesgleichen geraten könnte, wird manch eine harte Nuss von Chef geknackt. Sicherlich kann man sich nun denken „lieber spät als nie“. Was jedoch die Kolleginnen die jahrzehntelang auf berechtigte Positionen verzichten mussten dazu sagen, dass kann sich ja wohl jeder denken.

#equalpayment #gleicherLohnfürgleicheArbeit #diversity #gender #Qualifikationzählt #DiskriminierungamArbeitsplatz

#friendshipChallenge

Ich bin von den Herren Resul Özcelik und Serdar Ablak auf Facebook für die #friendshipChallenge nominiert. Als die Herren die Aktion in Gang setzen, ich schreibe bewusst Herren denn, irgendwie fand ich nur Video Statements von Männern auf meiner Timeline, dachte ich mir:“Na toll! Ist das jetzt wieder so eine Männer-Solidarisierung, Kumpels-forever, oder wie?!“ Ich entschuldige mich für meine voreingenommene Haltung, man(n) möge es bitte auf meine derzeit überlasteten Nebenhöhlen schieben. So, nun bin ich nominiert und wollte eigentlich eine Videobotschaft basteln aber wie gesagt, unter den derzeitigen Umständen hätte man wohl nur die Hälfte verstanden, also daher lieber der Text.

Freundschaft und damit meine ich wahre Freundschaft ist wohl die  bereicherndste zwischenmenschliche Beziehung, die ein Mensch aufbauen kann. Freund heißt im türkischen „ar·ka·daş“. Man sagt, dass der Ursprung dieses Wortes im Sinngehalt darauf zurück geht, dass man einen Freund wie einen schützenden Fels hinter sich wissen soll. Ein Fels, der einen stützt, einen deckt, der Halt gibt. Ich hatte und habe noch sehr viele schöne Menschen, die ich als Freunde im Leben kennen und schätzen gelernt habe. Sie sind unterschiedlich in  Religion, Nation, Geschlecht und Alter. Von jedem einzelnen kann ich so viel lernen, aber auch an den schönen Momenten ihres Leben einfach Teil haben.

Ich persönlich habe immer die Freundschaft des Propheten Mohammed mit den Menschen um sich herum zum Vorbild genommen. Den Freund, so wie er ist annehmen, für ihn immer da sein, in guten und schlechten Zeiten, jetzt im hier und später im Jenseits zusammen sein. Dass letzteres immer noch üblich, möglich und gängig ist, habe ich von Fethullah Gülen, meinem Hocaefendi, gelernt. Einst teilten sich er und seine Freunde das Gebetbuch Cevsen in Kapitel auf, und sprachen sich ab, die jeweiligen Kapitel täglich zu lesen und füreinander zu beten. Jahre später, längst, als die meisten der Freundesgruppe bereits verstorben waren, las Hocaefendi seinen Part weiter. Freundschaft, die Raum und Zeit ungebunden ist, bis in alle Ewigkeit.

Ich möchte mich öffnen, frei von Vorurteilen und Schablonen und Schubladen sein…Möchte meinen Freunden den Rücken stärken ohne Einschränkungen völlig frei.

Wie Yunus Emre es einst sagte: Wir lieben das Erschaffene um des Schöpfers willen.

In diesem Sinne nominiere ich alle, die gerade in diesen Tagen, trotz allen und allem für die Freundschaft einstehen.

Wärme- humanitäres Gut

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Es ist uns nicht immer ganz bewusst, wie wichtig das Gut Wärme für das menschliche Dasein ist, oder was das Fehlen für verheerende Ursachen haben kann. Wir konnten gezwungenermaßen den Selbsttest machen. Die Heizung fiel für 3 Tage aus. Was tun, Anfang Januar, Frankfurt, Erdgeschoss, Familie mit 2 kleinen Kindern?

Es ist Sonntag. Unser Familien Frühstück ist erfolgreich abgeschlossen und ein entspannter Wochenende-End-Tag kann beginnen.  Ich mache mich auf den Weg zu einem Treffen und  Kinder sind mit meinem Mann zu Hause. Während der Fahrt ruft mich unser Nachbar an und frägt, ob bei uns die Heizung auch defekt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich nichts bemerkt und halte kurz Rücksprache mit meinem Mann, der noch zu Hause ist. Kurzer Check: in der Tat, die Heizkörper sind kalt. Uns wird kurz mitgeteilt, dass eventuell ein Notdienst noch am selben Sonntag vorbei schaut, aber im schlimmsten Fall am nächsten Tag ein Reparateur alles richtet.

So kommt es dann, dass wir im Januar 2015 für ganze 3 Tage und 3 Nächte die Kälte bei uns zu Besuch haben und nähere Bekanntschaft mit ihr machen können. Während der Abwesenheit der Wärme merken wir, dass wir sie nicht ausreichend geschätzt und gewürdigt haben. Auch bemerken wir, dass wir einen völlig anderen Bezug zu Bildern aus den Medien aufbauen können.

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Sonnenanbeter und Wärmeverschwender

Sagen wir es mal so: den Winter finden wir als Familie eher auf Postkarten und Filmen schön. Gerne nehmen wir auch mal teil am Kollektiven-Schneemann-Bau oder am Schlitten-Wettrennen, das war es dann aber auch. Wir sind wohl eher die Sorte „Sonnenanbeter“. Dann davon aber gerne auch ganz viel. Ich meine nicht schöne 25° C. Schon eher so 38°C, am liebsten trocken. Wenn man schon quasi zwischen fest-und flüssig Zustand ist bei dem aus den Poren der Haut Schweißtropfen heraus sprießen, sich ihren Weg den Körper entlang nach unten Bahnen und noch bevor sie auf den Boden auftreffen schon wieder verdampft sind. Schon beim Schreiben wird es einem ganz warm. Tja und wenn diese Wärme dann nicht um uns herum ist, dann heizen wir eben. Eventuell an manchen Tagen sogar in Form von Wärmeverschwendern.

Wärme: Humanitäres Gut

Unser unfreiwilliger Selbsttest kann nicht mit der Lage von Flüchtlingen verglichen werden! Denn trotz defekter Heizung haben wir noch den Schutz unserer Wohnung und Kleidung. Wir konnten uns mit Decken und Wärmflaschen und am zweiten Tag sogar dann mit einem Heizstrahler behelfen. Wir können nicht ansatzweise erahnen, was es bedeutet ohne Schuhe auf Schnee laufen zu müssen oder bei Eiseskälte im Zelt zu leben. Laut Medien sind in den vergangenen Wochen mehrere syrische Flüchtlinge nun erfroren. Um möglichst wenig Wärme abzugeben, wird der periphere Hautbereich am Körper nicht mehr genügend mit Blut versorgt. Der Körper sammelt das Blut quasi in der Körpermitte zusammen. Dabei verliert der Mensch sein Bewusstsein, was in den Filmen immer als einschlafen vorgezeigt wird. Der Mensch stirbt, sobald auch lebenswichtige Organe nicht mehr ordentlich durchblutet werden. Dass das nicht ganz ohne Schmerz zugehen muss kann man sich vielleicht dadurch denken, dass Frostbrand identische Symptome hervorruft wie Feuerbrand. Ausserdem kennt jeder den stechenden Schmerz, wenn man im Schnee ohne Handschuhe gespielt hat.


Suriyeli-Mülteci-Kar-Reuters

 

Kein Mensch, vor allem kein Kind sollte in diesem Jahrhundert diesen Umständen/Zuständen ausgesetzt sein. Die Hilfsorganisationen sollten sowohl von den Regierungen als auch von der Gesellschaft unterstützt werden um Menschen in Not zu helfen. Wir, für unseren Teil, haben für eine Familie einen Karton mit Winterkleidung und Schuhen  der Hilfsorganisation Time to Help  bereitgestellt. Jeder kann dazu beitragen, dass mindestens ein Kind nicht mehr erfrieren muss, denn Wärme ist kein Luxus, Wärme ist humanitäres Gut!

 

Fotoquellen:

http://www.bbc.co.uk/turkce/haberler/2015/01/150107_suriye_multeci_kar

http://www.sontiraj.com/ciplak-hayatli-cocuklar/

http://www.aljazeera.com.tr/haber/lubnanda-4-suriyeli-multeci-donarak-oldu

Nachbar-schaf(f)t

Ich nehme mir nun seit zwei Wochen immer wieder vor diesen Text zu bloggen. Entweder kommt privat etwas dazwischen oder die globale mediale Situation ist derart miserabel, dass ich keinen Buchstaben zum anderen zusammen bringen kann. Ich meine in Deutschland braut sich gerade eine braune #Pegida Brühe zusammen, die CSU wünscht sich auch zu Hause nur noch deutsch zu sprechen. In Australien nimmt ein Spinner gleich ein ganzes Geschäft samt Kunden zur Geisel (die Situation eskalierte und 3 Menschen starben), in Pakistan verüben Terroristen einen Anschlag auf eine Schule (viele Kinder starben dabei) und in der Türkei werden Journalisten verhaftet weil sie an ihrer Meinungsfreiheit festhalten. Alles nicht so wirklich das gelbe vom Ei.

Daher nun mal ein Text der ganz und gar positiv ist!

Gute Nachbarschaft macht das Leben lebenswerter. An dieser Theorie verharre ich wirklich sehr stark. Ich finde, die Moderne macht es der Nachbarschaft nicht unbedingt einfach. Die Menschen arbeiten oft viel und lange. Sie müssen oft ihre Wohnorte wechseln. Ebenso verhilft der Drang nach Entspannung und Individualität nicht unbedingt das gesellige Beisammensein von Menschen, die ihre Räumliche Nähe nicht direkt selbst bestimmen dürfen. Wir können uns unsere Nachbarn, wie auch unsere Verwandten, nicht wirklich selbst auswählen. Im Vergleich zu den Verwandten kann man seinen Nachbarn die Nachbarschaft kündigen, in dem man wegzieht.

Nun denn. Mein momentaner Wohnort ist bereits der fünfte, das heisst ich habe bisher in fünf völlig verschiedenen Städten, die in ganz unterschiedlichen Bundesländern sind, gewohnt. Immer wenn ich neu einziehe und mit dem Umzug durch bin, schreibe ich allen Mitbewohnern im Haus eine kleine Karte in der wir uns kurz vorstellen. Auf den letzten beiden stand mit dabei, dass wir in einigen Wochen Nachwuchs erwarten und uns im voraus für eventuellen nächtlichen „Lärm“ entschuldigen. Viele meiner Nachbarn haben im Gegenzug mit einer kleinen Willkommensbotschaft  geantwortet oder die „neuen Nachbarn“ recht freundlich gegrüßt, denn nun wusste man ja mehr über uns. Ich muss sagen, in puncto Nachbarn hatte ich wirklich immer Glück. Es waren immer sehr nette Menschen dabei. An schlechte kann ich mich wirklich nicht erinnern. Klar hat der eine oder andere mal einen schlechten Tag und schaut etwas grimmiger oder grüßt nicht auf Anhieb, aber das ist glaube ich alles noch im menschlich-normalen Rahmen gewesen.

Als wir vor drei Jahren von Heidelberg nach Frankfurt zogen war ich hochschwanger und hatte auch noch ein Kleinkind von knapp drei Jahren. Unser Haus besteht aus sechs Wohnungseinheiten und die meisten wohnen schon seit Jahren hier. Wir sind die ersten und auch die einzigen im Haus mit Migrationshintergrund. Anfangs hatten die Nachbarn nicht wirklich eine Vorstellung, wie und ob das klappen kann, da man ja soviel über „die anderen“ hört. Dennoch hatte keiner von uns Berührungsängste und war auch nicht ganz und gar voreingenommen. Für uns waren unsere Nachbarn nicht DIE DEUTSCHEN und für unsere Nachbarn waren wir nicht DIE MIGRANTEN. Alle bedankten sich für die nette Karte und lobten den Text. Zur Geburt unserer zweiten Tochter kamen alle und gratulierten.

So kam es denn, dass wir immer an diversen Festen uns mit gegenseitigen kleinen Geschenken oder netten Karten eine kleine Freude machen. Die Geburtstage der Kinder, Einschulung, Kita-Beginn oder Nikolaus werden im Haus gemeinsam „gefeiert“. Man trifft sich zum türkischen Tee oder zu weihnachtlichem Stollen, Grund haben wir ja genug um zusammen zu kommen. Man hilft sich aus, achtet auf die Wohnung des anderen, wenn er mal nicht da ist und ist zur Stelle als Nachbar. Ich weiss sehr wohl, dass es, vor allem in Großstädten, nicht selbstverständlich ist, dass man seine Nachbarn alle kennt und so nachbarschaftlich miteinander gut zurecht kommt. Ich zu meinem Teil kann sagen, dass ich mich für meine älteren Nachbarn im Haus ein Stück weit verantwortlich fühle. Wenn ich weiß, dass jemand im Haus krank ist oder trauert, dann möchte ich diesem Menschen sein „Leid“ ein Stück weit abnehmen. Ich freue mich, wenn meine Teller, die ich zuvor mit gekochtem oder gebackenen im Haus verteilt hatte, mit einem großen Lächeln und herzlichem Danke zu mir zurück kommen. Ebenso empfinde ich ein Nachbarschaftstreffen vom gesamten Haus bei meinen deutschen Nachbarn als wirklich besinnliches Zusammenkommen. Es ist machbar und im Grunde genommen wirklich einfach. Es muss nur jemand den ersten Schritt wagen. Seien Sie nicht schüchtern, schreiben Sie doch mal Ihren Nachbarn eine Karte ♥

PS: Dieses Bild stammt aus unserem letzten Nachmittagskaffe im Haus mit allen Nachbarn bei Familie Böning. Es war wirklich ein sehr schöner Nachmittag.